Manchmal kann man auch Artikel aus anderen Zeitungen empfehlen, weil sie Dinge benennen, die eigentlich auf der Hand liegen – aber wie im Fall der Asylpolitik immer wieder negiert wurden, weil die Verantwortlichen von völlig falschen Vorstellungen ausgehen. Meist auch noch getrieben von einem menschenverachtenden Gelärme aus rechten Netzwerken, das asylsuchende Menschen völlig entpersonalisiert.
Den Artikel, den wir hier empfehlen, veröffentlichte die „Zeit“ unter dem Titel „Zeit für Visionen ohne Paranoia“. Denn wenn es um Flüchtlingspolitik geht, herrscht Paranoia im Land. Und es liegt eine völlig verzerrte Sicht auf Flüchtlinge zugrunde, die Menschen behandelt wie Objekte, die man einfach hin- und herschieben kann, indem man einfach Grenzen durchlässiger macht oder schließt. Als wären es Schafe. Und als gäbe es die eigentlichen Fluchtursachen gar nicht, die Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen.
Indem jetzt Abkommen mit den Regierungen von sogenannten Drittländern geschlossen werden, die zurückgeschickten Asylbewerber aufzunehmen oder die Geflüchteten gleich aufzuhalten, wird die Sache völlig pervers und der Wolf zum Schafhirten gemacht.
„Aber auch sie können nicht umhin anzuerkennen, dass die sogenannten Partner zwar gerne das europäische Geld nehmen, aber dann wenig Skrupel haben, sich der Migrant/-innen, die als Arbeitskräfte dort weit weniger gebraucht werden im überalterten und schrumpfenden Europa, durch Verdursten- oder Ertrinkenlassen, Hunger, Folter und Tod zu entledigen, nicht ohne vorher kräftig am Schmugglergeschäft mitzuverdienen“, bringt Marion Detjen in ihrem Artikel die Perfidie dieser Verträge auf den Punkt.
Ein Migrationssystem als Sortiermaschine
Sie kann sich in ihrem Beitrag auf die Arbeiten anerkannter Migrationsforscher/-innen berufen, die mit dem, was die EU mit ihrem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (CEAS) praktiziert, schon lange nicht mehr konform gehen. Denn die Denkweise dahinter ist falsch, versucht das Problem einfach durch Grenzen zu lösen und die Menschen auf der Flucht wie ungebetene Gäste zu behandeln, die eigentlich gleich wieder gehen sollen.
Dass sie nicht grundlos ihre Heimat verlassen haben, spielt dabei keine Rolle.
Und es spielt doch eine Rolle. Denn damit wird auch den Bewohnern der sogenannten Gastländer klar, wie mit Menschen umgesprungen werden darf, die den falschen Pass haben und eigentlich um Hilfe bitten.
„Nach einem Vierteljahrhundert des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems werden seine Folgen immer deutlicher sichtbar: Ein Migrationsregime, das als ‚Sortiermaschine‘ funktionieren soll, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, führt tatsächlich überall, diesseits und jenseits der Grenzen, zu enormer Destabilisierung, zur Aushöhlung und Zerstörung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, fasst es Detjen zusammen.
„In den Herkunfts- und Drittstaaten macht es den Bock zum Gärtner, fördert verbrecherische und korrupte Machthaber, die Europa erpressen, und nährt Widerstand, der sich in antiwestlichen Militärputschs, islamistischen Revolutionen und der Hinwendung zu China und Russland entlädt. In Europa greifen die gewaltsamen Grenzen nach innen aus, wie Frank Wolff und Volker Heins in ihrem Buch ‚Hinter Mauern‘ gezeigt haben: Die Menschen gewöhnen sich an die Rechtsverletzungen und die Gewalt, sie stumpfen moralisch, intellektuell und politisch ab. Die Gesellschaften spalten sich, die Politik macht sich erpressbar gegenüber der populistischen Rechten. Das, was eigentlich geschützt werden soll, Wohlstand und Frieden, wird von den Grenzen her gefährdet und beschädigt.“
Ein deutlicher und beängstigender Befund.
Der am Ende auch verdeutlicht, wie die seit 30 Jahren immer mehr verschärfte Asylpolitik (und damit die Aushöhlung des Asylrechts) letztlich nur einer Gruppe in die Hände spielt: den Rechtsradikalen in unserer Gesellschaft, die sich durch diesen Umgang mit asylsuchenden Menschen bestätigt sehen.
Die Frames der Rechtsradikalen
Denn jede Meldung zum Thema zeigt den Mediennutzern ja, wie leicht es demokratisch gewählten Regierungen fällt, den innigsten Wünschen der Rechtsradikalen und Ausländerhasser nachzukommen.
Und das auch noch mit deren Framings, sodass sich auch die in den Köpfen der Bürger festsetzen. Framings, die suggerieren, dass Menschen nicht gleich sind, und dass es in Europa keinen Platz für Hilfesuchende gibt. Obwohl keine einzige europäische Nation mehr funktionieren würde ohne jährliche Zuwanderung von Menschen.
Das heißt: Die ganze verschwendete Energie, das ganze Geld, das europäische Regierungen darauf verwenden, Menschen ohne Sinn und Verstand in die Wüste abzuschieben, wäre viel sinnvoller und vor allem menschlicher eingesetzt, wenn man die asylsuchenden Menschen damit ausbilden und baldmöglichst integrieren würde.
Und dazu kommt: Die flächenmäßige Verteilung für Asylsuchende, die die Bundesregierung mit dem Königsteiner Schlüssel vornimmt, ist ebenso falsch. Die Menschen müssten so verteilt werden, dass sie dorthin kommen, wo der Arbeitsmarkt am aufnahmefähigsten ist.
Türen öffnen zum Arbeitsmarkt
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) brachte es in Auswertung einer Studie jetzt so zum Ausdruck:
„Geflüchtete mit einer Wohnsitzauflage können umziehen, wenn sie einen Job in einer anderen Region gefunden haben. Ein Umzug in eine Region mit besseren Erwerbsaussichten ohne Jobzusage ist nicht vorgesehen. Diese Bindung an den zugewiesenen Arbeitsmarkt schränkt die Beschäftigungschancen für Geflüchtete ein. Aufgrund regionaler Unterschiede im Arbeitsmarkt können sich die Erwerbschancen darüber hinaus deutlich zwischen den Regionen unterscheiden.
So konnte für Schweden gezeigt werden, dass Geflüchtete auch Jahre nachdem sie Regionen mit weniger Arbeitskräftenachfrage zugewiesen worden waren, geringere Erwerbschancen haben und auch Analysen für die seit 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainer/-innen zeigen, dass eine regionale Verteilung nach Aufnahmefähigkeit der regionalen Arbeitsmärkte, die Erwerbschancen deutlich erhöhen würde.“
Es ist eigentlich derselbe Effekt, der auch deutsche Arbeitsuchende umziehen lässt – nämlich in die Metropolen, wo es genug Arbeitsangebote und möglichst auch solche in der eigenen Qualifikation gibt.
Wenn man das anerkennt, hört man auch auf, Menschen wie Schafe zu behandeln, sondern ihnen den freien Willen und die Fähigkeit zur Organisation des eigenen Lebens zuzugestehen.
Denn auch Menschen, die aus den Krisenregionen der Welt nach Europa geflüchtet sind, wollen arbeiten, wollen sich eine eigene Existenz aufbauen und vollwertiger Bürger des Gastlandes werden. Erst recht dann, wenn an eine Rückkehr in die Heimat nicht zu denken ist, weil dort Bürgerkriege herrschen oder Diktatoren das Leben unmöglich machen.
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