Kurz vor dem angekündigten, bundesweiten Bauernprotest dreht sich die öffentliche Debatte sowohl in Sachsen als auch deutschlandweit mittlerweile weniger um die Forderungen der Landwirtinnen und Landwirte. Stattdessen geht es um die Frage, ob es den Demonstrierenden gelingen wird, die bereits begonnene Vereinnahmung ihres Protests durch extrem rechte Akteur*innen abwenden zu können.

Sind die Befürchtungen berechtigt? In Sachsen macht beispielsweise die rechtsextreme Kleinstpartei der „Freien Sachsen“ für die Bauernproteste mobil. Und der Aktivist und Autor Martin Sellner aus Österreich, bis 2023 führender Kopf der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, hat für Montag sein Erscheinen in Dresden angekündigt, wo er sich den Bauern anschließen wolle.

Den „Freien Sachsen“ kommt es da gerade recht, dass der Präsident des Sächsischen Bauernverbandes, Torsten Krawczyk, seit Tagen auf eine nahezu absurde Weise zusammen mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Kampagne gegen „die da oben“ von der Ampel-Regierung in Berlin fährt. Der Wahlkampf der sächsischen CDU für die Landtagswahl im September hat also spätestens jetzt begonnen.

Im jüngsten Podcast der CDU-Fraktion im Landtag kündigte Bauernverbands-Chef Krawczyk an, dass auf einer Kundgebung am Mittwoch in Dresden nur Kretschmer als „Landesvater“ und CDU-Vertreter sprechen werde, Statements aus anderen politischen Lagern wolle der Bauernverband nicht zulassen, damit die Versammlung nicht zu einer „politischen Veranstaltung“ werde.

Laut Krawczyk handelt es sich um eine „Demonstration der Wirtschaft aus einer Verbundenheit zu unserem Ministerpräsidenten hin, dem Lenker unseres Landes“. Auch in einem kürzlich veröffentlichten CDU-Imagefilm tritt er gemeinsam mit Kretschmer auf.

Die extreme Rechte hat aus dem angekündigten Bauernprotest längst politisches Kapital geschlagen

Die „Freien Sachsen“ deuten den Kuschelkurs zwischen CDU und Bauernverband in gewohnt verschwörungsmythischer Manier als „Skandal“ – so absurd sie manchmal anmuten, sind derartige Verbandelungen von politischen Entscheidungsträger*innen und Interessensverbänden Alltag in unserem politischen System – und rufen zum Protest gegen das „gesamte Blockparteienkartell“ auf.

Und auch aus der sächsischen AfD ist Blockparteienkartell-Geraune zu vernehmen – nicht so deutlich wie bei den „Freien Sachsen“, aber dennoch flächendeckend durchscheinend. So schreibt der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Kumpf in einem Kommentar zum angekündigten Bauernprotest, dass die CDU sich „zu einem Fähnchen im Wind der Hauptmedien entwickelt“ habe und „keine wirkliche Opposition zur derzeitigen Bundesregierung“ darstelle.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat sich am Wochenende von rechten Versuchen einer Vereinnahmung der Bauernproteste distanziert. „Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten“ wolle der Bauernverband nicht auf seinen Demonstrationen haben, so Rukwied gegenüber der Bild am Sonntag.

Recherchen einiger Accounts auf X (ehem. Twitter) legen nahe, dass Personen, die für den Bauernverband mancherorts aktiv sind, sich selbst im extrem rechten Spektrum betätigen. Bestätigt sind diese Informationen nicht. Sie sind jedoch auch nicht abwegig, da es besonders in Ostdeutschland keine Seltenheit ist, dass Rechtsextreme sich in scheinbar bürgerlichen Kreisen engagieren und es niemandem auffällt – oder sich niemand daran zu stören scheint.

Angesichts dieser Recherchen ist die Distanzierung des Bauernverbandes – und die Umsetzung dieser in der kommenden Woche – besonders interessant.

„Keine Galgen!“: Verein stellt Demo-Regeln auf

Und auch der Verein „Land schafft Verbindung“, der neben dem Bauernverband der zweite große Mobilmacher für die Proteste in Sachsen ist, pochte in einem heute veröffentlichten „Bauernkodex“ auf „friedliche, parteineutrale“ Proteste. In dem selbstauferlegten Kodex hält der Verein außerdem fest, dass Galgen, schwarze Fahnen oder „andere Symbole extremistischer Gruppen“ nicht Teil der Proteste sein soll.

Wie gut das gelingen kann, wird sich ab Montag zeigen. Dann starten die Landwirtinnen und Landwirte ihre angekündigte „Aktionswoche“, mit der sie ein Festhalten an der Dieselsubvention erwirken wollen. Geplant sind unter anderem Blockaden von Autobahnauffahrten. Die Stadt Leipzig warnt vor „umfangreichen Verkehrsbeeinträchtigungen“ und empfiehlt, am Montag auf den ÖPNV umzusteigen.

Die protestierenden Bäuerinnen und Bauern wollen am 8. Januar ab 5 Uhr die Autobahnauffahrten Döbeln Ost, Döbeln Nord, Leisnig, Mutzschen, Grimma, Naunhof, Leipzig Ost, Leipzig Messegelände, Leipzig Nord, Schkeuditz, Wiedemar, Leipzig West, Leipzig Südwest, Belantis, Leipzig Südost, Espenhain, Kitzscher, Borna Nord, Geithain, Rochlitz blockieren.

Lediglich im Zeitfenster von 11:30 Uhr bis 13 Uhr sollen die Zufahrten für den Individualverkehr geöffnet werden – dieser Kompromiss geht offenbar auf Verhandlungen der Stadt Leipzig mit den Demo-Organisator*innen zurück.

Die Auffahrten Kleinpösna, Leipzig Nordost, Leipzig Mitte, Klinga und Borna Süd bleiben nach Angaben der Stadt am morgigen 8. Januar frei.

Für Montagmorgen gegen 8 Uhr ist außerdem ein einstündiger Traktor-Korso über den Leipziger Innenstadtring angekündigt.

Strategiedebatten in der linken Szene Leipzigs: Wie mit dem Bauernprotest umgehen?

In linken Kreisen wird derweil diskutiert, welche Strategie man fahren soll, um legitime Forderungen der Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen, gleichzeitig sich populistischen Stimmen und rechtsextremen Tendenzen klar entgegenzustellen.

Fridays For Future und die Kooperative Landwirtschaft (Kola) Leipzig haben sich für den scheinbar einfachen Weg entschieden: Eine eigene Demo anmelden, um die Kontrolle über die Inhalte zu behalten und sich klar von rechten Akteur*innen abzugrenzen. Am 12. Januar wird zur Demo auf dem Leipziger Augustusplatz unter dem Motto „Für eine gerechte und nachhaltige Agrarpolitik – Klare Kante gegen die extreme Rechte“ aufgerufen.

Gleichzeitig rufen anarchistische Akteur*innen aus Leipzig online dazu auf, sich an den Protesten der Bauernverbände zu beteiligen, um nicht dem Trugschluss zu verfallen, der die radikale Linke schon während der Proteste in der Corona-Pandemie quasi handlungsunfähig gemacht habe: Gesunde Skepsis gegenüber Protesten der breiten Masse dürfe nicht schon wieder in einer „Fundamentalablehnung jeglichen Protestes“ enden. So spiele man letztendlich „dem aufkommenden Faschismus wieder in die Hände“.

Wie das in der Praxis aussehen kann, wird in dem anarchistischen Aufruf ebenfalls geschildert. Mit Anfeindungen und Pöbeleien müsse man als Linke*r rechnen, wenn man sich unter die wütenden Landwirtinnen und Landwirte mische. Dennoch sollten linksradikale Standpunkte niemandem aufgedrängt und andere Meinungen gehört werden.

Nur gegen etwaige an den Demos teilnehmende Neonazis müsse entschieden vorgegangen werden: Wenn nötig, müssten „die Faschos rausgeboxt“ werden.

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Es gibt 5 Kommentare

Die Gleichsetzung der Klimakleber mit Terroristen fand ich auch bisschen Quatsch. Es muss auch noch Vokabeln geben für Leute, die in eine Menschenmenge mit den LKW fahren oder Handgranaten in U-Bahnschächte werfen.
Trotzdem scheint es enorme Akzeptanzunterschiede der breiteren Bevölkerung zwischen eben jenen Klebern und den Bauern zu geben.
Und eigentlich ist es ja auch bisschen offensichtlich. In den Bauern erkennt man sich eher wieder, weil liebgewonnene Dinge weggenommen werden. Vielleicht projiziert sich der ein oder andere auch selbst hinein und wünscht sich, er hätte auch die Macht des Traktors, um dem Habeck mal Bescheid zu stoßen.
Im Gegensatz dazu stehen halt Leute, die im Zweifel kleine Heiligtümer wie Kunstwerke, öffentlich schick gemachte Weihnachtsbäume oder alterwürdige Denkmäler für ihre Sache in Gefahr bringen. Vom Gendern der Parolen mal ganz abgesehen. Also ich muss nicht lange grübeln, woher der Akzeptanzunterschied kommt.

Wenn die Bauern ihre Traktoren auf der Straße festlegen würden – wäre das dann Terrorismus?

Ich hätte mir auch eine zeitnahe Berichterstattung gewünscht, denke aber dass das für eine kleine Zeitung nicht immer machbar ist. Zumal der Ring ja öfter mal gesperrt ist. Letztlich ist es wohl eine redaktionelle Entscheidung, finde ich schade aber okay.

Ich kann Ihnen, lieber Gerd, aber beim von Ihnen gewünschten „Wolken Liveticker“ helfen: heute wenig Wolken! Dafür Sonne! Die braunen Stinkstiefel müssen in ihren Sümpfen bleiben!

Insbesondere letzteres tut mir natürlich sehr leid für Sie.

Wenn drei vier infantile grüne Spinner sich festkleben ist die Liz schon fünf Minuten vorher da. Dann gibt’s auch einen Wolken Lifeticker. Jetzt wo der Innenstadtring dicht ist, gibt’s hier gar nichts. Gute Demo böser Aufzug.Scheinheiligkeit in Reinstform.

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