Klebrige Eisfinger recken sich ihm entgegen, genauso wie blutige Nasen kleiner Crash-Piloten. Ob Becher und Trinkflaschen in den buntesten Farben, nach Erfrischung lechzende Gesichter, ob Vogelschnäbel oder Hundeschnauzen – der „Wiener Brunnen“ in der Petersstraße ist ein überaus begehrter Anlaufpunkt für alle, die gerade etwas frisches, kühles Nass benötigen. Und er ist etwas Besonderes, in vielerlei Hinsicht.
Im Zuge der Umweltfachmesse Terra Tec hatte Leipzig den Brunnen als Geschenk von der Stadt Wien erhalten. Entworfen wurde er vom Ende letzten Jahres verstorbenen Bildhauer Hans Muhr, dessen Trinkbrunnen-Modell vor allem zahlreich im Stadtbild von Wien vertreten ist.
Etwa 1,50 Meter ist die Säule hoch, deren Korpus aus Marmor und die Wasserbecken aus gegossener Bronze bestehen. Am Fuße des Brunnens befindet sich eine Wasserschale für Hunde und andere „bodennahe“ Tiere, mittig ist ein großes Becken für die Nutzung durch den Menschen angebracht und obenauf gibt es eine Wasserstelle für Vögel.
Leipzig hatte das Brunnen-Geschenk zunächst für lange Zeit an der Hainspitze aufgestellt. Dann musste es dem Bau des Primark-Kaufhauses weichen und verschwand erstmal aus der Öffentlichkeit. Als dann das Leipziger Jugendparlament im Jahr 2016 die Aufstellung von Trinkwasserbrunnen wieder zum Thema machte, fand das auch die Unterstützung der Linksfraktion, die in diesem Zuge die Wiederaufstellung des „Wiener Brunnens“ forderte.
Die Bemühungen waren erfolgreich. So nahmen die Leipziger Wasserwerke und die Stadt Leipzig die Brunnen-Schönheit im Sommer 2017 an ihrem neuen Standort in der Flaniermeile Petersstraße wieder in Betrieb.
Initialzündung für Trinkbrunnen-Boom
Es war eine Initialzündung. Denn in den folgenden knapp sechs Jahren sind im Stadtgebiet bis heute weitere 14 öffentliche Trinkbrunnen in Betrieb genommen worden – und es kommen jedes Jahr zwei bis drei neue hinzu.
Alleine 2023 sind mit den Standorten Mariannenpark in Schönefeld, dem Nordstrand des Cospudener Sees und dem Gohliser Anger gleich drei neue Sprudelsäulen feierlich eingeweiht worden. Und die nächsten beiden Exemplare stehen schon in der Warteschleife. Sie werden an der Skatehalle „Heizhaus“ in Grünau und an der Kreuzkirche am Neustädter Markt errichtet.
Nach inzwischen schöner Tradition werden die künftigen Trinkbrunnen-Standorte durch ein öffentliches Voting ermittelt. In Abstimmung mit der Stadt Leipzig schlagen die Wasserwerke einige mögliche Stellplätze vor, zu denen dann über deren Homepage abgestimmt werden kann.
So setzten sich die aktuellsten Gewinner gegen die Optionen Alte Straße / Ecke Weißenfelser Straße, Auensee / Gustav-Esche-Straße, Leutzsch-Arkaden / Georg-Schwarz-Straße und Marktplatz am Lindenthaler Rathaus durch. Über 20.000 Stimmen wurden diesmal insgesamt abgegeben.
Bei der Vorauswahl potenzieller Standorte ist auf einige Voraussetzungen zu achten. Der naheliegendste Punkt ist dabei verständlicherweise, dass die Möglichkeit bestehen muss, den Brunnen überhaupt an die Wasserleitung anzuschließen. Außerdem muss klar sein, was mit dem ausfließenden, nicht verbrauchten Wasser geschieht. Dafür gibt es zwei Varianten.
Meist läuft dieses Wasser durch einen Abfluss ins Abwassersystem und gelangt schließlich über das Klärwerk zurück in den Wasserkreislauf. Bei der zweiten Variante versickert das Restwasser direkt vor Ort, wodurch es wieder ins Grundwasser gelangt und auch den Pflanzen im Umfeld Gutes tut.
Darüber hinaus wird Wert darauf gelegt, dass die Wasserspender für alle Durstigen leicht und möglichst barrierefrei zugänglich sind. Und schließlich muss das ganze Ensemble aus Sicht von Stadtgestaltung und Denkmalschutz einfach auch in die Umgebung passen.
Die Trinkbrunnen-Modelle
Dass die Schenkung aus Wien unter den in Leipzig verwendeten Trinkbrunnen-Modellen einen besonderen Einzelstück-Charakter hat, wurde bereits erwähnt. Doch auch Grünau kann mit einem einzigartigen Modell aufwarten.
Bereits seit 1985 steht dort in der Alten Salzstraße, kurz hinter der Grünauer Allee, der Fischbrunnen. In ein Naturstein-Arrangement mit einem Durchmesser von 3,60 Meter wurde hier auch der rund einen Meter hohe namensgebende Bronze-Fisch integriert. Ihm gegenüber liegt die Trinkquelle, die nach langen Jahren der Trockenheit seit 2020 endlich wieder sprudelt.
Dafür gibt es aber festgelegte Betriebszeiten. Täglich fließt das Trinkwasser von 10 bis 12, 14–16 und 18–20 Uhr. Wie beim Wiener Brunnen, der allerdings rund um die Uhr Wasser lässt, ist auch beim Fischbrunnen kein Knopf oder Schalter zur Inbetriebnahme nötig.
Die von den Wasserwerken in den vergangenen Jahren neu in Umlauf gebrachten Trinkbrunnen-Modelle bedienen sich hingegen eines modernen, minimalistischen Designs. Am häufigsten, nämlich sechsmal (inzwischen sogar siebenmal/ Anm. d. Red.), kommt aktuell die schlichte Rundsäule zum Einsatz.
Mit vier Standorten folgt das segelförmige Modell. Beide sind aus Edelstahl gefertigt, tragen die deutlich erkennbare Aufschrift „Wasserspender“ und lassen sich per Knopfdruck für einige Sekunden aktivieren. Letzteres trifft auch auf die rechteckige Bauvariante zu, die allerdings aus Granit besteht und bisher dreimal in Leipzig verbaut wurde.
Im Schnitt 20.000 Euro sind nach Angaben der Wasserwerke erforderlich, um einen neuen Trinkbrunnen anzufertigen und in Betrieb zu nehmen. Doch die Anschaffung lohnt sich, denn die Wasseroasen kommen bei der Bevölkerung sehr gut an, „vor allem an den Standorten, wo für die Trinkbrunnen echte Patenschaften, z. B. durch Ortsvereine oder die Kommunen entstanden sind“, wie die Wasserwerke auf LZ-Anfrage erklären.
Auf die Frage, ob das Szenario denkbar sei, dass bei einer möglichen starken Dürre und Wasserknappheit einzelne oder alle der Trinkbrunnen abgestellt werden könnten, gab es ein klares Nein zur Antwort. Denn: „Wir wollen ja gerade das Gegenteil erreichen: Nämlich, dass die Bürger in Hitzeperioden eine Möglichkeit zur Wasseraufnahme im öffentlichen Raum haben.“
Getrunken werden kann das kostenfrei sprudelnde Wasser übrigens ohne Bedenken. Die Wasserqualität wird während der Betriebszeit zwischen April und Oktober alle zwei bis vier Wochen kontrolliert.
Zum Abschluss noch eine kleine Warnung: Es kann durchaus vorkommen, dass der Trinkbrunnen plötzlich ganz unvermittelt lossprudelt, auch wenn der Knopf noch gar nicht betätigt wurde. Wer dadurch eine unfreiwillige kalte Dusche nimmt, war jedenfalls live dabei, wenn der Brunnen eines seiner regelmäßigen Reinigungsintervalle gestartet hat.
Übersicht der öffentlichen Trinkbrunnen in Leipzig
Modell „Rundsäule“:
– Kurt-Masur-Platz, neben Gewandhaus (2018)
– Katharinenstraße 8 (2019)
– Arthur-Bretschneider-Park, Gottschallstraße (2020)
– Lene-Voigt-Park, Höhe Sigismundstraße (2020)
– Völkerschlachtdenkmal / An der Tabaksmühle (2022)
– Mariannenpark, Schönefelder Allee (2023)
– Skatehalle „Heizhaus“, Grünau (2023)
Modell „Segelform“:
– Lindenauer Markt, Nähe Einmündung Marktstraße (2019)
– Paunsdorf, Hainbuchenstraße / Spielplatz (2021)
– Gohliser Anger, Menckestraße (2023)
– Cospudener See, Nordstrand (2023)
Modell „Granit“:
– Kantatenweg / Windorfer Straße (2018)
– Karl-Heine-Platz, Eingang Karl-Heine-Straße (2020)
– Park Möckern, Dantestraße (2022)
Sondermodelle:
– Wiener Brunnen, Petersstraße (1999/ 2017)
– Fischbrunnen, Alte Salzstraße / Grünauer Allee (1985/2020)
Standort in Planung:
– Neustädter Markt/Kreuzkirche (2023)
Standorte im Umland:
– Taucha: Markt
– Zwenkau: Markt
– Markranstädt: Eingang Strandbad
– Markkleeberg: Rathausstraße/Südstraße
„Historische Leipziger Handschwengelpumpen: Von Delphinen, Löwen und anderen Vögeln“ erschien erstmals im am 31. Mai 2023 fertiggestellten ePaper LZ 113 der LEIPZIGER ZEITUNG.
Sie wollen zukünftig einmal im Monat unser neues ePaper erhalten? Hier können Sie es buchen.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Keine Kommentare bisher