Die Theatergruppe des Leipziger Theatervereins K befand sich zum Zeitpunkt des Überfalls der Hamas auf Israel zu einem Theateraustausch in Israel. Betreuer und Eltern setzten alle Hebel in Bewegung, um die Jugendlichen schnellstmöglich aus Israel zurückzuholen. Das kostete Nerven und Geld. Die Vorsitzende des Vereins und Mutter einer Teilnehmerin, Jutta Stahl-Klimmt, erzählt, wie die Rückkehr der Jugendlichen gelang.
Anruf aus Tel Aviv
Jutta Stahl-Klimmt
„Am Samstag, dem 07.10., erreichte mich um 7:23 Uhr der Anruf meiner Tochter, mit der Nachricht, dass es einen Raketenalarm gab und sie gerade aus dem Luftschutzraum auf dem Internatsgelände herausgekommen seien. Meine Tochter, sowie 14 weitere Jugendliche und 4 Betreuer*innen, befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Internat in Tel Aviv im Rahmen eines gemeinsamen Theaterprojektes des TheatervereinK mit israelischen Jugendlichen.
Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt mit Kolleg*innen auf einer Dienstreise für das Ariowitsch-Haus in Chania auf Kreta. Für den nächsten Morgen, am Sonntag um 7:00 Uhr, hatten wir einen Flug nach Tel Aviv gebucht, um die Premiere des gemeinsamen Projektes der Leipziger und der israelischen Theatergruppe zu erleben.
Im Folgenden empfahlen wir allen Teilnehmenden, ihre Eltern anzurufen und diesen mitzuteilen, dass es ihnen gut geht. Als Verantwortliche des Theatervereins informierten wir bis 12.00 Uhr aus unserer Sicht die wichtigsten offiziellen Stellen, bspw. das Auswärtige Amt, die Deutsche Botschaft Israel und die Stadt Leipzig. Der Kontakt mit der Deutschen Botschaft gestaltete sich schwierig, da unter der angegebenen Notrufnummer nur eine automatisierte hebräische Ansage zu hören war, die wir nicht verstehen konnten.
Die israelischen Teilnehmenden wurden schon am Samstag von ihren Eltern aus dem Internat nach Hause geholt. Unsere Gruppe blieb auf dem Campus zurück, wurde aber von dem Leiter der israelischen Theatergruppe sowie den auf dem Internatsgelände lebenden Schulangestellten unterstützt und weiter mit Essen und Trinken versorgt. Die Gruppe musste mehrmals Zuflucht im Luftschutzraum suchen.
Als Verantwortliche des Vereins befanden wir uns in ständigem Kontakt mit den vier Gruppenbetreuer*innen vor Ort. Wir bildeten sofort und gemeinsam mit dem Leiter der israelischen Theatergruppe einen Krisenstab und suchten nach Lösungen, um eine Ausreise der Gruppe zu ermöglichen. Trotz umfangreicher und fortwährender Recherche war es uns nicht möglich bereits für Samstag oder Sonntag einen Flug für die Gruppe zu buchen. Ebenso wurde aber leider am Sonntagabend der reguläre Rückflug der Gruppe am Montag abgesagt. Der regelmäßige Kontakt mit der Fluggesellschaft brachte uns keinerlei weiterführende Auskünfte.
Wir wurden lediglich auf Durchsagen bzw. Nachrichten der Gesellschaft verwiesen.
Am Sonntag wurde die Gruppe von Michael Schmidt (Mitglied im Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins Leipzig-Herzliya) besucht. Dieser war von der Stadt Leipzig kontaktiert worden, um die Gruppe zu unterstützen. Er stand zudem im ständigen Kontakt mit der Stadt Leipzig, die sich ihrerseits auch, leider ebenso erfolglos, um Flüge bemühte. Das Auswärtige Amt meldete sich zunächst gar nicht. Nach längerer Zeit kam von diesem schließlich der Vorschlag, über Jordanien, also auf dem Landweg, auszureisen und dann von Amman (Jordanien) auf eigene Faust zu versuchen, Flüge von dort zurück nach Deutschland bzw. Europa zu bekommen. Es folgten keine weiteren konkreten Angebote. Diese Option lehnten wir auf Grund des, aus unserer Sicht, hohen Risikos ab.
Der Leiter der israelischen Theatergruppe hatte unverzüglich ein israelisches Reisebüro damit beauftragt, nach Flügen für die Gruppe zu suchen. Durch dieses konnten wir auf Kosten des Vereins am Dienstag, dem 10.10., kurzfristig Flüge am Abend desselben Tages nach Larnaka auf Zypern buchen. So konnten die ersten drei Jugendlichen mit einer betreuenden Person sofort aufbrechen. Nach und nach bekamen wir drei weitere Einzelflüge, so dass bis Mittwochmorgen alle Teilnehmer*innen und Betreuer*innen auf Larnaka eingetroffen waren. Dabei war es bis zuletzt nicht klar, ob wirklich für alle Flüge gebucht werden konnten. Die Ausreise erforderte daher viel Sorgfalt bei der Planung durch den Verein und die Betreuenden vor Ort.
Da Larnaka mittlerweile zum Umschlagsplatz für viele Flüchtende aus Israel geworden war, konnten wir als Verein nur zehn Plätze in einem Hostel buchen. Die jüdische Gemeinde in Larnaka, die wir um Unterstützung ersuchten, konnte selbst keine Unterkünfte anbieten, bot aber einen Zufluchtsort mit Essen, Trinken und freiem WLAN für unsere Gruppe an.
Der für 6.30 Uhr am Mittwoch geplante Weiterflug der gesamten Gruppe nach Prag wurde kurzfristig aus technischen Gründen abgesagt. Die Fluggesellschaft bemühte sich um eine Unterbringung und garantierte einen Flug nach Prag am Sonntag. Ein früherer Termin für die Gesamtgruppe wäre nicht möglich gewesen. Nach Rücksprache mit der Gruppe wurde entschieden, das Angebot so anzunehmen. Die gesamte Gruppe wurde im Anschluss von der Fluggesellschaft in einem Hotel unterbracht, bei Übernahme der Unterbringungskosten sowie der Verpflegung. Die Gruppe konnte schließlich am heutigen Sonntag, den 15. Oktober, nach Prag fliegen und von dort aus mit dem Bus nach Leipzig weiterreisen. Am Abend konnten Freund*innen und Familien die Teilnehmenden wieder in die Arme schließen.
Sämtliche Unkosten wurden bisher vom Theaterverein K getragen. Sämtliche Buchungen wurden vom Verein sowie von unseren israelischen Partner*innen getätigt. Wir danken der Stadt Leipzig für ihre Bemühungen. Wir würden uns freuen, wenn die Stadt Leipzig den Theaterverein K bei der Finanzierung der nun entstandenen Zusatzkosten im fünfstelligen Bereich unterstützen würde. Wir bedanken uns auch für die maßgebende Unterstützung des Kultur- und Begegnungszentrums Ariowitsch-Haus e.V. – Zentrum jüdischer Kultur und der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, ohne die die frühzeitige Rettung unserer Theatergruppe aus dem Kriegsgebiet nicht möglich gewesen wäre.“
Der Theaterverein K
Der Theaterverein K ist ein ehrenamtlich getragener Verein, der hauptsächlich Theaterprojekte und politische Bildungsprojekte für junge Menschen organisiert. Die Israelreise der Jugendgruppe fand im Rahmen eines Theaterprojektes des Vereins statt, welches sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzt. Die Israelreise wurde hauptsächlich von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen finanziert. Das Bildungsprojekt des Theaterverein K wird derzeit von Weltoffenem Sachsen gefördert.
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