Die „Drug Scouts“ informieren über legalisierte und illegale Drogen. Sie wollen dadurch Risiken beim Konsum minimieren. Dafür bieten sie Prävention an Schulen, haben Infostände auf Partys und bieten individuelle Beratungen an. Sie erreichen damit vor allem Jugendliche zwischen 18 und 27 Jahren. In dem Projekt arbeiten drei Angestellte und mehrere Ehrenamtliche. „Drug Scouts“ entstanden 1996 aus der Partyszene heraus.

Katrin Schröder hat mit uns über Entkriminalisierung und akzeptierende Drogenarbeit in Theorie und Praxis gesprochen. Sie hat 2003 mit einem Praktikum bei Drug Scouts begonnen und ist seit 2006 fest als Sozialarbeiterin angestellt. Kathrin ist auch Präsidentin von NEWNet, dem europäischen Netzwerk von NGOs, Expert*innen und Institutionen, die im Bereich Gesundheit und Nachtleben arbeiten.

Die wichtigste Frage zuerst – wie steht ihr zur Legalisierung von Cannabis?

Wir plädieren schon lange dafür, dass es zumindest entkriminalisiert wird. Der Konsum an sich ist nicht verboten. Man darf konsumieren, man darf es aber nicht besitzen, weitergeben und so weiter. Aber natürlich hängt da ganz viel dran für ganz viele Leute. In der Praxis merken wir, dass eine Verbotspolitik dazu führt, dass Leute sich nicht trauen darüber zu reden und dass Leute teilweise zu spät Hilfsangebote aufsuchen. Das liegt daran, dass das Thema so tabuisiert ist.

Weil sie denken: Wer weiß, was passiert, wenn ich irgendwo hingehe. Wir haben es öfters mit Eltern zu tun, die sagen: Ich bin irgendwie enttäuscht, dass mein Kind mir nicht gesagt hat, dass es konsumiert. Dann fragen wir: Was für Möglichkeiten gab es, darüber gut zu reden in der Familie? Wenn ich weiß, dass das nicht gut ankommt bei meinen Eltern, dann rede ich nicht darüber.

Wir erhoffen uns, dass man durch eine Legalisierung besser miteinander reden kann und dass offener diskutiert wird. Für uns ist aber wichtig, dass zum Beispiel der Jugendschutz beachtet wird und dass man gleichzeitig schaut, wie man gute Präventionsarbeit leisten kann.

Heißt das, dass ihr grundsätzlich für Legalisierungen seid?

Wir haben das nie gerne so gesagt, einfach weil Legalisierung so ein großes Wort ist und viele Menschen darunter viele unterschiedliche Sachen verstehen. Bei Cannabis ist es jetzt sehr konkret. Das soll ja auch erstmal im kleinen Rahmen sein, was ich gut finde: also dass es nicht gleich auf den Markt geworfen wird und nicht gleich die Industrie mitmacht. Da sehe ich auf jeden Fall Risiken, wenn auf einmal eine riesige Lobby dahinter steht, die damit viel Geld machen will, es viel Werbung gibt und so.

Die Infoblätter werden von den "Drug Scouts" zum Beispiel auf Partys verteilt. Foto: Yaro Allisat
Die Infoblätter werden von den „Drug Scouts“ zum Beispiel auf Partys verteilt. Foto: Yaro Allisat

Eine Entkriminalisierung wäre aber ganz wichtig für die User*innen. Viele Menschen leiden nicht nur unter den Folgen von einem problematischen Konsum, sondern auch unter den gesellschaftlichen Folgen. Zum Beispiel, dass sie nur an gestreckte Substanzen rankommen, weil sie kriminalisiert werden, wenn sie die Substanz kaufen, die ihr Körper gerade braucht. Oder dass sie mit Haftstrafen rechnen müssen, auch wenn sie aus einer abhängigen Phase wieder raus sind.

Deshalb sagen wir: Entkriminalisierung auf jeden Fall, damit die User*innen nicht mehr so leiden müssen. Die Legalisierung ist dann eine politische Frage.

Auf eurer Website steht, dass ihr weder Anti- noch Pro-Drogen seid. Wie sieht so eine akzeptierende Drogenarbeit aus?

Akzeptierend heißt, dass man Drogenkonsum differenziert versteht. Also grundsätzlich akzeptieren wir es, dass sich Menschen dafür entscheiden, Drogen zu konsumieren. Damit meine ich sowohl illegale als auch legalisierte Substanzen. Manche entscheiden sich für Alkohol und manche entscheiden sich für Speed. Das ist erstmal eine Tatsache.

Wir wollen einen guten Weg finden, damit umzugehen, dass es das gibt und dass jeder Mensch eine individuelle Basis hat, warum er das macht. Wir wollen aber auch Risiken oder Probleme, die beim Konsum auftreten können, nicht bagatellisieren.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 112, VÖ 30.04.2023. Foto: LZ

Wir wollen den Leuten Information und Aufklärung bieten, sodass sie eine kompetente Entscheidung treffen können. Für oder gegen Drogen, mit dem Wissen um die Risiken. Oder zum Beispiel auch bei der Frage, wie man es schaffen kann, seinen Konsum gut im Auge zu behalten, sodass es nicht zu einem problematischen Konsum wird.

Das geht nur über Akzeptanz. Wenn ich auf jemanden zugehe und sage: Lass das, weil das ist schlecht, aber ohne es weiter zu begründen oder ohne zu fragen: Warum machst du das, dann kommt das nicht an.

Habt ihr für diese Haltung auf einer politischen Ebene schon Kritik erfahren?

Auf jeden Fall. Akzeptierende Drogenarbeit und ergebnisoffenes Arbeiten mit den Menschen setzt sich immer mehr durch, auch auf Bundesebene. Noch vor 15 Jahren hat sowas niemand verstanden. Akzeptierende Drogenarbeit findet mittlerweile auch in konservativeren Kreisen immer mehr Anklang.

Das ist sehr schön. Trotzdem verstehen es immer noch viele Leute nicht, weil über Drogen und Drogenkonsum im Allgemeinen gesellschaftlich auf einer moralischen und stigmatisierenden Ebene diskutiert wird. Oft werden keine wissenschaftlichen Erkenntnisse oder die jahrelange Erfahrung von Projekten einbezogen, die sagen, dass man auf die Jugendlichen zugehen muss und dass eine Verbotspolitik nicht viel nützt. Wer Drogen konsumieren will, der kommt auch an Drogen ran. Das ist eine Tatsache und damit muss man umgehen.

Welche Drogen werden in der Leipziger Partyszene gerade am meisten konsumiert?

Alkohol auf jeden. Das ist glaube ich über alle Partyszenen hinweg die Droge, die sehr präsent ist.

Ich kann natürlich nur von den Partys erzählen, bei denen wir präsent sind. Das lässt sich vielleicht trotzdem auf andere Kontexte übertragen, aber das ist jetzt keine Studie von uns.

Also: Cannabis, Amphetamine, MDMA, Kokain sind die Sachen, die sehr weit vorne stehen. Was hier in Leipzig auch viel konsumiert wird, sind Ketamin und GHB. Dazu kriegen wir die meisten Fragen und da nehmen Leuten die meisten Faltblätter mit auf den Partys.

Der Umgang mit Drogen verändert sich. Es gibt mehr Awareness-Strukturen. Wie sieht für euch ein optimaler Umgang der Clubs mit Drogen aus?

Natürlich sind die Clubs im Zwiespalt: Konsum ist nicht verboten, aber die haben auch ein Interesse daran, dass sie keine Konsumräume oder Gelegenheiten zur Verschaffung von Substanzen sind. Trotzdem zeigt sich, dass es der bessere Umgang ist, nicht so zu tun als ob es das nicht gäbe. Zum Beispiel, indem man kostenlos Informationen zur Verfügung stellt oder kostenloses Wasser.

Ganz wichtig ist auch die Schulung des Personals für Erste Hilfe im Drogennotfall. Und dass sie auch sensibilisiert dafür sind. Zum Beispiel: Wie gehe ich mit jemandem um, der sich komplett besoffen trotzdem noch das nächste Bier bestellt.

Das ist einfach gesagt und man darf dann eigentlich keinen Alkohol mehr ausschenken, aber in der Situation ist es schwierig einen guten Umgang zu finden. Und man braucht auch ein Team, das einen dabei unterstützt, wenn vielleicht Konflikte entstehen.

Es ist auch immer super, ein Awareness-Team zu haben. Awareness ist ein sehr umfassendes Konzept, wo es auch viel um Übergriffigkeit geht. Awareness-Teams haben aber auch einen Blick auf Menschen, die vielleicht ein bisschen zu viel konsumiert haben, sei es nun Alkohol oder andere Substanzen. Die können das dann vielleicht ein bisschen auffangen.

Das ist auf jeden Fall besser, als wenn Leute heimlich konsumieren oder Substanzen konsumieren, bei denen es dann auch mal lebensgefährlich werden kann. Kein Club will, dass eine Person in irgendeiner Ecke extrem zu Schaden kommt.

Deshalb ist es besser, offen damit umzugehen und zu sagen: Wenn ihr ein Problem habt, weil ihr was genommen habt, dann könnt ihr euch an diese Person wenden. Wenn man kein Awareness-Team hat, dann vielleicht die Türsteher*innen. Damit die Leute wissen: ich kann mir Hilfe holen, wenn ich sie brauche.

„Fakten und Wissenschaft statt Moral und Stigma: Interview mit Katrin Schröder von Drug Scouts“ erschien erstmals zum thematischeSchwerpunkt „Sucht“ im am 30. April 2023 ersten ePaper LZ 112 der LEIPZIGER ZEITUNGDer Schwerpunkt wird das Thema in allen denkbaren Facetten behandeln: Alkohol, Drogen, aber auch eher Unbekanntes wie Pornosucht. Und während die Debatte über die Legalisierung von Cannabis läuft, schauen wir zurück auf die Geschichte der Drogen quer durch die Zeitalter.

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