Die Hürden für Personen, welche aus ihrem Heimatland geflüchtet sind, um in Deutschland Land Fuß zu fassen, sind oftmals hoch. Sprachbarrieren erschweren Behördengänge, das Zurechtfinden im Rechtsgefilde ohne Hilfe ist kaum möglich. Der Refugee Law Clinic Leipzig e. V. (RLCL) bietet Unterstützung und berät Asylsuchende kostenfrei in migrationsrechtlichen Angelegenheiten. Wir haben mit Paula von der RLCL über die Arbeit des Vereins gesprochen, über die politische Instrumentalisierung der Thematik und über den ungewissen Blick, mit welchem die Refugee Law Clinic in die Zukunft schaut.
Paula, kannst du die Arbeit, die ihr in der Refugee Law Clinic leistet und generell das Konzept der RLC einmal in deinen Worten beschreiben?
Wir bieten ehrenamtliche kostenlose Rechtsberatungen an im Bereich des Aufenthalts- und Asylrechts. Das Konzept der Law Clinics gibt es aber auch in anderen Rechtsbereichen und in anderen Städten in Deutschland. Sie sind vorrangig an Universitäten angekoppelt. Vor allem geht es darum, Studierenden – aber auch Personen, die nicht an der Uni sind – ein Weiterbildungsangebot zu bieten zu bestimmten Rechtsbereichen, sodass diese im Ergebnis Rechtsberatungen durchführen können. Diese Beratungen sind in Deutschland nur im Zusammenhang mit einer Supervision durch Volljurist*innen erlaubt. Das bedeutet, wir haben in regelmäßigen Abständen Supervisionstermine mit Fachanwält*innen, in welchen wir spezifische Fachfragen klären können.
In Leipzig gibt es mehrere Schwerpunkte unserer Arbeit: Zum einen bieten wir jedes Jahr eine einjährige Ausbildung an, die aus Vorlesungen, Tutorien und Vertiefungsveranstaltungen besteht. Diese Ausbildung ist für alle Menschen offen. Etwa 40 bis 70 Personen machen diesen Ausbildungslehrgang pro Jahr mit.
Zum anderen gibt es das „Kernstück“ unserer Arbeit – die Rechtsberatung. In einem Rhythmus von zwei Wochen gibt es in den Räumen in der Poliklinik in Leipzig-Schönefeld eine Sprechstunde von 15 bis 17 Uhr. In der Praxis beraten wir an so einem Nachmittag meist aber bis zu vier Stunden. Hinzu kommt das Angebot der E-Mail-Beratung.
Oft machen wir auch zusätzliche Termine aus zur Anhörungsvorbereitung. Die Anhörung ist der zentrale Teil eines Asylverfahrens, davon hängt sehr viel ab. So traurig es ist – die Chancen in diesem Verfahren ändern sich fundamental, wenn man darauf vorbereitet wurde. So ein Termin kann bis zu drei Stunden dauern. Das sprengt natürlich so einen Beratungsnachmittag.
Ein weiterer Bereich unserer Arbeit ist die Sprachmittlung. Wir arbeiten zusammen mit einem Pool an ehrenamtlichen Sprachmittelnden, also Personen, die in der Beratung für uns übersetzen. Für diese werden regelmäßige Trainings angeboten. Da geht es um Techniken in der Sprachmittlung, aber auch um emotionale Abgrenzung. Die Gespräche über persönliche Schicksale können sehr nahegehen, dafür sind Umgangsstrategien wichtig.
Außerdem betreiben wir auch Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit, mit der wir auf die Missstände, die wir in den Beratungen gespiegelt bekommen, aufmerksam machen wollen. Denn die aktuelle Rechtslage, zu der wir Menschen beraten können, ist natürlich das Ergebnis politischer Prozesse. Auf diese Prozesse – im Rahmen unserer Möglichkeiten –- Einfluss zu nehmen, ist uns sehr wichtig.
Des Weiteren gibt es noch ein Kooperationsprojekt: die Infostelle für Asyl und Bildung in Grimma im Landkreis Leipzig. Dort bieten wir jede Woche eine Rechtsberatung an. Momentan ist unklar, ob wir dieses Angebot aufrechterhalten können, da auch dieses Projekt von Kürzungen betroffen ist. Im Landkreis sind die Themen noch breiter gefächert – natürlich geht es hauptsächlich um Aufenthalts- und Asylrecht, manchmal kommen aber auch sozialrechtliche, mietrechtliche oder arbeitsrechtliche Themen auf den Tisch. Die Versorgungslage ist dort ungleich schlechter als in der Stadt. Ratsuchende sind hier noch mehr rassistischer Gewalt ausgesetzt, als im städtischen Raum. Wir sehen immer wieder, wie wichtig die Beratung gerade dort ist.
Wie viele Personen engagieren sich derzeit im Verein in Leipzig?
In der Beratung sind wir derzeit ein Team von zehn Personen. Hinzu kommen Personen, die gerade in der Ausbildung sind und hospitieren. In der erweiterten Vereinsarbeit sind wir in etwa 20 Personen.
Du hast vorhin schon von Kürzungen gesprochen. Wie sieht die aktuelle finanzielle Situation des RLCL e.V. aus?
Ehrlich gesagt: schlecht. Schon im August 2022 wurden etwa zwei Drittel der bisherigen Fördermittel gekürzt, dabei hatten wir im April noch die Zusage für mehr finanzielle Unterstützung erhalten. Die Refugee Law Clinics wurden bisher hauptsächlich über das Welcome-Projekt des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) finanziert. Darüber wurden mehrere Stellen für studentische Hilfskräfte gestellt, durch welche die Koordination und auch die Kontinuität unseres Angebots gesichert werden konnte. Die Beratungen machen wir ohnehin ehrenamtlich. Das Welcome-Projekt lief allerdings Ende letzten Jahres aus. Das wurde uns erst vier Monate vorher mitgeteilt.
Die neue Förderrichtlinie des DAADs ist auf die Arbeitsmarktintegration von Fachkräften ausgerichtet, anstatt auf Geflüchtete. Das heißt, wir fallen raus aus diesem Fördertopf. Wir halten momentan unsere Arbeit aufrecht und haben sie noch mehr, als ohnehin schon, ins Ehrenamt verlagert. Wie lange wir das so weitermachen können, ist unklar. Wir sind mit der Problematik auch an die Universität herangetreten, aber von der Seite haben sich keine Gelder gefunden, um wenigstens die Personen, die die Tutorien leiten, zu bezahlen. Dabei sind die Beratungen immer voll, der Bedarf ist da. Wir müssen oft Menschen wegschicken. Es ist für uns absolut nicht ersichtlich, warum dieser Einschnitt gemacht wird.
Gibt es Unterstützung von der Stadt?
Bisher haben wir von der Stadt keine Mittel erhalten. Die Verwaltung verweist gern an uns – auch mit Themen, über die sich ein Weiterbildungsangebot seitens der Stadt eigentlich anbieten- oder vielmehr gebieten würde. Das fügt sich in den großen Zusammenhang der Rechtsberatung im Asyl- und Aufenthaltsrecht ein. Eigentlich sollten das Asylverfahren und der Umgang mit den beteiligten Behörden derart gestaltet sein, dass Menschen das navigieren können. Es scheint allerdings zum Teil staatliches Kalkül zu sein, diese notwendigen Beratungen bewusst ins Ehrenamt auszulagern. Es gibt dazu auch das Konzept des rebellischen Ehrenamts, das den Finger auf die Wunde legt nach dem Grundsatz: „Es ist uns keine Ehre“. Dabei steht auch die Frage im Raum, zu welchem Teil wir mit unserer Arbeit das System der einkalkulierten unbezahlten Arbeit noch stützen.
Wie sähe die Lage aus, wenn Angebote wie die Refugee Law Clinics wegfallen würden?
Im Endeffekt leidet die Wahrnehmung der Rechte im Asylverfahren. Es ist ein Armutszeugnis, wenn der Ausgang solch eines Verfahrens wesentlich davon abhängt, dass eine Person auf eine Anhörung vorbereitet wurde. Es sollte doch vielmehr einfach darum gehen, ob die Voraussetzungen des jeweiligen Schutzstatus‘ erfüllt sind. Gleichermaßen sprechen wir bei Asylverfahren von Fristen von ein oder zwei Wochen, in welchen Betroffene Zeit haben, Rechtsmittel gegen Entscheidungen einzulegen. Wie soll das funktionieren, wenn sie keine Unterstützung erhalten? Gäbe es Beratungen wie unsere nicht mehr, wäre das meiner Ansicht nach sehr problematisch für die Rechtsstaatlichkeit dieser Verfahren.
Du hast im Zusammenhang mit den Sprachmittelnden bereits über die psychische Belastung eurer Arbeit gesprochen. Wie gehst du damit um?
Wir als Organisation haben eine psychologische Supervision, aber auch diese ist natürlich abhängig von finanziellen Mitteln. Wie es mir mit der Arbeit geht, steht für mich nicht unbedingt im Vordergrund. Vielmehr frage ich mich: Was macht dieses diskriminierende System mit Menschen, die schon in ihren Herkunftsländern und auf Fluchtwegen schlimme Erfahrungen gemacht haben? An vielen Stellen ist es frustrierend, diesen Personen die rechtliche Situation und damit unschöne Realitäten zu vermitteln. Klar ist das belastend. Man erhält einen Einblick in das Ausmaß der Missstände im gesamten System.
Der Anteil der Gesellschaft, der nicht gezwungen ist, sich damit zu auseinanderzusetzen, bekommt davon wenig mit. Da geht es beispielsweise auch um die Thematik Sozialleistungen. Wenn Personen nicht wissen, dass man sich beispielsweise gegen Kürzungen wehren kann, tun sie es auch nicht. Damit wird in den Behörden kalkuliert. Das heißt, Gesetze, die als verfassungswidrig angesehen werden müssen, kommen einfach zur Anwendung. Die Menschen werden auch oft durch lange Wartezeiten mürbe gemacht.
Du engagierst dich seit 2018 im Bereich Migrationsrecht. Hat sich deine Wahrnehmung hinsichtlich der Politik in den letzten Jahren verändert?
Also in Bezug auf die Asylpolitik hat sich meine Hoffnung, die mit dem Regierungswechsel einherging, leider nicht erfüllt. Im Gegenteil – die Lage hat sich noch verschlimmert. Die migrationsrechtlichen Vorschriften wurden schon in den letzten Jahren immer wieder verschärft, auch durch die Ausweitung der Herkunftsländer, welche als sicher eingestuft wurden. Das ist sehr ernüchternd. Es gab die Einführung des Chancenaufenthalts, doch von dieser Regelung hat nur eine kleine Gruppe von Menschen, die bis zu einem bestimmten Stichtag bereits eine Duldung befunden hatten, profitiert. Aber manchmal mussten wir Personen vermitteln, dass sie zwei Wochen zu spät eingereist waren.
Die Beschlüsse zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) war wohl für alle Menschen, die im Bereich Asylrecht arbeiten, ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Es wurde vor kurzem das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verabschiedet, mit dem Abschiebungen erleichtert werden. Die Polizei erhält mehr Befugnisse, der Zeitraum für den Zugang zu Sozialleistungen auf Bürgergeld-Niveau wurde verlängert. Künftig wird das für Asylsuchende erst nach 36 Monaten möglich sein. Das verfassungsrechtliche Existenzminimum gilt anscheinend nur für manche Personen, nicht für Geflüchtete. Deren Leistungen liegen immer niedriger und können teilweise bis auf null runtergekürzt werden. Auch bei der Thematik Bezahlkarten wird viel Symbolpolitik betrieben, die klar diskriminierend ist und schwere Konsequenzen für die Betroffenen mit sich bringt.
Ich habe das Gefühl, dass das Thema Asyl- und Migrationsrecht gern instrumentalisiert von der Politik auf dem Rücken von Menschen, die vielleicht nicht zur Wählerschaft gehören. Es wird viel am Thema vorbeigeredet, viele Diskussionen sind sehr fern von der Realität und eher populistisch.
Wie sieht die Zukunft der RLCL aus – auch in Hinblick auf die schwierige finanzielle Lage?
Ich denke, die Menschen, die aktuell aktiv sind, wollen auf jeden Fall die Beratungen aufrechterhalten, solange wie es möglich ist. Die Frage ist aber auch: Schaffen wir uns langfristig selbst ab, wenn wir keine Kapazitäten mehr haben für die Ausbildung? An den Beratungen hängt ein großer Organisationsaufwand. Wenn dafür weniger Kapazität da ist, kann es sein, dass wir weniger Beratungen anbieten können. Schon jetzt kommen Mitglieder manchmal an ihre Grenzen, da wir keine Ratsuchenden wegschicken möchten.
Wie kann man eure Arbeit unterstützen?
Spenden und Fördermitgliedschaften sind natürlich eine große Unterstützung. Es ist hilfreich, wenn wir uns auf eine gewisse Kontinuität – und seien es fünf Euro im Monat – verlassen können. Abseits von finanzieller Unterstützung sind auch immer Personen, die helfen wollen, gern gesehen. Das muss nicht zwangsläufig im juristischen Bereich sein. Wir haben ein Finanzteam, eine Gruppe für die Ausbildungsorganisation und eine Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit, auch in diesen Bereichen können wir immer Unterstützung gebrauchen.
„Die Refugee Law Clinic Leipzig bietet kostenlose Rechtsberatung für Asylsuchende“ erschien erstmals im am 08.03.2024 fertiggestellten ePaper LZ 122 der LEIPZIGER ZEITUNG.
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