Immer wieder wird denen, die gegen den Rechtsnationalismus auf die Straße gehen, entgegengehalten: Die AfD sei doch eine legitime, demokratische Partei. Als Grund wird angeführt: Sie ist bis heute nicht verboten und sie wird in demokratischen Wahlen gewählt. Doch beide Gründe machen aus der AfD keine normale, demokratische Partei.

  • Wohl kann die AfD, solange sie nicht verboten ist, als politische Partei agieren. Aber damit wird ihr Programm nicht demokratisch.
  • Wohl kann die AfD an demokratischen Wahlen teilnehmen, aber deswegen wird aus ihr keine demokratische Partei.

Beide Gründe entheben uns aber nicht von der Aufgabe, genau auf das zu hören, was AfD-Politiker/-innen so von sich geben. Ende Juli und Anfang August 2023 fand die Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg statt. Auf dieser wurde die AfD-Liste für die Europawahl am 9. Juni 2024 aufgestellt.

Mit einer Rede bewarb sich der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Leipzig Siegbert Droese, seines Zeichens auch AfD-Stadtrat in Leipzig und stellvertretender Vorsitzender der AfD Sachsen, um den Listenplatz 11. Man kann sich die Rede auf der Homepage der AfD Leipzig ansehen und anhören: „Siegbert Droeses Hammer-Bewerbungsrede um den Listenplatz 11“. Hier einige Auszüge:

Ich hatte gestern hier aus dem Saal von einem Kollegen gehört, er sei Europäer. Da möchte ich zunächst mal bekennen: Ich stehe hier oben als Deutscher – und gerade in Bezug auf die Europäische Union bin ich da auch stolz drauf. …
Wir werden unseren Weg zur Macht gehen bis zum Ende. …
Ich bewerbe mich in dem Bewusstsein für ein Parlament, was eigentlich kein Parlament ist. …
Diese EU … muss in der heutigen Verfassung verschwinden. …
Wir wollen eine Außenpolitik, die national bestimmt ist. …
Andreas Mölzer (FPÖ) sagte einmal, die EU müsse sich fragen lassen, „ob sie ein Negerkonglomerat sei, beherrscht von einer Bande von Globalisten“. Das möchte ich mir nicht zu eigen machen, aber: Die heutige EU ist disfunktional, übergriffig und undemokratisch und ist verkommen zum Zentrum des Regenbogenimperiums. …
Die heutige EU ist – und da sind wir uns einig – nicht reformierbar. …
Die heutige EU braucht die Abrissbirne. Ich kandidiere auch dafür, um mit den Abrissarbeiten in Zukunft zu beginnen. …

Nach der Rede wurde Droese mit fast 80 % auf den Listenplatz 11 gewählt. Droese fuhr jahrelang einen Mercedes-Combi mit dem Kennzeichen L-AH 1818. In seinem Lokal „Ehemalige Zentralapotheke“ (nicht zu verwechseln mit dem noch heute existierenden Apothekenmuseum, das haben wir hier an dieser Stelle korrigiert, d.Red.) , das er vor knapp 10 Jahren hoch verschuldet in die Insolvenz führte, hing der Stadtplan Leipzigs aus dem Jahr 1937. Warum wohl? Da gab es noch die „Adolf-Hitler-Straße“ (heutige Karl-Liebknecht-Straße).

Keine Frage: Siegbert Droese ist ein typischer Vertreter der rechtsextremistischen AfD: Opportunistisch gibt er den Biedermann, im Ernstfall erweist er sich als Brandstifter – deutlich zu erkennen an dem rassistischen Zitat des deutschnationalistischen FPÖ-Politikers Mölzer. Droese greift nicht darauf zurück, um sich davon inhaltlich zu distanzieren. Vielmehr setzt er noch eines drauf: Die EU sei das „Zentrum des Regenbogenimperiums“.

Damit wird deutlich, wie die Propaganda der AfD funktioniert: Keine Partei benutzt so oft das Attribut „bürgerlich“ wie die AfD, um ihre eigentlichen Ziele zu verharmlosen. Aber wenn es darauf ankommt, dann fällt sehr schnell die Maske und zum Vorschein kommt die Fratze einer antidemokratischen, antieuropäischen, nationalistischen Partei, die sich nicht lange bei den Grundwerten der Verfassung aufhält.

Da fallen dann verräterische Sätze wie „Wir werden unseren Weg zur Macht gehen bis zum Ende“. Da wird nicht ein demokratischer Wechsel auf Zeit angestrebt, sondern die endgültige Machtergreifung propagiert. Es geht nicht um demokratische Mitgestaltung im EU-Parlament, sondern um die Zerstörung der parlamentarischen Demokratie.

Dass aber das „vereinte Europa“ nach der Präambel und Art. 23 Abs. 1 des Grundgesetzes Staatsziel ist, um „dem Frieden der Welt zu dienen“, interessiert einen Siegbert Droese, interessiert die AfD nicht. Warum auch? Sie haben den Hammer schon in der Hand, um all das zu zertrümmern, was uns ein friedliches, demokratisches, vielfältiges Zusammenleben in Europa ermöglicht.

Und solchen Leuten sollen/wollen Bürger/-innen per Wahl auch noch die Möglichkeit geben loszuhämmern? Niemals, niemals dürfen die Droeses, Höckes, Weidels in unserem Land und in Europa das Sagen bekommen!

Christian Wolff, geboren 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er engagiert sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar