Rund eine Woche nach der umstrittenen Auslieferung von Antifaschist*in Maja nach Ungarn sind am Samstag in Leipzig mehr als 500 Menschen auf die Straße gegangen. Während des Aufzugs kam es zu heftigen Regenfällen. Eine Person aus Reihen der Organisator*innen bezeichnete das massive Polizeiaufgebot als „Machtdemonstration“.

Maja war am Freitag vergangener Woche von deutschen und österreichischen Polizist*innen nach Ungarn gebracht worden. Die nicht-binäre Person soll sich im Februar 2023 in Budapest an Überfällen auf mutmaßliche Neonazis beteiligt haben.

Redner*innen auf der Demonstration am Samstag, dem 6. Juli kritisierten sowohl die Auslieferung an sich als auch deren Umstände. Ein Rechtsanwalt, der im sogenannten Budapest-Komplex tätig ist, bekräftigte die Darstellung, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und das sächsische LKA rechtzeitig über einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht informiert wurden. Dieses ordnete einen Stopp der Auslieferung an, allerdings befand sich Maja da schon in Ungarn.

Kritik an Auslieferung

„Wir sind nicht empört, wir sind es gewohnt“, sagte der Anwalt während der Auftaktkundgebung. Ähnliche Vorgehensweisen seien beispielsweise von Abschiebungen bekannt. Eine Rückkehr von Maja nach Deutschland sei wohl nur noch möglich, wenn sich die Bundesregierung dafür einsetzen würde.

Bei der Auftaktkundgebung wurde auch ein aufgezeichneter Redebeitrag von Majas Vater abgespielt. Er „bekannte sich schuldig“, sein Kind dazu erzogen zu haben, sich gegen Faschisten zu engagieren. Von den Demonstrierenden wünschte er sich einen friedlichen Kampf für Rechtsstaat, Demokratie und Gerechtigkeit.

Zugriff nach Demoende

Friedlich blieb die Demonstration tatsächlich über den kompletten Verlauf. Die Polizei griff sich allerdings einige Minuten nach dem Ende der Demo einen 28-Jährigen und brachte ihn zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf eine Dienststelle. Er soll den öffentlichen Frieden durch Androhung von Straftaten gestört haben.

Möglicherweise bezieht sich das auf eine Parole, die während des Aufzugs von einigen Teilnehmer*innen skandiert wurde. Diese richtete sich gegen Dirk Münster, den ehemaligen Leiter der „Soko LinX“. Seit Anfang des Jahres ist Münster für die Aufsicht über den Verfassungsschutz zuständig.

Gitter und Wanderkessel

Die Polizei begleitete die komplette Demonstration mit einem massiven Aufgebot. Zahlreiche Orte – darunter die Polizeidirektion, die Bundesbank und der Alexis-Schumann-Platz – waren eingezäunt. Auch auf dem Bayrischen Platz rund um die Auftaktkundgebung wurden weiträumig sogenannte Hamburger Gitter aufgestellt – eine ungewöhnliche Maßnahme. Vor der Polizeidirektion am Wilhelm-Leuschner-Platz standen außerdem zwei Wasserwerfer.

Vor allem während des Aufzugs über die Karl-Liebknecht-Straße Richtung Connewitz wurden die Demonstrierenden in einem extrem engen „Wanderkessel“ von Polizist*innen umringt. Diese liefen nur wenige Zentimeter neben dem Aufzug mit. Erst nach Beschwerden durch Organisator*innen lockerte die Polizei den Kessel an einigen Stellen leicht.

Orga-Mitglied zieht gemischtes Fazit

Ein Mitglied des „budapest antifa solidarity comittee“, das die Demo mitorganisiert hat, bezeichnete den Polizeieinsatz gegenüber der Leipziger Zeitung als „unverhältnismäßig“. Die Versammlung sei friedlich verlaufen. Die Polizei hingegen habe eine weitere „Machtdemonstration“ gezeigt, ähnlich wie es zuvor die Behörden bei der Auslieferung von Maja getan hätten.

Dennoch sei man mit der Demonstration zufrieden. „Wir haben viele Leute auf die Straße gebracht.“ Auch der starke Regen habe die Menschen nicht vom Demonstrieren abgehalten. „Es war ein kraftvolles Statement“.

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