Das Spektrum möglicher Einsätze, mit denen die Feuerwehren konfrontiert werden, umfasst mittlerweile weit mehr als nur die Brandbekämpfung. Zu unserem alltäglichen Einsatzaufkommen gehören Verkehrsunfälle ebenso wie die Beseitigung umgestürzter Bäume von Straßen, Türöffnungen, Tragehilfen von Patienten, das Unterstützen bei Reanimationen, Wasserrohrbrüche und vieles mehr. Um im Einsatz jeden Handgriff sicher zu beherrschen und effektiv retten zu können, verbringe ich mit meinen Kameradinnen und Kameraden einen Großteil meiner Freizeit auf der Wache.

Dort absolvieren wir nicht nur einen Teil unserer Fort- und Ausbildung, sondern pflegen auch unsere Fahrzeuge und die darin untergebrachte Technik. Eine Vielzahl an Lehrgängen kann oder wird nicht auf der eigenen Wache angeboten, was dazu führt, dass man schon mal mehrere Wochenenden hintereinander früh um 6 Uhr aufsteht, zur Ausbildungsstätte fährt und dort das Wochenende mit Theorie- oder Praxisunterricht verbringt, anstelle auszuschlafen und zusammen mit den Liebsten zu frühstücken.

Das Cover Leipziger Zeitung Nr. 120, VÖ 22.12.2023. Foto: LZ
Cover Leipziger Zeitung Nr. 120, VÖ 22.12.2023. Foto: LZ

Wenn man Ausbildungen, die auch im Landkreis nicht angeboten werden, absolvieren möchte oder muss, weil es sonst niemanden mehr auf der Wache mit der entsprechenden Qualifikation gibt, verbringt man seinen Urlaub nicht am Strand, sondern lernt von früh bis abends an der Landesfeuerwehrschule in Nardt.

Mit der Entscheidung, sich aktiv bei der Feuerwehr zu engagieren, verpflichtet man sich zusätzlich dem Freistaat Sachsen gegenüber, nicht nur an den Fort- und Ausbildungen teilzunehmen, sondern sich auch umgehend im Alarmfall auf der Wache einzufinden.

Im Klartext heißt das, alle alarmierten Einsatzkräfte, denen es im Moment der Alarmierung möglich ist, die Wache innerhalb der nächsten 5 Minuten zu erreichen, sind verpflichtet, am Einsatz teilzunehmen. In der Wache haben wir dann noch eine weitere Minute Zeit, um uns mit unserer persönlichen Schutzausrüstung auszustatten und das Fahrzeug zu besetzen.

In den meisten Fällen bedeutet das für mich persönlich, dass ich nachts um 3 aus dem Bett springe, um einen Ast von der Straße zu räumen. Erst neulich hatte ich gerade das Mittagessen auf den Tisch gestellt, als ich zur Beseitigung einer Ölspur gerufen wurde. Die Ölspur entpuppte sich dann als ein auslaufendes Thunfischglas. Jedoch hatte ich mich auch vor nicht allzu langer Zeit gerade auf den Weg zu einer Party gemacht, als wir zu einem Einsatz gerufen wurden, bei dem es für die Betroffenen unmittelbar um Leben und Tod ging.

Trotz all dieser Herausforderungen gibt es nichts Erfüllenderes als die Arbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Bis heute vergeht kaum ein Tag, an dem ich es bereue, mich vor vielen Jahren dafür entschieden zu haben. Ich wünschte nur, dass mehr Menschen sich dafür entscheiden, sich bei der Feuerwehr zu engagieren, damit die Freiwilligen Feuerwehren auch in Zukunft jederzeit schnell für jeden, der Hilfe benötigt, da sein können.

Erst vor ein paar Wochen war ich bei einem Gebäudebrand mit Menschenleben in Gefahr eingesetzt. Bei diesem Einsatz wurden drei Feuerwehren mit insgesamt fünf Einsatzfahrzeugen alarmiert. Eine Wehr konnte nicht ausrücken, da sich niemand nach dem Alarm auf der Wache eingefunden hat. Die andere Wehr konnte nur zwei der eigentlich benötigten acht Atemschutzgeräteträger stellen.

Wie so oft ging auch diesmal wieder alles wie durch ein Wunder gut. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie der Einsatz ausgegangen wäre, wenn die Person sich nicht noch aus eigener Kraft hätte retten können.

Ich verspreche Ihnen, dass Sie all die Anstrengungen vergessen haben werden, wenn Sie zusammen mit Ihren Kameradinnen und Kameraden, die zu einem Teil Ihrer Familie geworden sind, zwei Kinder und ihre Mutter nach einem schweren Verkehrsunfall gerettet haben.

Und ich kann Ihnen sagen, dass Sie nie wieder vergessen werden, warum Sie sich das immer wieder antun, wenn Sie einige Wochen später schnell im Supermarkt in Deckung gehen müssen, wenn Sie wie ich von den Betroffenen nicht wiedererkannt werden möchten, aber die verunfallte Mutter mit ihren Kindern dort gerade einkaufen sehen und beobachten, wie eins der Kinder lachend durch die Regalgänge hüpft und die Mutter, zwar noch an Krücken, aber glücklich, ihr Kind wieder einzuholen versucht.

„Wenn Leipziger*innen träumen: Traumberuf“ erschien erstmals im am 22.12.2023 fertiggestellten ePaper LZ 120 der LEIPZIGER ZEITUNG.

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