โ€žGleiche Rechte, egal welcher Passโ€œ war das Motto einer Kundgebung am Dienstag fรผr die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zwei Tage spรคter, am Donnerstag, wurde das AsylbLG 30 Jahre alt. Fรผr viele kein Grund zum Feiern. Denn das Gesetz wurde schon vom Bundesverfassungsgericht verurteilt und Teile als verfassungswidrig erklรคrt. Trotzdem wird politisch weiter daran festgehalten, die Lage wird sogar weiterhin verschรคrft. Rund 200 Organisationen sprechen sich auch deutschlandweit fรผr die Abschaffung des Gesetzes aus.

Veranstaltet wurde die Kundgebung auf dem Marktplatz von einem Bรผndnis aus linken Gruppen und Aktivist*innen. Darunter waren die Interventionistische Linke (IL), Protest LEJ, die sich gegen Abschiebungen am Flughafen Leipzig/Halle engagieren, die Klimagerechtigkeitsgruppe Ende Gelรคnde und Space Leipzig, ein Beratungsangebot fรผr Drittstaatler*innen aus der Ukraine.

Das AsylbLG gilt fรผr alle Menschen, die sich im Asylverfahren in Deutschland befinden. Es regelt den Zugang zu Geld, Gesundheitsleistungen und Arbeitsgelegenheiten. Maximal 410,00 โ‚ฌ erhalten die Anspruchsberechtigen demnach monatlich. Der Mindestsatz des Bรผrgergelds liegt bei 502,00 โ‚ฌ. Die Gesundheitsleistungen umfassen nur Behandlung bei โ€žakuten Erkrankungen und Schmerzzustรคndenโ€œ sowie Schwangerschaften.

Damit ist der GroรŸteil der Erkrankungen nicht abgedeckt. Vor allem psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstรถrungen (PTBS) kรถnnen nicht effektiv behandelt werden, sondern nur die kurzfristig extremen Symptome. Gerade marginalisiertere Gruppen, wie trans* Menschen, psychisch erkrankte Menschen oder Menschen mit chronischen Krankheiten sind von diesem Gesetz noch hรคrter betroffen.

Auch das Angebot sogenannter Arbeitsgelegenheiten in den Unterkรผnften setzt das Gesetz fest: in der Realitรคt zu einem Lohn von bis zu zwei Euro pro Stunde.

Ein Gesetz zur Abschreckung von Schutzsuchenden

โ€žIch bin รผberzeugt, dass alle Menschen das Recht auf ein wรผrdevolles und gesundes Leben haben, egal in welchem Land und egal welchen Pass diese Person besitztโ€œ, so Amรฉlie Barlais, eine*r der Veranstalter*innen der Kundgebung. โ€žDas ist aber mit einem rassistischen Gesetz wie dem Asylbewerberleistungsgesetz niemals mรถglich. Lasst uns gemeinsam fรผr gleiche Rechte fรผr alle kรคmpfen und das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!โ€œ

Am 26.5.1993 beschloss der Bundestag im sogenannten Asylkompromiss, das Grundrecht auf Asyl stark zu begrenzen. In diesem Zuge wurde auch das AsylbLG eingefรผhrt. Ziel war, so wird vielfach kritisiert, schon damals die Abschreckung von Geflรผchteten, um diese aus Deutschland fernzuhalten. Damit sei man vor allem rechten und rassistischen Diskursen entgegengekommen.

2012 stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fest, dass die Menschenwรผrde โ€žmigrationspolitisch nicht zu relativierenโ€œ sei und verurteilte diese Absenkung der Leistungen. Im Oktober 2022 erklรคrte das BVerfG gekรผrzte Leistungssรคtze fรผr Alleinstehende und Alleinerziehende in Sammelunterkรผnften als verfassungswidrig. Der Mythos, Menschen kรคmen nach Deutschland, um sich Sozialleistungen zu erschleichen oder als sogenannte โ€žWirtschaftsflรผchtlingeโ€œ, hรคlt sich auch heute noch hartnรคckig, sowohl in der Bevรถlkerung als auch in der Politik.

Bundesweite Forderung nach menschenwรผrdiger Lรถsung

Nach jahrelanger Kritik fordern nun in einem gemeinsamen Appell rund 200 Organisationen die Abschaffung des Gesetzes. Initiiert ist der Aufruf von Pro Asyl. Darunter sind Flรผchtlingsrรคte, Geflรผchtetenhilfe-Organisationen wie Terre des Femmes und Medico International, Wohlfahrtsverbรคnde, kirchliche Verbรคnde, politische Gruppen und lokale Beratungs- und Unterstรผtzungsangebote wie Refugee Law Clinics und die Medinetze. In der Zeit vom 20. bis 26. Mai finden in zahlreichen Stรคdten Aktionen zur Abschaffung des AsylbLG statt.

โ€žDie Menschenwรผrde zรคhlt โ€“ fรผr Schutzsuchende darf es keinen niedrigeren Standard gebenโ€œ, kritisiert Andrea Kothen, Referentin von Pro Asyl. โ€žEs ist Zeit, dieses beschรคmende Kapitel deutscher Abschreckungspolitik der 1990er Jahre endlich zu beenden.โ€œ

Doch erst im Mai 2023 vereinbarten beim sogenannten Flรผchtlingsgipfel die Ministerprรคsident*innen und Bundeskanzler Olaf Scholz weitere politische Verschรคrfungen, unter anderem auch Sozialleistungskรผrzungen. Im Gegensatz dazu verweisen die Integrationsminister*innen der Lรคnder auf die positiven Erfahrungen mit der Gleichstellung ukrainischer Geflรผchteter und dringen auf einen zรผgigen, diskriminierungsfreien Zugang zu Integrationsleistungen โ€žfรผr alle vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflรผchteten Menschenโ€œ.

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