Am Samstag, dem 4. März, veranstaltete die RosaLinde Leipzig e. V. ihren 12. Frühjahrsempfang. Dazu kamen Vetreter*innen aus befreundeten Vereinen, wie dem RAA Sachsen, Mosaik e. V., TIAM (Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland) e. V. sowie Mareen Klenke, Ansprechperson für LSBTTIQ* bei der Staatsanwaltschaft Leipzig, Petra Köpping, Ministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in Sachsen (SPD) und Holger Mann, MdB (SPD). Vorgestellt wurden die Arbeit der RosaLinde in den vergangenen Corona-Jahren und neu anlaufende Projekte.
„Wir haben viele neue Projekte, auch dank der Unterstützung durch den Freistaat Sachsen. Genannt seien das ‚Queer Connection Project‘, das Empowerment-Projekt ‚Empower Me, Empower Us 2.0‘, das ‚Queer Refugees Resilience Project‘ und jetzt haben wir noch über die Stadt Leipzig eine Jugendberatungs-Stelle beantragt, namens ‚Talk about it‘“, sagte Christian Rossner, Projekt- und Vereinskoordinator*in der RosaLinde bei einer Ansprache.
Engagement seit 1989
Seit 1989 gibt es die RosaLinde beziehungsweise das Vorgängerinnenprojekt in Leipzig. Ab den 2000er Jahren änderte der Verein seinen Schwerpunkt von der Organisation von vor allem schwulen und lesbischen Partys und Kulturveranstaltungen hin zur Beratungsarbeit für verschiedenste, queere Personen. In den letzten Jahren ist die RosaLinde immer weiter gewachsen.
Mehr als 20 Mitarbeitende und Bufdis, sowie viele Ehrenamtliche sind in den Projekten des Vereins tätig. Die RosaLinde ist ein unentbehrlicher Anlaufpunkt für queere Menschen in Leipzig, dank der kostenfreien Beratungen, Veranstaltungen und den von Ehrenamtlichen organisierten Begegnungsgruppen.
Queer ist eine Selbstbezeichnung und kann sowohl die sexuelle Orientierung (lesbisch, bi, pan, …) als auch die Geschlechtsidentität (trans*, nicht-binär, …) umfassen.
Durch das Wachstum des Vereins sei der Fokus in den letzten Jahren breiter geworden, sagt Christian Rossner später im Gespräch mit der LZ. Dadurch seien auch die Herausforderungen gewachsen. Die Chancengleichheitsrichtlinie in Sachsen, die in den letzten Jahren über die Gleichstellung von Mann und Frau hinaus geöffnet worden sei, habe es ermöglicht, mehr Fördergelder für Projekte zu beantragen.
Trotzdem bange man jedes Jahr wieder, welche Förderungen im nächsten Jahr bewilligt würden und ob dementsprechend Stellen weiter existieren könnten.
Was die Beratungsstelle leisten kann – und was nicht
„65 Menschen haben wir gerade in Bezugsberatungen. Auf unserer Warteliste stehen 200 Menschen“, erzählt Tania Kulbakina bei der Vorstellung des Queer Refugees Network. In dem Projekt arbeiten fünf Hauptamtliche für die Unterstützung von queeren Geflüchteten.
Zweimal im Monat eine Beratung zu bieten, sei wünschenswert, aber einfach aus Kapazitätsgründen unmöglich. Deshalb bieten sie jetzt Gruppen-Workshops für Betroffene an, in denen sie über das Asylverfahren informieren.
Queere Geflüchtete haben es in ihrem Asylverfahren mit deutlich mehr Hürden zu tun, als Menschen, die aus anderen Gründen Asyl erhalten möchten. Es kann zum Beispiel beantragt werden, dass die Anhörung durch geschulte Sonderbeauftragte durchgeführt wird. Die Dolmetscher*innen allerdings kennen oft queer-spezifische Begriffe nicht oder haben selbst Vorurteile gegenüber queeren Menschen.
Der Zwang, in der Anhörung die eigene Geschlechtsidentität oder Sexualität beweisen zu müssen, greift massiv in die Intimsphäre der Anzuhörenden ein. In Gemeinschaftsunterkünften, in denen Asylantragsteller*innen meist bis zur Entscheidung über den Antrag leben müssen, gibt es immer wieder Gewalt gegen queere Menschen.
Die meisten Menschen in der Beratung seien aus Venezuela und Kamerun, so Tania. Das passe nicht zu den Zahlen der Menschen in Leipzig. Viele Menschen, aus zum Beispiel Syrien, kommen aber mit ihren Familien, sodass sozialer Druck und Angst im und vor dem eigenen Umfeld wahrscheinlich zu groß seien.
„Ich wurde schon gefragt, ob es eine Hintertür gibt, damit Menschen nicht gesehen werden beim Reinkommen“, sagt Tania. Es sei zum einen gut und wichtig, Sichtbarkeit für queere Geflüchtete zu schaffen, andererseits müsse aber auch bedacht werden, dass nicht alle mit der Regenbogenfahne in der Hand herumlaufen können. Auf dem Land seien queere Communities noch kleiner und müssten sich unsichtbarer machen, auch aus Angst vor rassistischen und queerfeindlichen Angriffen.
„Alle queeren Geflüchteten, die zu uns kommen, sind traumatisiert“, so Tania. „Und die psychische Versorgung für sie ist schlecht.“ Im Asylbewerberleistungsgesetz sind gesundheitliche Leistungen nur bei „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen“ vorgesehen.
Dementsprechend sind Behandlungen von psychischen Krankheiten unmöglich. Es kann lediglich auf akute Symptome eingegangen werden. Auch medizinische Transitionsschritte werden so, wenn sie im Herkunftsland noch nicht begonnen wurden, verunmöglicht.
Es geht hier klar um systemische Mängel und Diskriminierung, die eine Beratungsstelle gar nicht ausreichend auffangen kann. Laut Tania müsse aber der Wunsch, durch Öffentlichkeitsarbeit das menschenunwürdige System anzuprangern und zu verändern, mehr Begegnungen für queere Geflüchtete zu schaffen und Selbstorganisation zu ermöglichen, aus Kapazitätsgründen oft hinter der Beratung zurückstehen.
Auseinandersetzung mit Intersektionalität
Das Schaffen von Sichtbarkeit für Queerness sei an den Schulen in Leipzig und Nordsachsen in den letzten Jahren gelungen, so Julika Prantner-Weber und ihre Kolleg*innen bei der Vorstellung des Projekts „Schule der Vielfalt“. Daher fragten auch immer mehr Lehrer*innen, die Trans*Personen in ihren Klassen haben, nach Fortbildungen.
Auch unter den Schüler*innen gebe es viele Anfragen, zum Beispiel zu genderneutralen Toiletten. Über 25 Regenbogen AGs existierten mittlerweile, vor allem an Oberschulen und auch Gymnasien. In Leipzig wurden zwei Schulen der Vielfalt ausgezeichnet.
Das Wachstum des Vereins führe auch zu internen Prozessen, erzählt Julika im Gespräch mit der LZ. Intersektionalität, also die Überschneidungen unterschiedlicher Diskriminierungen, wie zum Beispiel Queersein und Rassismus, Klassismus oder Ableismus brauche eine dauerhafte inhaltliche und strukturelle Auseinandersetzung.
So gehe es zum Beispiel darum, Bildungsmaterialien für Förderschulen zu gestalten, Sprachmittlungen für Beratungen zu ermöglichen oder die Räumlichkeiten der RosaLinde barriereärmer zu machen.
„… dass ich kein Monster bin“
„Und im Gericht hat die Person dann gesagt: Als ich zur RosaLinde gegangen bin, habe ich zum ersten Mal das Gefühl bekommen, dass ich kein Monster bin“, erzählt Tania Kulbakina über eine*n Ratsuchende*n. Wenn er so viel Zeit und Geld hätte, wie nötig wäre, würde sie ein Community-Center für Begegnungsräume schaffen, sagt Tania. Und allen Menschen das bieten, was es braucht, um Stabilität und ein gutes Ankommen zu gewährleisten.
Vielen Vereinen geht es so wie der RosaLinde. Es gibt zu wenige Stellen, Förderungen machen die Arbeit eher prekär und befristet, viel wird von Ehrenamtlichen gestemmt. Dabei leisten die Menschen in der RosaLinde jeden Tag Arbeit, die gesamtgesellschaftlich großen Einfluss hat und für Einzelne lebensverändernd sein kann.
Akzeptanz, Sichtbarkeit, materielle Veränderungen von Gesetzen und Institutionen, all das müssen Menschen sich Tag für Tag erkämpfen, um ein gutes Leben leben zu können. Daher geht es der RosaLinde vor allem auch darum, Queerness zu empowern, zu vernetzen und zu feiern.
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