In diesem Jahr fanden am 8. März nachmittags beziehungsweise abends drei Demonstrationen gleichzeitig statt. Schon die Namen der Veranstaltungen lieferten einen Hinweis auf die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Die Leipziger Zeitung (LZ) hat zahlreiche Redebeiträge gefilmt.

Die mit Abstand größte Versammlung fand in diesem Jahr auf dem Marktplatz statt. Dort veranstalteten das Bündnis 8. März und das Feministische Streikbündnis zunächst eine große Kundgebung mit Redebeiträgen. Anschließend folgte ein Aufzug, an dem sich nach Zählung der LZ mehrere tausend Menschen beteiligten. Realistisch dürfte eine Zahl zwischen 3.000 und 4.000 sein.

Gleich zu Beginn verdeutlichten die Veranstalter/-innen in ihren Redebeiträgen, dass sich die Demonstration nicht nur gegen das Patriarchat, sondern auch gegen Kapitalismus und weiße Vorherrschaft richte. Es gebe nicht nur einzelne Krisen wie Corona und Ukrainekrieg – das gesamte System sei krisenhaft. Die Lösung könne daher nur lauten, das System zu überwinden. „Wir wollen eine Revolution“, so die Botschaft.

Abgrenzung zu Liberal- und Radikalfeminismus

Das Bündnis wollte laut eigener Auskunft möglichst viele feministische Gruppen zusammenbringen, grenzte sich aber auch von einigen feministischen Strömungen deutlich ab. So sei beispielsweise Liberalfeminismus nicht geeignet, um das Patriarchat zu besiegen. Dieser sei lediglich darauf ausgerichtet, einzelnen – häufig eh schon privilegierten – Personen einen Fortschritt zu ermöglichen.

Die deutlichste Abgrenzung erfolgte allerdings von der radikalfeministischen Kundgebung, die zeitgleich mit knapp 100 Personen auf dem Augustusplatz stattfand. Dort fand an diesem Tag der „Frauenkampftag“ statt – aus Sicht der Veranstalter/-innen der Marktkundgebung eine transfeindliche Veranstaltung.

Man selbst spreche lieber von „FLINTA“ als von Frauen, weil nicht nur diese, sondern auch intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen vom Patriarchat unterdrückt würden. Die Organisatorinnen des Frauenkampftags wiederum betonten, dass die Frau im Mittelpunkt feministischer Kämpfe stehen müsse.

Die Geschlechterfrage

Eine wichtige Differenz zwischen beiden feministischen Strömungen ist die Frage, ob Geschlecht binär ist – also ob es nur Mann und Frau gibt. Während Radikalfeministinnen das bejahen, sehen Queerfeminist/-innen es anders. Einig war man sich hingegen, dass die jeweils andere Gruppe mehr mit Faschismus als mit Feminismus zu tun habe.

Ausführlich widmete sich auf dem Marktplatz die Gruppe „Catcalls of Leipzig“ dem Thema Transfeindlichkeit. Bekannt wurden die Aktivist/-innen dadurch, dass sie Fälle sexueller Gewalt und Belästigungen, die ihnen gemeldet werden, an den jeweiligen Orten auf der Straße „ankreiden“.

Auf beiden Kundgebungen war die Situation von Frauen beziehungsweise FLINTA weltweit ein Thema, beispielsweise im Iran. Thema bei den Radikalfeministinnen auf dem Augustusplatz waren zudem die größer werdenden Probleme für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, und die Situation in der Sexarbeit beziehungsweise Prostitution.

Streitfall Sexarbeit/Prostitution

Auch das ist ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Strömungen. Während Queerfeminist/-innen den Begriff „Sexarbeit“ bevorzugen und diese eher positiv sehen, betrachten Radikalfeministinnen Prostitution als „bezahlte Vergewaltigung“. So formulierte es zumindest eine Rednerin, die selbst fünf Jahre als Prostituierte tätig war. Radikalfeministinnen sprechen sich daher für ein Verbot aus.

Eine dritte Veranstaltung mit einigen Dutzend Teilnehmer/-innen fand auf der Sachsenbrücke statt. Dort hatte das „Frauenkollektiv“ zur Kundgebung aufgerufen. Inhaltlich bildeten die Zusammenhänge zwischen Feminismus auf der einen und Kapitalismus beziehungsweise internationalen Krisen auf der anderen Seite einen Schwerpunkt.

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