Man traut seinen Augen und Ohren nicht. Zum Schuljahresende wartet das sächsische Kultusministerium mit einem Erlass auf, mit dem das Gendern untersagt wird: „In der eigenen schriftlichen Kommunikation von Schulen und Schulaufsichtsbehörden ist stets dem amtlichen Regelwerk für deutsche Rechtschreibung zu folgen.“ Und: „Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern“ werden abgelehnt. Doch das ist noch nicht alles.

Die Dienstanweisung gilt nicht nur für das Ministerium, das Landesamt für Schule und Bildung und alle Schulen, sondern auch für Projekt- und andere Vertragspartner wie Universitäten und NGOs. Dienstleister und Honorarkräfte müssen sich dazu verpflichten, „im Rahmen des Vertragsabschlusses oder der Vereinbarung sicherzustellen, dass bei jeglichen Äußerungen/Erklärungen die Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beachtet werden.“

Nun ist es sicher richtig, dass es im Bildungsbereich derzeit wichtigere Probleme gibt als das Gendern – wie der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Burkhard Naumann meint. Ich selbst zähle mich zu denen, für die das Gendern ein Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit ist. Darum benutze ich in meinen Texten den Doppelpunkt und gendere bei Predigten und Vorträgen, ohne das zum Thema zu machen.

Ich käme auch nicht auf die Idee, jetzt eine Kampagne zu starten, die das Gendern verpflichtend machen soll. Das möge bitte jede:r so halten, wie er:sie es für richtig erachtet. Darum habe ich auch kein Problem damit, bei Veröffentlichung eigener Texte dem Wunsch des Herausgebers zu folgen, auf das Gendern zu verzichten. Nur eines ist doch sehr auffällig: Derzeit treten die am lautesten gegen das Gendern auf, die in den vergangenen Jahrzehnten keinen Finger gekrümmt haben für mehr Gleichberechtigung, die nie ein Problem darin gesehen haben, nur Männer anzusprechen.

Mir kommt es so vor, als wollten sich da einige mit dem Feldzug gegen das Gendern „rächen“ für zu viel Gleichberechtigung.

Darum muss die Frage erlaubt sein: Wieso tut sich das sächsische Kultusministerium gerade jetzt mit diesem Genderverbots-Erlass hervor? Eine Antwort zu finden, ist relativ einfach: Man bedient mit dem Erlass sehr bewusst und gezielt ein AfD-Narrativ und ist sich für den ideologischen Bückling nicht zu schade. Für die Rechtsnationalisten ist das Gendern schon lange zu einer ideologischen Angelegenheit geworden – nicht wegen der Sternchen, Bindestriche oder Doppelpunkte. Nein, Gendern ist für eine potenziell faschistische Macho-Partei eine Bedrohung, Gleichberechtigung ein Fremdwort.

Auf diesen Zug springen nun Kultusminister Christian Piwarz (CDU) und seine Mannen auf. Mehr noch – und das ist der Skandal: In der Folge dieses Erlasses werden jetzt schon Lehrer:innen in Sachsen gemaßregelt, versetzt und aus der Lehrer:innenausbildung abgezogen, die in ihrem Verantwortungsbereich gendern. Und so ganz zufällig handelt sich dabei um solche Pädagog:innen, die sich couragiert den rechtsnationalistischen Umtrieben in den Schulen in den Weg stellen, Hakenkreuzkritzeleien ebenso wenig durchgehen lassen wie antisemitische Äußerungen – und dabei oft genug von Schulleitungen und Vorgesetzten im Stich gelassen werden.

Spätestens an dieser Stelle wird aus dem scheinbar nicht so wichtigen Problem ein sehr großes, ein Skandal. Er zeigt, in welch gefährlicher gesellschaftspolitischen Lage wir uns inzwischen im Freistaat Sachsen befinden. Es sind nicht nur diejenigen, die der AfD programmatisch folgen, die die Axt an die offene, demokratische Gesellschaft anlegen. Es sind auch ein Christian Piwarz und sein Gefolge in den Schulbehörden, die das schmutzige Geschäft der Rechtsnationalisten befördern.

Eigentlich muss ein Aufschrei durch die Schullandschaft gehen. Eigentlich dürfen die in Sachsen mitregierenden Sozialdemokraten und Grünen einschließlich der Gewerkschaften das einem Christian Piwarz nicht durchgehen lassen. Eigentlich müsste ein Minister, der sich auf dieser AfD-Schleimspur bewegt, zu Fall kommen. Eigentlich … aber wir sind leider in einer Lage, in der Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen aus der Demokratie herausgebrochen wird – und jedes Mal findet sich jemand, der sich und anderen die Lage schönredet: Es gibt doch wichtigere Probleme …

Christian Wolff, geboren 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er engagiert sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/

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Es gibt 13 Kommentare

Hallo Matthias,
“Beamte und Angestellte des Kultus werden kreative Wege finden, den Erlass zu umgehen.”
Angenommen es wäre anders herum festgelegt worden. Oder angenommen, jemand arbeitet in einem Betrieb, in dem Gendern oder feschlechtergerechte Sprache angeordnet ist: würden sie Leuten auch die umgekehrte Freiheit zubilligen, wenn sie gegen Gendern sind?
Ihr Satz, den ich Ihnen zitiert habe, wäre dann genau so, nur im Sinne anders rum.

@thomas_2
Als mir das Gendern vor ca. 20 Jahren das erste Mal begegnete, war es ein Nischenthema. Es gab in Dtl. nahezu keine gegenderte Publikation, gesprochen wurde es wahrscheinlich sogar noch weniger.
Wenn heute 50% das Gendern ablehnen, dann ist das ein riesiger gesellschaftlicher Sprung. Denn es bedeutet, dass Gendern gesamtgesellschaftlich angekommen ist und sich auch durchsetzen wird. Das hätte ich vor 10 Jahren noch nicht erwartet, dass es mal eine so breite gesamtgesellschaftliche Zustimmung und auch Anwendung geben könnte.

Ihre letzten drei Sätze würde ich direkt unterschreiben.
Wobei ich betonen möchte, dass “nicht gendern wollen” und “Hass” wirklich große Welten liegen. Es geht einfach nur um den Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz. Nicht um ein vermeintliches Verbot von geschlechtlichen Besonderheiten in über Gesellschaft oder ihre Kriminalisierung.

So viele Worte, Sebastian, um Nein! zu sagen.
Es betrifft nur Andere, also Scheiß drauf? Engagierte Menschen müssen verhöhnt werden? Cliquen und Mobbing sind normal? Gewisse Schichten, wie herrlich abwertend; vielleicht Clans?
Ihre Welt ist nicht die meine!
Wo leben Sie; das ist ja ganz furchtbar?
Übrigens verkauft die AfD den Erlass als ihren Erfolg. Zurecht!
Hass und Eigenliebe, das sind nicht unsere Werte.

Hallo Matthias,
Das mit der Perspektive ist so eine Sache. Man ist auch als Element einer “marginalisierten Gruppe” (Sie meinten jetzt nicht wirklich Frauen, oder?) gut beraten, sich selbst und seine geringe Bedeutung für die umgebenden Mitmenschen zu reflektieren. Betrifft natürlich jeden von uns, nicht nur Minderheiten. Aber gerade als Element einer Minderheit sollte man sich erklären können, wenn teils “heftige Reaktionen” der restlichen 90 % kommen, nachdem diese ständig mit den Befindlichkeiten der Minderheit konfrontiert werden.

“Die Kinder […] fordern Gleichberechtigung und die Umsetzung der demokratischen Werte”
Ich weiß nicht, auf welcher Ebene sie sich im Lehrkörper befinden. Aber sie meinen vermutlich nicht jene Kinder, die durch Cliquenbildung andere Kinder ausgrenzen, mit WhatsApp – Gruppen Cybermobbing betreiben oder schulbegleitende Sozialbetreuung brauchen, weil sie alles andere als Gleichberechtigung und demokratische Werte leben. Klingt ein bisschen nach Bilderbuchgymnasiast, was Sie da beschreiben.

“Umfragen […] sind aber nicht bindend für politisches und gesellschaftliches Handeln.”
Wahlen aber schon eher. Und darum ging es ja hier im Artikel: dass der Erlass quasi eine Hommage an die AFD wäre, dann nächstes Jahr sind Wahlen und man möchte denen ein paar Stimmen abnehmen.
Und auch sonst ist es meist nicht ganz verkehrt, auf Umfragen und Stimmungsbilder einen Blick zu werfen. Ich finde daran gar nichts verwerfliches, im Gegenteil.

“4. Probierts einfach mal!”
Aber warum, wenn es so viele heute für unnötig / unwichtig halten? Warum etwas in den Mittelpunkt heben, was kaum jemanden abseits gewisser Schichten interessiert?

Ich kann dazu nur sagen, das ich mit Menschen zusammenarbeite die die deutsche Sprache versuchen zu erlernen und denen fällt das ungemein schwer da noch durchzusehen. Sie würden sich eher wünschen zu nicht geschlechtsspezifischen Begriffen zu kommen. Ein bestes Beispiel dafür ist (Ich wurde gefragt wie man das ausspricht.
“Das gilt für Bewohner(Genderzeichen)innen und außen nicht”
Ich wäre da wohl eher für Bewohnende, als der ganze Zeichensalat.

1. Perspektivwechsel: Betroffene von Marginalisierung, Diskriminierung etc sind nicht in einer Position der Stärke. Sie fühlen sich bedroht und werden es auch. Inklusive Sprache hilft ihnen dazu zu gehören. Sie bindet sie ein, während exklusive Sprache wieder ausgrenzt, was zu verständlicherweise heftigen Reaktionen führt – aus einer Position der Schwäche und Ohnmacht heraus.
2. Die Kinder selbst fordern von uns gendergerechtes Sprechen. Sie fordern Gleichberechtigung und die Umsetzung der demokratischen Werte (ja, Grundgesetz, gar nicht schlimm) im schulischen Alltag. Sich dem zu öffnen ist nicht nur lehrplangerecht (und daher auch GG-gerecht) sondern auch geboten.
3. Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit. Plus: der Wechsel von Regierung und Opposition bedingt, dass die Mehrheit von heute die Minderheit von gestern sein kann und umgekehrt. Umfragen sind wichtig und können Argumente belegen. Sie sind aber nicht bindend für politisches und gesellschaftliches Handeln.
4. Probierts einfach mal!

Hallo Matthias,
> Gendern soll auch Personen ansprechen, die nicht weiblich oder männlich sind.
Ich weiß. Das sind aber so absurd wenige Leute, dass das Gendern unverhältnismäßig viele Leute betrifft, die sich mit diesen Besonderheiten umstellen und beschäftigen sollen, obwohl sie nicht die Bohne damit zu tun haben.
Für mich ein typischer Fall der aktuell häufigen Verwechslung von Toleranz und Akzeptanz. Ich muss in einer Gesellschaft eine möglichst sehr breite Toleranz haben, gegenüber allen Ausprägungen anderer Menschen. Aber ich muss nicht jede Ausprägung akzeptieren oder sie gar adaptieren und als Normalzustand ansehen. Jeder nach seiner Facon, wirklich sehr gerne, aber ich möchte nicht überall mitspielen müssen. Dazu werde ich aber Stück für Stück beim Gendern gezwungen.

> Beamte und Angestellte des Kultus werden kreative Wege finden, den Erlass zu umgehen
Na das ist ja erst mal eine triviale Feststellung. Von mir aus…

> Angestellten die Kompetenz abzusprechen, ihre individuelle Meinung zu vertreten,[…]
Da habe ich mich sicherlich nicht gut ausgedrückt. Generell darf natürlich Jeder seine Meinung haben und auch sagen. Mein alter Tutor, den ich gelegentlich immer noch treffe, kritisiert Zeit unserer gemeinsamen Jahre den Lehrplan, das Schulsystem an sich, auch einzelne Personalentscheidungen in der Schule. Natürlich haben wir Meinungsfreiheit, wie Sie zutreffend festgestellt haben.
Aber der Tutor hat als Angestellter natürlich im Rahmen seines Angestelltenverhältnisses gehandelt. Er hat im Groben den Lehrplan gelehrt, der ihm vorgegeben wurde, er hat in dem Schulsystem und auch mit dem ein oder anderen ungeliebten Kollegen gearbeitet. Logisch.
Dennoch hatte er die Kompetenz seine Meinung zu äußern, aber er war auch kompetent genug zu wissen, wo die Grenze ist.
Und die Kinder können ja gern lernen was es noch so für Sonderformen gibt zu reden.

Was alte Sprache ist, wie sich Wörter entwickelt haben, woher sie stammen, wofür man theoretisch das Plusquamperfekt braucht und so weiter. Gern auch Kurzformen wie das Binnen – I, das haben wir für platzsparende Anwendungen auch in der Grundschule gelernt.
Aber die Betonung des Geschlechts im Substantiv als wichtiges, und angeblich “ganz normal sich von allein entwickelndes Sprachnovum” müssen sie echt nicht als Normalität vorgebetet bekommen, um im Wortsinne des Autors zu bleiben.

Und, was die Umfragen angeht: Wir haben ja hier letztens über eine Studie mit 1.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen zum Thema Beziehungsgewalt gezankt. Die Umfrage zum Gendern kürzlich in der LVZ hatte knapp 10.000 (nicht repräsentative) Stimmen, wobei reichlich 70 % gegen das Gendern waren.
Diese hier unten vom MDR hatte 26.000 Teilnahmen und ergab reichlich 80 % Ablehnung. Guckt euch die Diagramme an; vor allem das Diagramm was die Wichtigkeit getrennt nach Geschlechtern zeigt, und das was die Abhängigkeit vom Alter der Befragten angeht. Und dann lasst es bitte einfach sein herum zu experimentieren, bis ihr die Kinder soweit habt, dass sie eurer Meinung entsprechen.
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/mdrfragt-umfrage-ergebnis-deutliche-ablehnung-von-gendersprache-100.html

Bei mir gehört ein Minister zur Regierung. Die Regierung wird von Parteien gestellt, die gewählt wurden. Zudem sind laut einer Studie über 50% gegen das Gendern, also doppelt demokratisch (ja, auch wenn es einem mal nicht passt: es ist Demokratie).

Angestellte können gern ihre eigene Meinung haben – außerhalb der Arbeit. Wenn der Arbeitgeber eine Sprachregelung vorgibt – na dann muss ich die als Mitarbeiter einhalten. So schwer ist das nicht. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Mit dem Grundgesetz schießen? Ernsthaft?

Es gibt also Personen die weder weiblich noch männlich sind, okay (sind bestimmt mehr, als unsere regierungstellende Partei gewählt hat, nech?) Und man muss IN JEDEM TEXT auf dem biologischen oder gedachten Geschlecht rumreiten, UNBEDINGT. Gäbe es nur eine Möglichkeit, geschlechterunabhängig zu formulieren – z.B. mit dem generischen Maskulinum.

Kollegys, Schülys, Lehrys klingt tatsächlich gut. Ich habe auch schon Kollegx gelesen.
Auf jeden Fall besser als Kolleg:innen (hier FÜHLE ich mich gar nicht angesprochen, und um die individuellen Gefühle eines jeden Einzelnen geht es ja schließlich).

1. Der Minister ist als Minister Vertreterin der Exekutive. Ein Erlass ist eine exekutive Maßnahmen und wird nicht von den Volksvertreterinnen abgestimmt. Sonst wäre es ein Gesetz; Mittel der Legislative.
2. Angestellten die Kompetenz abzusprechen, ihre individuelle Meinung zu vertreten, lieber Sebastian, widerspricht dem Grundgesetz, der Sächsischen Verfassung, dem Schulgesetz, jedem einzelnen Lehrplan. Es gibt keine grundgesetzfreien Räume in Deutschland.
3. Gendern soll auch Personen ansprechen, die nicht weiblich oder männlich sind.
4. Beamte und Angestellte des Kultus werden kreative Wege finden, den Erlass zu umgehen. Ich schreibe schon lange an Kollegys, Schülys, Lehrys etc. Inkludiert und führt zum Grinsen. Sonst einfach die weibliche Form durchziehen; gibt in den Sozialberufen eh mehr Frauen…

Ganz genau.
Und sämtliche Versuche, diesen Willen in die Ecke “nur Faschos!” oder “nur Überforderte Männer, wie immer!” zu schieben sind einfach nur hilflos.
So schwer ist es ja nun auch nicht die Sternchen zu benutzen.

Der Herr Wolff mal wieder.
Laut Umfragen lehnen über 50% der Menschen in Deutschland das Gendern ab. Zugegeben: aus verschiedenen Gründen.
Das wird so von den Volksvertretern in einen Erlass gegossen. Klingt für mich erst einmal sehr demokratisch und nachvollziehbar.
Und das spielt der AfD in die Karten?
Wie sich eine Person identifiziert, ist deren Sache. Spielt in Texten / für das Textverständnis so gut wie nie eine Rolle.
Und ja: schreibt von mir aus auch nur z.B. Bürgerinnen. Dann ist der Mann (und andere) tatsächlich (vermutlich) nur mitgemeint. Mir doch egal! 🙂 es gibt schließlich Wichtigeres 😉
(z.B. Stock ausm Arsch)

Gendern meint ja im Groben, dass geschlechtliche Vielfalt (mindestens in binärer Ausprägung) in der Sprache sichtbar gemacht wird. Das beginnt bei der Doppelnennung von Mann und Frau in Texten, geht über die Sonderzeichen in den Wörtern und endet aus meiner Sicht aktuell mit “besonders gut gemeinten” Formen wie “Hexe*”, “als Frau gelesene Person”, “menstruierende Person” oder sowas wie “Bürger*innenrechte”.
Sonderzeichen in die Wörter einzuführen ist ein bißchen ein Akt der konzeptionellen Phantasie. Sprache aus dem Soziologielabor, individuell abwandelbar, je nach Konzept. Der Stern, bekannt als Platzhalter aus der IT (Suche nach *.exe”), der Doppelpunkt als Halteort: Halte inne beim Lesen, denn hier kommt eine Geschlechtsaussage!, und dann noch die anderen Sonderzeichen mit ihrer jeweils anders oder überschneidend aufgeladenen Konzeptionalität. Es ändert sich was, wenn wir alle holpern. Man muss nur genug holpern!

Letztens hab ich eine Umfrage bei Nuudel gestartet. Da wurde mit dem einfachen Punkt, wie beim Satzende, gegendert. “Ansicht für Dich als Nutzer.in”. Mal wieder eine neue Idee, toll!
Ich kenne das Konzept dahinter noch nicht, aber wahrscheinlich verstärkt es die Botschaft des Doppelpunktes noch mehr: Das Ende eines Satzes, als vollendete Hommage an die Geschlechtlichkeit als Betonungsschwerpunkt eines Satzes. Denn die wichtigste Aussage ist: Es gibt nicht nur ein Geschlecht. Was sonst sollte in einem Satz wichtig sein?

Ich finde, man hat diese Wildwüchse und die Spielfreudigkeit der Leute in den unterschiedlichen, individuellen Genderkonzepten lange genug gewähren lassen. Nein, “Jeder wie er möchte” ist kein Konzept für das Niveau an Qualität in der Unterhaltung miteinander, wie wir es gelernt haben und gewohnt sind. Es verwirrt, es nervt, die Meisten sind dagegen. Ja, auch nicht-AfD-Wähler. Ja, auch viele Frauen. Durchaus auch junge Frauen.
Es ist normal, dass Jeder irgendwo seine Meinung hat; quasi das Normalste der Welt. Aber dass sie auch Jeder nach Belieben umsetzen kann treibt seine Blüten. Gerade in der Schule und Ausbildung ist es am Wichtigsten, dass dort das Niveau erst mal gesetzt wird.
Wenn dann später, zum Beispiel im Berufsleben, je nach Branche, oder im Privatleben, je nach sozialer Blase, entschieden wird, dass Denglisch (“das appreciate ich ja total, irgendwie”) oder Gender-Deutsch verwendet wird, ist das die Privatsache jeder einzelnen Person, oder der Firma in der sie arbeitet. Ich möchte es aber nicht als Dauerbeschallung in den Nachrichten, der Unternehmenspost oder gar in PREDIGTEN! Na vielen Dank auch für diesen Hinweis, Herr Wolf!

Deswegen ist es völlig richtig, dass von ministerieller Ebene heraus festgelegt wird, dass die Normen der deutschen Sprache erst mal gelten. Grundsätzlich. Das ist eine ganz einfache Regel: Keine Sonderzeichen im Wort. Phantasiesprache in offiziellen Dokumenten oder Lehrinhalten gibts nicht. Und gut! Was die Leute privat machen ist ihre Sache, aber als Angestellte haben sie einfach nicht die Kompetenz, sich pro oder kontra individuellster Meinungsausprägungen zu verhalten. Ich habe in meinem privatwirtschaftlichen Unternehmen diese Kompetenz auch nicht. Ganz normal. Und gut, dass es nun mal offiziell festgehalten wird.

Und noch ein paar Kleinigkeiten:
– der Rat für deutsche Rechtschreibung sieht es aktuell noch so, wie die meisten Leute in Deutschland, kann seine Meinung aber genauso schnell ändern wie der Duden. Ich würde die an Stelle des Ministeriums nicht als Referenz benutzen.
– “…im Bildungsbereich derzeit wichtigere Probleme gibt als das Gendern”
Sicher. Aber so einen Erlass herauszugeben hat sicher nicht viele Ressourcen gebunden. Insofern kein Anlass ihn aufzuwiegen mit anderen Problem, die dringend angegangen werden müssen.
– “Derzeit treten die am lautesten gegen das Gendern auf, die in den vergangenen Jahrzehnten keinen Finger gekrümmt haben für mehr Gleichberechtigung, die nie ein Problem darin gesehen haben, nur Männer anzusprechen.”
Was Sie alles wissen, Herr Wolf…
Erstes Missverständnis: es werden nicht “nur Männer” angesprochen. Mit dem generischen Maskulinum werden alle Geschlechter angesprochen (nicht nur einfach “mitgemeint”, wie Manche unterstellen). Was manche Leute dabei fühlen ist eine andere Sache, kann aber nicht zu einer Verpflichtung aller Leute führen, die kein Problem mit der aktuellen Regelung haben.
Zweites Missverständnis: Es treten durchaus auch viele Frauen gegen das Gendern ein, viele Kolleginnen zum Beispiel. Und auch als Mann kann man gegen das Gendern auftreten, trotz das man in der vergangenen Jahren für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Erscheinung trat, das betrifft zum Beispiel mich. Und bei manchem Kerl hat das in der Vergangenheit auch die ein oder andere blöde Bemerkung mir gegenüber erzeugt.
– “Man bedient mit dem Erlass sehr bewusst und gezielt ein AfD-Narrativ und ist sich für den ideologischen Bückling nicht zu schade.”
Endlich wieder echte konservative Politik zu machen, das ist für die CDU ein Rat der Stunde. Ich bekomme das große Kotzen, wenn ich Zustimmungswerte von 20-30 % für die AfD sehe, und habe Angst vor den Konsequenzen. Egal ob die selbst regieren, oder sich der “demokratische Rest” zum absurden Superblock fusioniert und dann auch bloß handlungsunfähig ist. Und solche Vorstöße der CDU wie aktuell der “Gendererlass” sind zaghafte Versuche, diesen völlig aus dem Ruder gelaufenen Regenbogenzauber mal wieder ein BIßCHEN auf den Boden der Tatsachen zu bringen und damit Leute zu angeln, die vorher weiter Rechts ihre Hoffnung gebunden sahen. Ich wünsche mir mehr davon, damit die “Alternative” nicht die einzige Alternative für Leute bleibt, die sich im aktuellen “demokratischen Block” nicht wiederfinden.

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