โJeder, der keine Wohnung hat und eine mรถchte, sollte auch eine bekommen.โ So einfach formulierte es Stefan Schneider von der Wohnungslosen_Stiftung, einer Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Der 11. September ist der Tag der Wohnungslosen. Bundesweit gab es Aktionen in รผber 40 Stรคdten. In Leipzig stellten sich in einer rege besuchten โHilfestraรeโ Trรคger mit Angeboten fรผr wohnungslose Menschen vor und es wurde gemeinsam gegessen an der โUtopischen Tafelโ.
Um 17 Uhr fand ein Friedensgebet fรผr wohnungslose Menschen in der Nikolaikirche statt. Organisiert wurde der Tag von der AG Recht auf Wohnen (RaW).
Ziel des Tages ist es, auf die komplizierten Situationen wohnungsloser Menschen aufmerksam zu machen und Maรnahmen zur Notwendigkeit der Bekรคmpfung von Wohnungslosigkeit zu fordern. So meinte Schneider in seiner Rede, die Symbolpolitik mรผsse aufhรถren und man mรผsse vor allem auf Bundesebene endlich wirksame Maรnahmen ergreifen. Schneider betonte, dass durch die Klimakrise deutlich mehr Menschen nach Deutschland kommen wรผrden. Fรผr alle mรผsse es bezahlbaren Wohnraum geben.
Auch im Moment sind fast ein Drittel der untergebrachten Wohnungslosen Geflรผchtete aus der Ukraine, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen.
โOhne Wohnung fehlt der persรถnliche Schutzraum, die Basis fรผr die Organisation des gesamten Alltagsโ, so auch Becky Wehle von der Projektleitung der Mobilen Jugendarbeit MachtLos e. V. und Mitglied der AG RaW. โTrotz der stรคndigen Schaffung von neuem Wohnraum nimmt Wohnungslosigkeit in Leipzig zu und trifft auch junge Menschen immer รถfter. Damit verringern sich auch ihre Chancen auf ein gutes Leben spรคter.โ
Angebote fรผr junge Menschen mรผssen ausgebaut werden
So fordert MachtLos e. V. eine spezielle Notschlafstelle fรผr junge Erwachsene zusรคtzlich zu den Notschlafstellen fรผr Frauen und Mรคnner ab 18 Jahren. Bisher gibt es fรผr Minderjรคhrige nur den Kinder- und Jugendnotdienst. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sind 26 Prozent der Wohnungslosen unter 25 Jahre alt und 12 Prozent sogar unter 21 Jahre. Um solche Angebote vorzuhalten, sei bezahlbarer Wohnraum notwendig.
Katharina Krefft, Grรผnen-Co-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und Mitglied der AG RaW, will die Notfallhilfe fรผr wohnungslose Jugendliche und das Leipziger Jugendwohnen vom Jugendhaus Leipzig e. V. ausbauen.
โMit der รnderung der ยง 41 SGB VIII sind seit Juni 2022 Hilfen auch jungen Volljรคhrigen zu gewรคhren. Damit junge Menschen besser oder tatsรคchlich รผberhaupt erreicht werden, wollen wir im Stadtrat ergรคnzend zu dem Careleaver-Programm die Jugendwohnungs-Notfallhilfe auf- und das Leipziger Jugendwohnen ausbauenโ, so Krefft.
Vielfรคltige Hilfelandschaft in Leipzig
Viele Organisationen waren am Aktionstag vertreten. So zum Beispiel die Safe-Straรensozialarbeit Leipzig, die Bahnhofsmission, das Diakonische Werk, Timmi ToHelp e. V., ein Verein, der Sachspenden und Unterstรผtzung fรผr wohnungslose Menschen organisiert. Ebenfalls vor Ort: der Clearing und Anonymer Behandlungsschein Leipzig (CABL) e. V., die medizinische Beratung und anonyme Behandlungsscheine anbieten.
Die Hilfelandschaft in Leipzig ist divers, jedoch noch nicht ausreichend. Es gibt bereits getrennte Notschlafstellen fรผr Frauen und Mรคnner ab 18 Jahren, sowie Jugendwohnungs-Notfallhilfe und Unterbringungen fรผr queere, lesbische, schwule oder trans* Personen, Angebote in den verschiedenen Stadtteilen oder fรผr drogenabhรคngige Menschen. Die Mitglieder der AG RaW betonen immer wieder, dass die Angebote ausgebaut werden mรผssten. Auรerdem sei das Vorhalten von bezahlbarem Wohnraum und das Vermitteln des Wohnraums essenziell.
Das Modellprojekt โEigene Wohnungโ zur Erprobung des Housing-First-Ansatzes in Leipzig wurde im Juli 2021 gestartet und hatte, Stand Januar 2023, bereits 25 Menschen eine Wohnung bereitgestellt.
Der Tag der Wohnungslosen ist ein bundesweiter Aktionstag. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) hat mehr als 40 Veranstaltungen, wie diese in Leipzig, Podiumsdiskussionen, sogenannte Sleep-Outs und weitere Projekte registriert.
Jahresbericht der BAG W: Keine grundsรคtzlichen Verbesserungen
Die BAG W verรถffentlichte anlรคsslich des 11. September ihren Jahresbericht zur Lebenslage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen. Dort werden die Daten von 37.000 Klient*innen aus 209 freiverbandlichen Diensten und Einrichtungen aus dem Berichtsjahr 2021 analysiert. Laut dem Bericht lassen sich keine Verbesserungen der allgemeinen Situation von Wohnungslosen erkennen.
โZu wenig bezahlbarer Wohnraum bleibt weiterhin das grรถรte Problem, auch fรผr die Hilfeangebote, die die Klient/-innen nicht in Wohnraum vermitteln kรถnnenโ, so Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. โDie groรe Gefahr besteht in der Verstetigung der Wohnungslosigkeit. Es muss erneut betont werden, dass jetzt dringend gehandelt werden muss, damit nicht noch mehr Menschen in prekรคre Lebenslagen geraten, aus denen sie mitunter nur schwer wieder rausfinden kรถnnen.โ
Knapp 70 Prozent der akut wohnungslosen Menschen bleiben vorรผbergehen bei Freunden, Bekannten oder ihrer Herkunftsfamilie, gehen prekรคre Mietwohnverhรคltnisse ein oder leben ganz auf der Straรe. Sie werden in der Statistik des Bundes der institutionell untergebrachten Menschen nicht inkludiert. Frauen nehmen der Statistik nach frรผhzeitiger Hilfe in Anspruch als Mรคnner.
So habe sich der in den letzten Jahren steigende Trend von Klienten mit nicht-deutscher Staatsangehรถrigkeit auf 30 Prozent stabilisiert. Dieser Wert liegt deutlich unter den Zahlen nicht-deutscher Klient/-innen in der Statistik des Statistischen Bundesamtes. Diese registrierte zum Stichtag des 31. Januar 2023 80 Prozent nicht-deutscher Staatsangehรถriger. Insgesamt erfasste die Statistik 372 000 wohnungslose Personen, davon 130 000 Geflรผchtete aus der Ukraine.
Eine รbersicht der Angebote in Leipzig findet sich auf der stรคdtischen Internetseite.
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