An der Leipziger Universität kommt es seit dem Nachmittag zu einer Besetzungsaktion mit Bezug zum aktuellen Gaza-Krieg. Im Audimax und auf dem Campusgelände in der Leipziger Innenstadt haben pro-Palästina-Gruppierungen ihr Lager aufgeschlagen, im Innenhof sind Zelte aufgebaut. Inzwischen ist auch die Polizei mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Die Räumung des Audimax wurde angekündigt.
Nach Angaben eines LZ-Kollegen beteiligen sich geschätzt etwa 50 Menschen an der Aktion und wollen dem Vernehmen nach „einige Tage“ bleiben. In zirkulierenden Flyern werden dem Staat Israel, der auf einen brutalen Angriff der terroristischen Hamas mit über 1.000 Massakrierten und hunderten Entführten am 7. Oktober 2023 mit einer Militäroffensive im Gaza-Streifen reagiert hatte, schwere Vorwürfe gemacht.
Dazu gehört unter anderem jener hinsichtlich eines angeblichen „Genozids“ an der palästinensischen Zivilbevölkerung. Viele Fachleute sehen diese Anschuldigung mit Bezug auf Israel so als nicht belegt an.
Hingewiesen wird auch auf das aktuelle Vorgehen des israelischen Militärs in Rafah am Grenzübergang des Gazastreifens zu Ägypten. Inzwischen wachsen dort Sorgen vor einer neuerlichen Eskalation des Konflikts. In Gaza sollen bereits etwa 35.000 Menschen infolge des Kriegs gestorben und rund 80.000 verletzt worden sein.
Israel wiederum will die Strukturen der terroristisch-islamistischen Hamas nach eigener Aussage zerschlagen, zudem werden noch immer Dutzende Entführungsopfer in Gaza festgehalten. Der Hamas wirft Israels Regierung vor, an keinem Deal zur Freilassung der verschleppten Menschen interessiert zu sein.
Der deutsche Staat wird durch die Besetzer unter anderem beschuldigt, Israels Vorgehen durch Geld und Waffen zu unterstützen, während die Rüstungsindustrie durch den Konflikt verdiene.
Aufforderung zur Räumung des Camps durch KSS
Nach Angaben der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) sind mehrere Gruppen an der Leipziger Aktion beteiligt: „An der Besetzung beteiligen sich unter anderem die Gruppen Young Struggle Leipzig, Zora Leipzig, Föderation Klassenkämpferischer Organisationen, Studierendenkollektiv Leipzig, Students for Palestine Leipzig und Handala Leipzig“, so die KSS in einer Mitteilung.
„Die den Campus besetzenden Gruppen sind in der Vergangenheit mit zutiefst antisemitischen Aussagen aufgefallen. Diese haben in den sächsischen Hochschulen kein Platz. Hochschulen dürfen kein rechtsfreier Raum sein. Zustände wie an Berliner Hochschulen müssen verhindert werden“, erklärte KSS-Sprecher Paul Steinbrecher. Das Rektorat wurde zur sofortigen Räumung des Protestcamps aufgefordert. Die Sicherheit israelischer und jüdischer Menschen sei gefährdet, jedoch unverhandelbar.
Lage derzeit angespannt, Räumung des Audimax und Anzeige durch Universität angekündigt
Die Lage vor Ort ist nach Beobachtung unseres Kollegen derzeit angespannt und unklar. Auch die Polizei ist inzwischen da und sichert das Geschehen ab, um Gewalttätigkeiten zu verhindern. Es soll bereits Übergriffe und Aggressionen gegeben haben. Zugänge zur Universität sind momentan versperrt. Zugleich sollen die Besetzer auch Kontrollpunkte auf dem Campusareal eingerichtet haben.
Dem Lager des Protestes stehen inzwischen auch Gruppen mit Israel-Flaggen gegenüber. Dabei kam es zu Sprechchören und verbalen Provokationen, Polizeibeamte trennten beide Lager im Campus voneinander ab.
Laut Polizeisprecher Olaf Hoppe, der aktuell selbst vor Ort ist, sei die Lage derzeit „weiterhin recht stabil“, erklärt er gegenüber der LZ am Telefon. Während der pro-Palästina-Protest und die pro-israelische Gegenkundgebung im Innenhof des Campus als Versammlungen angezeigt worden seien, verhalte es sich beim Audimax anders: Dessen Besetzung sei als strafbarer Hausfriedensbruch zu werten. Daher würde aktuell seine Räumung durch Polizeikräfte vorbereitet.
Die Leipziger Universität bestätigte inzwischen den Räumungsbeschluss und hat nach eigenen Angaben Strafanzeige gestellt. „Eine gewaltsame Störung des Lehrbetriebs und Inbesitznahme universitärer Räumlichkeiten dulden wir nicht“, teilte Uni-Rektorin Eva Inés Oberergfell mit. Und: „Proteste und Demonstrationen sind grundsätzlich legitim, solange sie das Ziel der Information und Verständigung verfolgen. Eine Gefährdung Unbeteiligter und eine Eskalation sind hingegen keine akzeptable Form freiheitlicher Auseinandersetzung.“
Wie unser Kollege meldet, ist die Lage um 19 Uhr eher statisch. Während die Palästinakundgebung weiterhin ausharrt, hat sich die Gegendemo aufgelöst, wohingegen der Audimax mutmaßlich nach wie vor besetzt gehalten wird. Vier Türen zum Audimax sind weiterhin blockiert, die Polizei fordert die Leute teilweise zum Gehen auf bzw. führt erkennungsdienstliche Maßnahmen durch.
Das Audimax und der Innenhof auf dem Innenstadt-Campus der #UniLeipzig wurden am Dienstagnachmittag (7.5.2024) von rund 50 bis 60 Personen besetzt. Die Universität entschied sich für eine Räumung und hat Strafanzeige erstattet. https://t.co/SsgcS8k0mJ
— UNIVERSITÄT LEIPZIG (@UniLeipzig) May 7, 2024
Räumung am Abend
Am Abend kurz nach 19 Uhr begannen Polizeikräfte dann mit der Räumung des Audimax und der Zugänge. Dabei wurden Identitäten von Personen festgestellt, geprüft würden jetzt auch die mögliche Strafverfolgung sowie eine Inrechnungstellung von Einsatzkosten, teilt Polizeisprecher Olaf Hoppe auf Anfrage mit.
Nach jetzigem Stand seien im Audimax selbst 13 Personen angetroffen worden, dazu eine „niedrige zweistellige Zahl“ weiterer Personen an den Zugängen selbst. Der angemeldete Protest für Palästina im Innenhof darf nach jetzigem Stand noch bis 21.30 Uhr vor Ort bleiben.
Aktuell würden Polizeimaßnahmen durchgeführt sowie der Einsatz durch weitere Kräfte abgesichert, so Hoppe weiter.
Vorläufige Bilanz der Polizei
Wie die Polizei am späten Abend mitteilt, waren insgesamt 150 Kräfte der Polizeidirektion Leipzig, der Bereitschaftspolizei Sachsen sowie der Bundespolizei am Campus im Einsatz. Die Staatsanwaltschaft habe die Besetzung des Audimax als strafbares Handeln eingestuft: „Es besteht hier der Verdacht eines Hausfriedensbruchs. Ein Strafantrag seitens des Berechtigten lag vor.“
Abschließend heißt es kurz vor 21 Uhr: „Aktuell laufen noch strafprozessuale Maßnahmen durch Polizeikräfte vor Ort, so dass noch keine endgültigen Angaben gemacht werden können. Gegen 13 Personen, die sich im Audimax befanden, wurden Strafverfahren wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs eröffnet. Über andere im Einsatz registrierte Straftaten wird am morgigen Tag nachberichtet.
Bisher erfolgten keine Gewahrsams- oder vorläufigen Festnahmen. Die Polizeidirektion Leipzig prüft zudem die Inrechnungstellung von Einsatzkosten gegenüber bekannten Störern.“
Die LZ verfolgt die Entwicklungen für Sie und Euch weiter.
Es gibt 4 Kommentare
Hallo Hearst, ob mir “die Genozid Nummer zu groß ist”, ist hier nicht die Frage. Es braucht für solch einen Vorwurf eindeutige Belege und die sind schwer zu erbringen, wie es auch aus dem Artikel im Stern (und anderen Quellen) hervorgeht. Jetzt hüpfen sie argumentativ weiter und gehen auf mögliche Kriegsverbrechen ein. Dass diese mit Bezug auf einzelne Handlungen israelischer Streitkräfte möglich sein bzw. als solche bezeichnet werden könnten, ist auch die Aussage eines Experten, der im Beitrag des “Stern” zitiert wird (so viel zu ihren angeblich “befangenen” Fachleuten). Ich überlasse die rechtliche Wertung daher den dafür Ausgebildeten und ziehe es vor, das schlimme Geschehen weiter kritisch-distanziert zu verfolgen. Das gilt für alle Parteien. Beste Grüße, LB
Hallo Post Author Lucas Böhme,
die umfangreichen Argumente der Ankläger sind nachzulesen. Die Antwort Argumente der Verteidigung auf die erfolgten Eilanträge darauf waren sinngemäß: Stimmt nicht / Nicht zuständig. Die selektive Herausnahme einzelner Punkte der angeführten Fachleute und ihrer Interpretation ist dabei ebenso argumentativ dürftig (oder auch regierungsstützend) wie der Versuch der ersten offiziellen Verteidigung. Wo war bei den Fachleuten eigentlich die Ausgewogenheit (pro/contra) der Argumente? Wenn ihnen aber die Genozid Nummer zu groß ist, können wir uns auch gern das Spektakel um die Anklage wegen Kriegsverbrochen vor dem IStGH anschauen. Schon super gespannt auf die Bewertungen der Fachleute dazu, Hearst.
Hallo @Hearst. Vielleicht könnte man sich verständigen, dass zwischen der Verhandlung über einen gravierenden Vorwurf und dessen rechtssicherer Feststellung schon noch etwas dazwischenliegt. Zu sagen, dass auch Israel falsch handelt bzw. aus legitimer Verteidigung gegen Terroristen schnell ein maßloser Rachefeldzug werden kann, kommt mit Sicherheit auch ohne Genozid-Vorwürfe aus, unabhängig davon, was die Gerichte letztlich sagen. Setzen Sie sich doch bitte ernsthaft mit den Argumenten auseinander, statt anderen Befangenheit vorzuwerfen. Beste Grüße, Lucas Böhme (LZ)
Der Genozid sowie deren Beihilfe (gemeint ist die BRD) wird sehr wohl verhandelt, egal was dt. “Fachleute” (also Befangene) , die sich im Stern zitieren lassen verbreiten. Allein das Gemetzel mit zig tausend toten Kindern / Zivilisten / über 100 getöteter Journalisten (weit mehr wie der Kreml oder Kiew / CIA seit 2014 in de Ukraine umgebracht haben) welches die israelische Regierung nach dem Überfall der terroristischen Hamas veranstaltet (inkl. Ignorieren der Weltgemeinschaft usw.) zeigt den Hass auf die “Amalek”. Die Anklage ist wohlbegründet, trotz der antisemitschen Vorwürfe der israelischen Regierung auf Kritik an ihr. Der rechtsradikale “from the river to sea” Bibi und seine Politik wird halt weiter von US + BRD fein unterstützt. Eine Schande.