Obwohl mittlerweile in fast allen Branchen Fachkräftemangel herrscht, sind die Herausforderungen an Arbeitnehmer/-innen oft sehr hoch. Konkurrenzdruck, Überforderung, Leistungsdruck … all das ist für einen gesunden Menschen schon schwierig genug. Für Menschen mit psychischen Problemen gibt es im Berufsleben dann oft unüberwindbare Hindernisse.

Nicht selten werden Depressionen und Angststörungen als Ausrede abgetan, sich vor der Arbeit zu drücken. Sind solche Krankheiten doch im Gegensatz zu einer Erkältung oder einem Beinbruch weitgehend unsichtbar. So kommt bei vielen noch die Scham dazu, nicht verstanden zu werden oder als „nicht normal“ zu gelten. Nicht wenige geben lieber auf und ziehen sich zurück.

Doch langsam ändert sich etwas in der Gesellschaft, das Bewusstsein für „unsichtbare“ Krankheiten wächst. Vielleicht auch, weil immer mehr Menschen betroffen sind und wahrscheinlich in jeder Familie Fälle vorkommen. Doch am Arbeitsplatz ist dieses Verständnis in der Regel bisher nicht angekommen.

Anders bei Strange Design. Geprägt durch die eigenen Erfahrungen haben sich die beiden Gründer vorgenommen, etwas zu ändern und eine Firma zu gründen, wo genau diese Menschen aufgefangen werden. Das Büro ist bunt und freundlich, es gibt individuelle Arbeitsplätze und auch Rückzugsräume, wenn man zu viel Nähe nicht mehr aushält. Und zusätzlich immer mindestens ein offenes Ohr dafür, wie sich die Mitarbeiter gerade fühlen.

Wir haben den beiden mal ein paar Fragen gestellt.

Beschreibt Euer Aufgabenfeld doch bitte kurz, was bietet Ihr Euren Kund/-innen an?

Wir sind eine Medien- und Werbeagentur mit Inklusionskonzept für psychisch erkrankte Menschen aus Leipzig.

Unsere Agentur hat ein Herz für diejenigen, die zusätzliche Unterstützung benötigen, und wir haben ein inklusives Konzept entwickelt, das speziell auf psychisch erkrankte Menschen ausgerichtet ist. Wir glauben fest daran, dass Inklusion nicht nur ein schönes Wort ist, sondern eine Verantwortung, die jedes Unternehmen tragen sollte. Mit unseren Dienstleistungen können wir Kund/-innen helfen, ihre Marke zu stärken und dabei eine positive soziale Wirkung zu erzielen.

Wir bieten eine umfangreiche Palette an Dienstleistungen, um die individuellen Anforderungen unserer Kund/-innen zu erfüllen. Wir sind spezialisiert auf maßgeschneiderte Lösungen und decken eine Vielzahl von Fachgebieten ab. Unsere Dienstleistungen umfassen alles von barrierefreien und barrierearmen Webseiten bis hin zu dem kompletten Aufbau einer Marke, aber natürlich auch die Gestaltung einer Visitenkarte, Broschüre oder Flyer.

Ihr stellt in Eurer Agentur gezielt Menschen mit psychischen Problemen ein. Wie ist es dazu gekommen, was ist die Idee dahinter?

Strange Designs wurde im Jahr 2021 von uns – Herrn Helms und Herrn Dominte – gegründet. Wir selbst waren/sind von psychischen Erkrankungen betroffen und hatten persönliche Erfahrungen mit den Herausforderungen, die diese Erkrankungen mit sich bringen können. Wir erkannten jedoch auch das Potenzial und die Fähigkeiten vieler psychisch erkrankter Menschen, die oft aufgrund von Stigmatisierung und Vorurteilen mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Motiviert durch unsere eigenen Erfahrungen und den Wunsch, einen positiven Einfluss zu nehmen, entschieden wir, eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Menschen mit psychischen Erkrankungen die Möglichkeit haben, ihr volles Potenzial zu entfalten.

Unser Ziel war es, ein Unternehmen zu gründen, das gleichermaßen professionelle Dienstleistungen im Bereich Medien und Werbung anbietet und gleichzeitig psychisch erkrankten Menschen die Chance gibt, in einem unterstützenden Umfeld zu arbeiten. Mit viel Engagement und Leidenschaft für unser Vorhaben gelang es uns, das Unternehmen aufzubauen und Kund/-innen von unseren Dienstleistungen zu überzeugen. Die Medien- und Werbeagentur gewann an Bekanntheit und Anerkennung sowohl für ihre professionelle Arbeit als auch für ihr inklusives Konzept.

Unsere Mitarbeiter/-innen und wir setzen uns weiterhin mit Leidenschaft dafür ein, unser Inklusionskonzept zu erweitern und das Unternehmen zu einem Ort zu machen, an dem psychisch erkrankte Menschen ihre Fähigkeiten entfalten und erfolgreich arbeiten können. Wir sind stolz darauf, einen positiven Beitrag zur Reduzierung von Stigmatisierung und Vorurteilen zu leisten und gleichzeitig qualitativ hochwertige Dienstleistungen anzubieten.

Um welche Probleme geht es da, was macht es so schwierig, damit auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

Menschen mit psychischen Erkrankungen stoßen bei der Jobsuche und Integration am Arbeitsplatz auf vielfältige Probleme. Stigmatisierung und Vorurteile können Offenheit erschweren, während unsichtbare Symptome wie Angst und Depression die Leistung beeinträchtigen können. Der Druck, beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, verstärkt den Stress. Unflexible Arbeitsumgebungen und mangelnde Anpassungsfähigkeit können Schwierigkeiten für die Bedürfnisse dieser Menschen bedeuten. Niedriges Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen wirken sich auf die Selbstwahrnehmung aus, während der Zugang zur angemessenen Behandlung begrenzt sein kann. Isolation und Unsicherheit über das Teilen der Erkrankung wirken sich auf soziale Interaktionen aus. Rückschläge in der psychischen Gesundheit könnten zu Fehlzeiten oder Arbeitsplatzverlust führen. Eine integrative Arbeitsumgebung erfordert Sensibilisierung, Unterstützung, flexible Strukturen und offene Kommunikation.

Wie wirken sich diese Probleme im Arbeitsalltag aus, und wie könnt Ihr dabei helfen?

Psychische Erkrankungen können sich vielfältig auf den Arbeitsalltag auswirken, beeinflussen die kognitive Leistungsfähigkeit, Emotionsregulation und Interaktionen. Menschen mit Depressionen kämpfen oft mit Motivation und Aufgabenbewältigung, während Angststörungen die Konzentration mindern und Stress erhöhen können. Bipolare Störungen führen zu Stimmungsschwankungen, posttraumatische Belastungsstörungen zu Flashbacks.

Billy und Agenturhund Rio. Foto: Strange Design
Billy und Agenturhund Rio. Foto: Strange Design

Am Arbeitsplatz können solche Herausforderungen zu Schwierigkeiten in der Teamarbeit und Bewältigungsproblemen führen. Soziale Interaktionen sind anstrengend, Rückzug und Kommunikationsschwierigkeiten sind möglich.

Arbeitgeber/-innen können Unterstützung bieten, indem sie Bewusstsein z. B. durch Schulungen schaffen, flexible Arbeitsbedingungen ermöglichen und offene Kommunikation fördern. Anpassungen des Arbeitsplatzes und die Schaffung eines unterstützenden Umfelds tragen zur Verbesserung bei. Informationen über Ressourcen und Rückkehrgespräche nach Abwesenheit wegen psychischer Gesundheit sind hilfreich, um die Integration zu erleichtern. Durch diese Maßnahmen können Arbeitgeber/-innen dazu beitragen, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, das die psychische Gesundheit der Mitarbeiter respektiert und unterstützt.

Hattet Ihr auch schon Fälle, wo z. B. einzelne Krankheitsbilder nicht zusammengepasst haben?

Ja. In unserer Agentur legen wir großen Wert darauf, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen unserer Mitarbeiter/-innen im Bereich der psychischen Gesundheit respektiert und unterstützt. Wir verstehen, dass verschiedene psychische Krankheitsbilder nicht immer nahtlos miteinander harmonieren und dass es wichtig ist, auf die persönlichen Triggerpunkte unserer Mitarbeiter/-innen einzugehen.

Es ist uns bewusst, dass bestimmte psychische Gesundheitszustände unterschiedliche Reaktionen und Bedürfnisse hervorrufen können. Zum Beispiel können sich die Symptome einer Person mit sozialer Angststörung von denen einer Person mit bipolarer Störung erheblich unterscheiden. Dies bedeutet aber nicht, dass wir dieses Krankheitsbild ausschließen. Die Auswirkungen dieser Erkrankungen auf den Arbeitsalltag können variieren, und es ist wichtig, dies zu erkennen, um angemessene Unterstützung bieten zu können.

Unsere Herangehensweise beruht auf offener Kommunikation und einem tieferen Verständnis für die individuellen Erfahrungen unserer Mitarbeiter/-innen. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter/-innen, ihre Bedürfnisse und Grenzen in Bezug auf ihre psychische Gesundheit mit uns zu teilen. Dies ermöglicht es uns, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Arbeitsumgebung so anzupassen, dass sie für sie geeignet ist.

In vielen Fällen sind unsere Mitarbeiter/-innen gut informiert über die spezifischen Triggerpunkte, die ihre psychischen Krankheitsbilder auslösen könnten. Dieses Bewusstsein hilft uns dabei, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um potenzielle Auslöser zu minimieren. Wir bieten individuelle Anpassungen an Arbeitsabläufen, Arbeitszeitmodellen oder Arbeitsumgebungen an, um sicherzustellen, dass sich unsere Mitarbeiter/-innen in ihrem beruflichen Umfeld wohl und unterstützt fühlen.

Unsere starke Kommunikationskultur ermöglicht es uns, Vertrauen aufzubauen und einen Raum zu schaffen, in dem unsere Mitarbeiter/-innen ihre Bedenken frei äußern können. Wir nehmen jede Rückmeldung ernst und sind bestrebt, gemeinsam Lösungen zu finden, die das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter/-innen fördern.

Wie sind denn die Erfolgsquoten bei Euch, konntet Ihr bisher alle Mitarbeiter/-innen integrieren oder musstet Ihr auch schon mal jemanden aufgeben?

Bislang, wurden alle Mitarbeiter/-innen und Praktikantin/-innen erfolgreich ins Team integriert.

Ihr tragt damit auch dazu bei, Menschen in einen Job zu bringen, die sonst wahrscheinlich arbeitslos wären. Bekommt Ihr dafür Unterstützung von den Ämtern?

Arbeitsplätze für psychisch erkrankte Menschen können staatlich gefördert werden, um eine inklusive und unterstützende Arbeitsumgebung zu schaffen. Ein Ansatz ist die Schaffung von speziellen Wiedereingliederungsstellen oder die Implementierung von Maßnahmen, die die Integration und Unterstützung fördern. Für eine umfangreiche Beratung, können Arbeitgeber/-innen sich z. B. an die Agentur für Arbeit wenden oder mit Bildungseinrichtungen kooperieren, die beispielsweise inklusive Ausbildungsplätze anbietet.

Was würdet Ihr Euch wünschen für die Zukunft, was müsste sich ändern, damit Menschen mit psychischen Problemen bessere Zukunftschancen bekommen?

Cover Leipziger Zeitung Nr. 116, VÖ 31.08.2023. Foto LZ

Damit Menschen mit psychischen Problemen bessere Zukunftschancen erhalten, sind vielschichtige Veränderungen erforderlich. Eine wesentliche Komponente ist die Entstigmatisierung psychischer Gesundheit, um offene Diskussionen zu fördern. Zugänglichkeit zu qualitativ hochwertiger psychischer Gesundheitsversorgung muss sichergestellt und Früherkennungsprogramme müssen etabliert werden. Flexibilität in Arbeitsumgebungen, um individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, sowie Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz sind entscheidend.

Das Bildungssystem sollte inklusiver gestaltet sein und Schüler/-innen/Studierenden mit psychischen Problemen unterstützende Strukturen bieten. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen erweitert und durchgesetzt werden, um Diskriminierung zu verhindern. Zugleich sollten Individuen ermutigt werden, Verantwortung für ihre psychische Gesundheit zu übernehmen.

Die Schaffung unterstützender Gemeinschaften, die Isolation verhindern, ist ebenso wichtig wie Investitionen in Forschung und Innovation für effektive Interventionsmethoden. Letztlich erfordert es eine breite gesellschaftliche Kooperation – von Regierungen und Institutionen bis hin zu Arbeitgeber/-innen, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft insgesamt –, um eine inklusive Umgebung zu schaffen, in der Menschen mit psychischen Problemen gleichberechtigt prosperieren können.

Was wir uns wünschen?

Die Möglichkeit zu sagen: „Es geht mir nicht gut“ und dabei ernst genommen zu werden. Wir wünschen uns mehr Aufklärung, lautere Stimmen, mehr Kommunikation und ein soziales, wertfreies und respektvolles Miteinander.

Weitere Informationen/Kontakt:
https://strangedesigns.de

„Arbeit und Psyche: Inklusion als Firmenmaxime – die Gründer von Strange im Interview“ erschien erstmals in der August-Ausgabe, ePaper LZ 116, der LEIPZIGER ZEITUNG.

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