Um Pflegefachkräfte konkurrieren Krankenhäuser, Kliniken, Alten- und Pflegeheime und auch ambulante Pflegedienste. Die Situation ist in vielen Einrichtungen kritisch, man kann durchaus vom Fachkräftemangel sprechen.
Dabei haben ambulante Pflegedienste eine große Bedeutung, wenn es darum geht, pflegebedürftigen Menschen ein selbstständiges Leben im gewohnten Lebensumfeld zu ermöglichen. Sie suchen ihre Kundinnen und Kunden mit Pflegefachkräften, Pflegehelfern und Hauswirtschaftlern auf. Manche Menschen meinen, „Pflege und Hauswirtschaft, das kann doch jeder“.
Christine Vogler, die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, fordert im rnd-Interview auch eine Professionalisierung des Pflegeberufs. Besonders wichtig dabei ist die umfangreiche Möglichkeit und Verpflichtung zur Aus- und Weiterbildung. Sie sagt:
„Das durch die fehlende umfassende Autonomie gesetzte Signal ist doch: Hauptsache, du kannst eine Bettpfanne leeren, mehr musst du nicht können.“
Über die Personalsituation in der ambulanten Pflege haben wir mit Andreas Mildner gesprochen. Er ist Geschäftsführer der Hera Residenzen Gruppe, einer in Leipzig ansässige Pflegegruppe mit deutschlandweit ambulanten Pflegediensten, aber auch Tagespflegen, Betreutem Wohnen, Intensivpflege und 24-Stunden-Assistenz.
Herr Mildner, einleitend die Frage: Wie ist die Personalsituation in der häuslichen Pflege? Kann man von einem Fachkräftemangel sprechen?
Wir sollten den Fokus nicht ausschließlich auf Pflegefachkräfte richten, da auch gut angeleitete Pflegehilfskräfte viele Aufgaben mit Empathie und Verantwortungsgefühl übernehmen. Definitiv aber ist der Pflegemarkt stark unter Druck. Die Löhne in der Pflege sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Durchaus eine Wertschätzung der Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen.
Früher oder später finden wir Pflegefachkräfte, wenn wir sie suchen, es dauert aber deutlich länger als früher. Die Konkurrenz ist in jedem Fall groß und winkt mit hohen „Wechselprämien“. Nach unserer Erfahrung sind Pflegefachkräfte an einer guten Vergütung interessiert, aber dies ist nicht der einzige Faktor. Gute Arbeitsbedingungen und ein gutes Betriebsklima spielen eine ebenso große Rolle.
Wie schon gesagt, viele Menschen meinen „Das kann doch jeder“, gerade im Hauswirtschaftsbereich. Welche Fachkräfte benötigt ein ambulanter Pflegedienst und welche Voraussetzungen müssen diese mitbringen? Gibt es Ausbildungen speziell für den ambulanten Bereich, gerade für die Hauswirtschaft?
Tatsächlich ist es so, dass Pflegehilfskräfte im ambulanten Bereich gut eingesetzt werden, wenn sie die entsprechenden „Soft Skills“ mitbringen. Wenn es um Leistungen wie das Unterstützen bei der Körperpflege geht, muss natürlich eine gute fachliche Anleitung gewährleistet werden. Dies vorausgesetzt, ist der Umgang mit unseren Kundinnen und Kunden dann genauso wichtig und dies können auch Pflegehilfskräfte sehr gut gewährleisten.
Die hauswirtschaftlichen Leistungen erbringen tatsächlich ausgebildete Hauswirtschaftlerinnen, aber auch Quereinsteiger sind gern gesehen, die entsprechend eingearbeitet werden, um einem hohen qualitativen Anspruch gerecht zu werden. Die Pflegedienstleitung ist dann insbesondere in der Pflicht, die Qualität sicherzustellen.
Ambulante Pflege bedeutet ja, nach meinem Verständnis, selbstständige Arbeit der Pflegefachkräfte vor Ort. Werden da nur erfahrene Fachkräfte gesucht, oder bieten Sie selbst Aus- und Weiterbildung an?
Wie in jedem Bereich sind Erfahrungen auch in der Pflege von unschätzbarem Wert. Allerdings können wir es auch selbst leisten, unsere ungelernten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren. Jeder andere ambulante Pflegedienst mit einer Praxisanleitung im Übrigen auch. Wir ermöglichen gruppenweit berufsbegleitende Fachkraftausbildungen.
Durchaus ist es möglich, zunächst als ungelernte Pflegehilfskraft in der Pflege zu starten und berufsbegleitend eine Pflegehelferausbildung zu absolvieren, um sich damit für die Pflegefachkraftausbildung zu eignen. Die Pflegefachkraftausbildung ist wiederum ebenso berufsbegleitend möglich. Wir ermuntern unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch immer wieder, sich bis zur Pflegedienstleitung weiterzubilden.
Unsere Pflegedienste arbeiten jeweils vor Ort mit Pflegefachschulen zusammen.
Ambulanter Pflegedienst, ob nun im Pflege- oder Hauswirtschaftsbereich, erfordert ja ständige Mobilität der entsprechenden Mitarbeitenden und die Zeiten für die einzelnen zu betreuenden Menschen sind knapp bemessen. Kann man hier trotzdem, oder gerade deshalb, von einem attraktiven Arbeitsplatz sprechen?
Durchaus kann man von einem attraktiven Arbeitsplatz in der ambulanten Pflege sprechen. Viele Kolleginnen und Kollegen entscheiden sich bewusst für die ambulante Pflege, weil sie sich eben gerade vor Ort einzig auf den Kunden konzentrieren können. Die Touren der Kolleginnen und Kollegen sind so geplant, dass ausreichend Zeit für die zu erbringende Leistung bleibt.
Im Pflegeheim hingegen versorgen zwei Pflegepersonen 40 Patientinnen und Patienten gleichzeitig.
Ich sprach die Konkurrenz um Fachkräfte an. Kann ein ambulanter Pflegedienst überhaupt mit den anderen Einrichtungen konkurrieren?
Mit stationären Einrichtungen konkurrieren wir um die Fachkräfte, ganz klar. Vor allem um die mit Führerschein. Denn während ein Krankenhaus oder das Betreute Wohnen möglicherweise mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu erreichen sind, ist eine Einstellungsvoraussetzung im ambulanten Bereich, einen Führerschein zu besitzen.
Es gibt zwar auch Ausnahmen, da können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein, aber gerade auf dem Lande ist das nicht möglich. Und tatsächlich gibt es auch Pflegefachkräfte, die keinen Führerschein besitzen. Das ist in der häuslichen Pflege ein Problem.
Wenn Sie die Personalsituation im Bereich der ambulanten Pflegedienste einschätzen, ist zu befürchten, dass perspektivisch Pflegedienste wegen Personalmangel aufgeben müssen?
Durchaus beobachten wir Schließungen von ambulanten Pflegediensten im Umfeld unserer Einrichtungen, die mit einem Personalmangel begründet werden. Zumal mit der Führung eines Pflegedienstes Auflagen verbunden sind, wie eine Mindestanzahl an Pflegefachkräften und eine/-n zur Pflegedienstleitung ausgebildete/-n Mitarbeiter-/in zu beschäftigen.
In anderen Bundesländern muss die Pflegedienstleitung zusätzlich betriebswirtschaftliche Kenntnisse nachweisen. Das sind alles Hürden, die das Betreiben eines Pflegedienstes erschweren und das relevante Angebot an Pflegefachkräften einschränken.
Bei allem Verständnis für die Bedingungen, die dazu beitragen, einen hohen Standard an Pflegequalität zu gewährleisten, führt der Fachkräftemangel eben auch aus restriktiven Gründen zu Schließungen. Noch können Pflegedienste im Umfeld die betroffenen Kundinnen und Kunden aufnehmen, aber eben auch nur in dem Maße eigener personeller Kapazitäten. Die Zahl der Kundinnen und Kunden, die die Kolleginnen und Kollegen pflegen können, ist auch begrenzt.
Gerade im ambulanten Bereich muss sich eine Tour auch rechnen. Sie können nicht in beliebiger Entfernung Kunden versorgen. Die Befürchtung ist dann, dass Regionen auch unterversorgt sind. Auf dem Land zeigt sich das viel stärker als in der Stadt, aber selbst in einer Stadt wie Leipzig ist nicht jeder Stadtteil für jeden Pflegedienst sinnvoll und kostendeckend.
Was kann die Politik zur Verbesserung der Situation tun?
Zum einen würde eine Entbürokratisierung der Pflege helfen. Der Nachweis von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen einer Pflegedienstleitung verhindert beispielsweise in Hamburg ein Führungsduo aus pflegerischem Know-how einer Pflegedienstleitung mit einer Standortleitung mit rein betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. In Sachsen wiederum kann eine Pflegedienstleitung nicht mehrere Pflegedienste leiten. Das erhöht wiederum den Personalbedarf.
Zum anderen sollte auch die Vergütung der Pflege überdacht werden. Aktuell ist es zum Beispiel so, dass gut 40 Prozent des Pflegegeldes nicht für die Pflege verwendet werden, sondern zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder zur Unterstützung von Kindern und Enkeln.
Wenn alle für die Pflege bestimmten Gelder zu dem Zweck eingesetzt werden würden, dann hilft dies am Ende auch den Pflegediensten, besser zu wirtschaften und ein attraktiver Arbeitgeber für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sein.
Fazit: Die ambulante oder häusliche Pflege gewinnt immer mehr an Bedeutung. Menschen wollen im Alter im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben, das erhöht die Lebensqualität. Wir danken Herrn Mildner für das Gespräch.
„Konkurrenz beim Fachkräftemangel: Ambulante Pflegedienste“ erschien erstmals im am 29. September 2023 fertiggestellten ePaper LZ 117 der LEIPZIGER ZEITUNG.
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