Die Europawahl und die Stadtratswahl in Leipzig sind vorbei, die Wahlplakate sollten aus dem Stadtbild verschwunden sein, man trifft aber immer noch vereinzelt auf solche oder deren Überreste. Bis die letzten Reste dieser Plakatierung entfernt sind, ist die Pause schon wieder vorbei und die Parteien plakatieren für die am 1. September stattfindenden Landtagswahlen. Welche Wirkung haben eigentlich diese Plakate und beeinflussen sie das Wahlverhalten?
Obgleich die Antworten im Video keine statistisch belastbare Analyse zulassen: Auch eigene Erfahrungen des Autors zeigen, dass viele Menschen die Plakate nicht mehr als Beitrag zur politischen Meinungsbildung sehen. Oft wird sogar von Vermüllung des öffentlichen Raums gesprochen.
Was zeigen Wahlplakate?
Sie zeigen meist nicht viel, oft eine Politikerin oder einen Politiker mit einem drei-Satz-Slogan. Beispielhaft im 2024er-Stadtratswahlkampf der FDP, wechselnde Gesichter mit „App statt Amt“. Was sagt dieser Slogan? Möglich wäre die Auslegung: „Ämter abschaffen – App genügt!“, in der Tradition von „Digitalisierung first – Bedenken second“. Wahrscheinlicher ist aber die Bedeutung: „Ich will eine App nutzen, statt auf ein Amt zu gehen!“ Vielleicht bedeutet er auch etwas anderes, wer weiß?
„Leipzig besser machen“, der zentrale Slogan der CDU sagt nichts aus, außer: „Wir meinen, die anderen machen es schlechter“. Das versteht sich von selbst, sonst müsste die CDU ja nicht zur Wahl antreten. Wie besser machen, steht da nicht. Es sei denn, mit einem zweiten City-Tunnel, die Idee ist ja nicht neu – eine mögliche Finanzierung steht aber noch nicht einmal in den Sternen.
Es gibt selbstverständlich auch unterhaltsame, absurde und belustigende Aussagen von Wahlplakaten, wie „Wo willst Du in 800 Jahren leben?“ oder „180-Grad-Ziel nicht überschreiten“, illustriert mit einer verbrannten Pizza, aber wen animiert das zur Wahlteilnahme?
Was kostet die Materialschlacht?
Genaue Angaben fehlen, die Parteien halten sich bedeckt. Für den Europawahlkampf 2024 hat zumindest Die Linke die Angabe von über eine Million Euro für Plakatwerbung gemacht.
Die Kosten für die Allgemeinheit sind wahrscheinlich hoch, denkt man an Reste von zerstörten Plakaten, die von den Parteien nicht eingesammelt werden und an die vielen Plastik-Kabelbinder, welche Verkehrsschilder, Strom- und Laternenmasten zieren. Da diese nicht mehr dem Verursacher zugeordnet werden können, im Gegensatz zu „vergessenen“ Plakaten, ist die Entsorgung dann eine kommunale Angelegenheit.
Welchen Sinn haben Wahlplakate?
„Das klassische Wahlplakat ist extrem wichtig, um den Leuten klarzumachen, hallo, da ist eine Wahl“, so sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) gegenüber ZDF heute. Also eine Erinnerung an bevorstehende Wahlen, mit Millionenbudgets der Parteien?
Da erscheint die Plakatkampagne „Für Alle“ seitens der Evangelischen und Katholischen Kirche in Sachsen zielführender, preiswerter und unterstützenswert.
Auch Initiativen wie #machdeinKreuz sind eine tolle Erinnerung an Wahltermine.
Man sollte auch bedenken, dass die Masse an Plakaten einer Partei einzig und allein eine Aussage über deren finanzielle Mittel trifft. Das war im Bundestagswahlkampf 2021 deutlich an der Kampagne der MLDP zu sehen. Die Anzahl der Plakate hatte nur die Aussage: „Wir haben Geld dafür“.
Alternativen zur Plakatwerbung
Muss man ganz auf die „Sichtwerbung“ im öffentlichen Raum verzichten? Vielleicht sollte man eher über Alternativen zur klassischen Plakatwerbung nachdenken.
Es wäre vielleicht möglich, an zentralen Orten mit hoher Publikumsfrequenz Plakatwände aufzustellen und den Parteien dort Flächen für ihre Werbung zu vergeben. Auch eine generelle Limitierung der Anzahl von Wahlplakaten auf ein verträgliches Maß, wie 2018 in Konstanz diskutiert, wäre vielleicht ein Anfang. Vielleicht wäre auch die Wahlwerbung auf digitalen Medienträgern, mit ständig wechselnden Parteienwerbungen, eine Alternative, wer weiß?
Fazit: Die klassische Plakatwerbung kostet viel Geld, erzeugt viel Müll und ist wahrscheinlich ziemlich wirkungslos. Kommunen, Parteien, aber auch Bürgerinnen und Bürger sollten über Sinn und Unsinn derselben nachdenken und andere Möglichkeiten finden.
Es gibt 4 Kommentare
Och, “Machen statt Gendern” fand ich eine ziemlich gute Ausnahme des Einerlei. Kostenloses “Mittagessen!” war auch mal eine plautzige Forderung, ganz in Ihrem beschriebenen Sinne, lieber Urs. Kaum erreicht von “Leipzig bleibt rot!”
Plakate richten sich an Leute außerhalb von Blasen und Zirkeln und erzielen beabsichtigte oder unbeabsichtigte Wirkungen, vermutlich überwiegend letzteres. So blamiert sich jede und jeder so gut sie oder er kann. Nirgendwo allerdings sah ich Slogans wie “Flächengerechtigkeit, subito!” oder “Kinder statt Autos”. Danken wir mal ausdrücklich den PR-Büros im Hintergrund.
Bin exakt Ihrer Meinung! Jede Partei hätte das machen können. “Sollen wir Leipzig nach dem Vorbild von Kopenhagen, Barcelona oder Paris umbauen? Nein –> CDU”
Aber nein, die bloßen Gesichter “Sie kennen mich.” bringen ja sooo viel mehr…
Ich finde, das das Potential von Plakatwerbung nicht ausgenutzt wird. Die Plakate fallen einem schon auf, aber wenn dann nur Allgemeinplätze drauf stehen (“Leipzig besser machen”, “Machen was zählt”), dann verpufft der Effekt. Die LINKE hat das in der Vergangenheit irgendwie noch ganz gut hinbekommen.
Ich finde, die progressiven Parteien, wie die Grünen, die als Hauptfeind von Dunkeldeutschland unter Dauerbeschuss stehen, sollten sich überlegen, wie sie auf den Plakaten mehr rüberbringen. In Leipzig hätte ich an ihrer Stelle eher retropesktiv, auf das Erreichte hinweisend, plakatiert, z.B. am “bösen” Radweg vorm Bahnhof. “Wegen uns gibt es diesen Radweg. Mehr davon -> x bei Grün”.