Dieser Text ist, was man dazusagen muss, von einem Mann geschrieben. Um genauer zu sein, von einem weiรŸen mittelalten Mann, der im Patriarchat aufgewachsen ist. Die Auseinandersetzung mit Sprache und auch gesellschaftlichen Rollen fรคngt bei der Reflexion der eigenen Rolle an.

Und es muss aufregen und Widerspruch geben, wenn ein Mann in einem Text voller sexistischer Klischees weiblich gelesenen Personen anempfiehlt, dass diese sich nicht aufregen sollen, wenn nicht korrekt gegendert wird.

Zunรคchst mal, Sprache beeinflusst Denken und damit die Wahrnehmung. Bevor man einen Text verfasst, der sich kritisch mit dem Gendern auseinandersetzt, sollte man erwarten, dass man sich zumindest mit diesem Punkt befasst und die Kritik am generischen Maskulinum zumindest zur Kenntnis nimmt.

Das generische Maskulinum bezeichnet die sexusindifferente Verwendung maskuliner Substantive und Pronomen. Die mรคnnliche Form wird also verallgemeinernd eingesetzt.

Der Autor meint nun (hier auf L-IZ.de), dass es sich um Amtsbezeichnungen handle und Frauen nur da gewรผrdigt werden sollen, wo โ€žihre Verdiensteโ€œ eine Rolle spielen. Generรถs gewehrt ein Mann eine Anerkennung, wenn Frauen etwas leisten. Man kรถnnte auch fragen, warum nicht andersrum? Warum erkennen wir Mรคnner nicht nur dann an, wenn sie etwas Besonderes leisten und drehen es also gleichsam um?

Man kรถnnte sich auch fragen, warum die meisten Berufsbezeichnungen mรคnnliche Formen haben und dazu mรผsste man sich nur ein klein wenig anstrengen und mit der Frage auseinandersetzen, seit wann Frauen arbeiten oder wรคhlen dรผrfen und wie weit wir mit der Gleichberechtigung schon gekommen sind.

Die Schlechterstellung von Frauen in der Gesellschaft beginnt erst bei der Neolithischen Revolution. Die Rede vom โ€žSchwachen Geschlechtโ€œ ist eine kulturelle Erfindung von Mรคnnern, die viel รผber die Geschichte der Menschheit aussagt.

Deswegen kann es auch gar nicht verwundern, dass fast alle Formen der Sprache in einer geschlechterindifferenten Form mรคnnlich sind, da die Gesellschaft seit 12.000 Jahren der Mรคr folgt, dass โ€žFrauen das schwache Geschlechtโ€œ seien. Sprache ist an dieser Stelle auch ein Herrschaftsinstrument, das Unterschiede deutlich machen oder eben auch verwischen kann.

Meinen wir es aber ernst mit Gleichstellung, dann geht es auch um das sichtbar machen, dass es eben nicht nur Mรคnner gibt.

Aber der Grundgedanke der Vorrangstellung des Mannes in der modernen Gesellschaft pflanzt sich fort. 12.000 Jahre Patriarchat und Unterdrรผckung lassen sich nicht innerhalb weniger Jahrzehnte entsorgen und es ist ein Hohn, dass es nunmehr hauptsรคchlich Mรคnner wiederum sind, die meinen, dass gendern die โ€ždeutsche Spracheโ€œ verstรผmmeln wรผrde und wie der vorliegende Leserbrief auch noch Frauen, die sich darรผber aufregen, Hysterie unterstellt.

Mรคnner, die in unserer angeblich so aufgeklรคrten Gesellschaft immer noch bevorzugt werden, besser verdienen, รผberreprรคsentiert in den Fรผhrungsetagen sind und so weiter und so weiter.

Aber ja, und deswegen ist der Leserbrief oder Beitrag mit seinem ganzen Sexismus so hervorragend geeignet, macht er doch das Problem deutlich und zeigt auch auf, dass es nicht wenige sind, die genauso denken. Die sich weder mit den Grundlagen von Sprache oder Rollen auseinandersetzen und dann im klassisch patriarchalen Duktus den Frauen zu empfehlen, es irgendwann auch mal gut sein zu lassen.

Der Weg zur รœberwindung des Patriarchats ist noch weit und seien wir ehrlich: Es war auch nicht zu erwarten, dass es Mรคnner sind, die sich so gern als Opfer fรผhlen und von einer gendersensiblen Schreibweise รผberfordert sind, die hier hilfreich wirken wรผrden.

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So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Es gibt 12 Kommentare

In der gefรผhlten Welt spielt all das eben keine Rolle mehr. Wenn es Leute gibt, die bei โ€œMitgliedโ€ einen Mann in sich fรผhlen (โ€ฆ), dann wird es in Zukunft eben Mitgliederinnen geben.

Es heiรŸt โ€œdas Mitgliedโ€ damit kann nicht mal argumentiert werden, dass das generische Maskulinum davor platziert ist. So viel Rechtschreibungskompetenz sollte dann wenigsten auch bei Gender-Fans vorhanden sein. โ€œDasโ€ kann nicht mal unter groรŸen Bemรผhungen als maskulin falsch verstanden werden. Doch manche wollen nicht einmal so etwas begreifen. Es gibt ja auch schon einige Menschen, die z.B. stรคndig seltsame Blรผten hervorbringen. Warum Frau Baerbock sich im Singular als โ€œAuรŸenminister*inโ€ bezeichnet ist mir z.B. ein Rรคtsel, da sie ja bekannterweise eine Frau ist. Und AuรŸenministerinnen gabโ€™s doch schon sehr viele und sehr bekannte, so dass sie bei weitem keine Exotin ist, die hier die Bahn fรผr andere bricht.

Ebenso die โ€œGรคstinโ€, weil irgendjemand in einem mittelalterlichen Text einmal dieses Wort entdeckt hat und sich jetzt sogar auf Tradition berufen will. Ok, dann nenne ich jetzt meine Frau nur noch Wรฎb โ€“ das hat eine lange und bewรคhrte Tradition ๐Ÿ˜‰

Ich finde den Beitrag von Jรผrgen Kasek interessant, man lernt was dazu. Was mir aber bei tendenziell linker Sichtweise auf die Welt oft nicht so gefรคllt ist, dass Leute stรคndig als Opfer gesehen werden. Es ist schon auch okay, denn es gibt ja in jeder Gesellschaft auch Opfer oder Benachteiligte, um die man sich kรผmmern sollte, damit mรถglichst wenige โ€œhinten runterโ€ fallen. Noch dazu, wenn man erwiesenermaรŸen als Gesellschaft groรŸe Vorteile davon hat, wenn gelegentlich gesehene โ€œOpferโ€ oder in mancher Weltsicht auch โ€œunwichtigeโ€ Gruppen teilhaben. Ich finde die gesellschaftliche Bewegung darum wichtig, dass es einen Girls Day gibt, dass Mรคdchen nicht grundsรคtzlich mit rosa Farbe, Pรผppchen und anderer Stereotypen aufwachsen, und dass Jungs in ihrer Kindheit nicht das Heulen verboten wird, dass Macho-Gehabe nicht unterstรผtzt wird und so weiter. Darรผber braucht es weiter Aufklรคrung, Engagement und Anstrengung, denn geschlechtlich durchmischte und tolerante Kollegien, Gremien und so weiter sind besser im Umgang mit Fehlern, ungesunden kurzsichtigen Entscheidungen und vielen, vielen anderen Aspekten in der Arbeitswelt, als geschlechtlich homogene Gruppen. Nur mal als Beispiel.
โ€“
Aber ich bin als Mann, der mindestens das Gendern mit Sonderzeichen ablehnt, kein Opfer. Ich bin auch nicht โ€œรผberfordertโ€. Diese Sichtweise ist lediglich eine einfache Herabwรผrdigung von links-woker Seite, und eigentlich dem Intellekt von Herrn Kasek nicht wรผrdig.
Etwas โ€œรœberfordertโ€ bin ich bei der Schreibweise von โ€œPortemonnaieโ€, weil ich sie nachschlagen muss, oder Randaspekten der GroรŸ- und Kleinschreibung, oder dem jahresaktuellen Buchstabenkรผrzel der LGBTxyz, zumindest wenn an mich die Erwartung gerichtet wird, ich mรผsse mich dafรผr interessieren und wissen, welche Randgruppe es dieses Jahr geschafft hat.
Aber an jede Regel kann man sich gewรถhnen und sie lernen โ€“ Rechtschreibregeln hatten wir alle mal in der Schule, und alle รผber JAHRE. Und genau deswegen ist es so derart lรคcherlich, wirklich absurd lรคcherlich, wenn sich Gender-Aktivisten darรผber beschweren, dass sie ihre Sonderzeichenidee nicht an einigen wichtigen, hรถheren Stellen anwenden kรถnnen. Ihnen wรผrde dort VORGESCHRIEBEN werden wie sie zu schreiben hรคtten. Ach, anderswo etwa nicht? Jahre der Schulbildung im Deutschunterricht sind vorbeigezogen mit Grammatik, Satzbau, Stil, Rechtschreibungโ€ฆohne das Gefรผhl der Vorschrift? Wer soll DAS denn glauben?
โ€“
Ich kann einen Genderstern sehr wohl in meine Sรคtze einbauen. Es liegt definitiv nicht an รœberforderung, oder an โ€œer versteht die Welt nicht mehrโ€. Sondern es liegt an der einfachen Abwรคgung, ob es sich fรผr das angegebene Ziel lohnt, die bisherige Ordnung so grob zu รคndern, oder ob das alles nichts bringt. Und da sehe ich mich persรถnlich bei Ralf Julke der sagt, man kann Frauen vor allem dann sichtbar machen, wenn man sie nennt, statt sie hinter Sonderzeichenkonstrukten, inklusive kurzer Stolper-Denkpause, zu vermuten.
Fรผr mich wรผrde dann noch dazu kommen, dass aus Stilfragen nicht jedes einzelne Substantiv zweigeschlechtlich aufgezรคhlt wird, aber Stil ist fรผr Jeden was anderes.
โ€“
Und im Grunde sind wir bei diesem Gedanken auch bloรŸ in die Falle getappt, die uns die Engagierten aus den Soziologiestuben gestellt haben: Dass Frauen beim generischen Maskulinum ja โ€œbloรŸ mit gemeintโ€ wรคren. So langsam schaffen sie es, dass die Leute diesen falschen Grundfakt an sich schon mal glauben und sich dessen annehmen, aber da ist schon der erste Fehler. Denn: eine generische Form ist die UNIVERSELLSTE Form fรผr jede Art Geschlecht, denn per Definition sind Alle damit angesprochen! Es ist an sich schon Quatsch zu sagen, dass es einschrรคnkende Sprache wรคre, so zu schreiben und zu reden. Und deswegen lehnen das Sonderzeichen-Gendern auch jede Menge Frauen ab, wie sich in Umfragen immer wieder zeigt. Sie treten nur, wie so oft in Debatten, nicht so zahlreich und sichtbar auf. Was wiederum den Befรผrwortern in den Betrieben, Zeitungen und Universitรคten enorm in die Karten spielt.
โ€“
Und zu den โ€œgefรผhltenโ€ Wahrnehmungen: wenn sich Kinder eher Mรคnner vorstellen, wenn von โ€œdie Polizeiโ€ und โ€œdie Feuerwehrโ€ die Rede ist, dann wirds wohl auch daran liegen, dass es in der Praxis auch eher Mรคnner sind, die diese Berufe รถffentlichkeitswirksam bekleiden. Wenn man mit dem Fakt, was sich Kinder unter bestimmten Begriffen vorstellen, politisch unzufrieden ist, dann macht man eben ร–ffentlichkeitsarbeit und schickt gemischte Belegschaften in die Kindergรคrten und Schulen. So wie bei uns damals, als die Polizistin widerwillig ihre Pistole auf Nachfrage zeigte.
Einfach nur zu sagen: โ€œKinder, ihr mรผsst immer ein โ€œINNENโ€ an die Wรถrter hรคngen, damit die Welt gerechter wird!โ€ wird an der praktischen Vorstellung in den kleinen Hirnen erst mal nichts รคndern. Es NERVT aber dafรผr.
Und die Vorstellung der Erwachsenen bei โ€œWacheโ€, โ€œBelegschaftโ€, oder โ€œKรผchenpersonalโ€ wird jeweilig unterschiedlich sein. Unsere betriebliche Wache hat unter anderem eine ziemlich energisch auftretende Frau als Personal, an die ich dabei denke.
In der Mitgliederversammlung unseres Sportvereins wurde kรผrzlich beantragt, die Satzung und Beitragsordnung geschlechtergerecht umzuformulieren. Die Antwort auf die Frage in der Runde, ob denn in der Satzung so vielen Maskulinen drin wรคren, oder was der Anlass sei fรผr den Antrag, kamen die Schlagwรถrter โ€œheutzutage sollte manโ€ sowie das Beispiel โ€œMitgliedโ€. Ich weiรŸ, man soll seiner Umgebung gegenรผber mรถglichst positiv und wertschรคtzend auftreten, aber an dieser Stelle war bei mir und einigen anderen Leuten die Stirn fast auf der Tischkante.
Darum, dass sich einige Menschen unserer ach so woken Umgebung unter dem Neutrum โ€œMitgliedโ€ einen Mann vorstellen, mรถchte ich mich einfach nicht kรผmmern und lehne es auch weiterhin ab. Und auch hier geht es nicht um โ€œdie neue Welt nicht verstehenโ€ oder โ€œรผberfordertโ€ sein, sondern um die Aufgaben und Themen anderer Leute mit ihrer eigenen Gehirnhygiene.

@Matthias
Da haben Sie Recht โ€“ und ich bin falsch abgebogen.

@Christian: falsches Beispiel, homosexuell besteht aus homos und sexuell, ist also griechisch: homos fรผr gleich, wie in homonym oder homophon.

Ok, dann wird man die in einem 12.000 Jahre (vielleicht 4.000 Jahre wirklich nachweisbar) dauerndem Patriarchat wurzelnde Sprache aber auch nicht in einem โ€œSchnellschussโ€ und flink verziertem Sprachwerk korrigieren oder โ€œreparierenโ€ kรถnnen!
Der Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft ist รผbrigens noch gar nicht ausreichend erforscht worden; das sagt selbst eine feministische Linguistikerin.

Mal davon abgesehen, dass selbst im Deutschen anerkannte Begriffe wie โ€˜Homosexualitรคtโ€™ gendertechnisch auch vรถllig falsch sind, denn im Lateinischen steht Homo fรผr Mann und Mensch. Also Frauen kรถnnen gar nicht homosexuell sein! Das darf dann konsequenterweise auch nicht sein. Gibt es dann zukรผnftig โ€˜Feminasexualitรคtโ€™?
Wollen wir dann sรคmtliche solcher Begriffe aussondern oder umbenennen?

Die These โ€œEine Gesellschaft wird besser, wenn die Sprache verรคndert wirdโ€, ist eine heiรŸ diskutierte.
Denn selbst in anderen Lรคndern, wo die Sprache โ€“ aus unserer Sicht โ€“ wesentlich neutraler oder besser entwickelt ist, geht es Frauen schlechter: China zum Beispiel.

Die vom Dudenverlag (Handbuch geschlechtergerechte Sprache) empfohlenen โ€œsinnvolleren Formenโ€ fรผr die โ€œรœberwindung der alten Gewohnheit der Verwendung maskuliner Formenโ€ sehe ich in den derzeitigen und von diversen Institutionen willkรผrlich umgesetzten โ€˜Ideenโ€™ noch nicht; besser wรคre aus meiner Sicht eine Gleichbehandlung und Nennung beider Formen โ€“ weiblich und mรคnnlich. Vielleicht entwickeln โ€“ dafรผr zustรคndige โ€“ Gremien in den nรคchsten Jahrzehnten tatsรคchlich sinnvollere Wortformen.

Kritik daran gibtโ€™s im รœbrigen genauso von weiblicher Seite.

Und mancher meint noch, ein geistiges Licht wรผrde angezรผndet, wenn auch nur die Dose den Stecker empfรคngt. Man kann wohl auch im lauwarmen Dunkel sitzen und dies fรผr Wรคrme und Licht halten, seine Jacke fรผr den Mantel der Geschichte, und diese endete ja sowieso vor 30 Jahren.
Guten Abend, allerseits

Der Stecker gehรถrt nun Mal in die Dose und nicht die Steckerin. Ansonsten ginge das Licht ja auch nicht an. Oder wollen wir wirklich alle im Dunkeln sitzen und frieren?!

Ich bin auch ein weiser alter Mann. Das heiรŸt, aufgrund meiner Weisheit und langen Lebenserfahrung weiรŸ ich, dass die sog. Gendersprache nicht notwendig ist.

Reicht das als Trigger, um Entrรผstungsstรผrme zu produzieren, oder soll ich evtl. noch nachheizen? ๐Ÿ˜‰
Sorry, ich kannโ€™s nicht lassen. Kein Thema ist so gut geeignet, um Menschen aller politischen Lager in emotionale Wallung zu bringen. Solche Steilvorlagen kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.

Mรถge der Shitstorm รผber mich kommen und der/die G*ott_In mich verdammen.

Nach Diktat verreist ๐Ÿ™‚

Ich mรถchte den Autor des obigen und auch den Autor des kritisierten Textes und auch sonst alle Leser und Leserinnen erfreuen, und zwar mit einem einschlรคgigen Text von Wiglaf Droste, betitelt โ€œWie man mit Frauen nicht fertig wirdโ€ vom 27.2.2004: https://taz.de/!783169 Ich hoffe, damit einen thematischen Kontrapunkt zu setzen.

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