Nicht nur in Leipzig, aber auch: die „Letzte Generation“ lässt sich offenkundig von der rechtskonservativen Kritik an ihren Aktionen, der Prüfung auf den Verdacht einer „kriminellen Vereinigung“ oder angedrohter Vorbeugehaft nicht stoppen. Auch am Morgen des heutigen 6. Februar 2023 blockieren die Klimakrise-Aktivist/-innen erneut Straßenkreuzungen und größere Straßen in Teilen Deutschlands.
Die Kriminalisierung ihres Engagements in den vergangenen Monaten zeigt eigentlich vor allem eines: sie schaffen es mit ihren gewaltlosen Aktionen vor allem gegen den Autoverkehr, die Menschen aufzuregen und auf die Klimakrise samt ansteigender Erderwärmung auch wegen des verbrennergetriebenen Straßenverkehrs hinzuweisen. Manche von denen glauben auch am heutigen Morgen, sie kämen dagegen mit Selbstjustiz an.
Aktuell, 7:35 Uhr ist die Maximilianallee Ecke Theresienstraße stadteinwärts dicht. Und die ersten Autofahrer gehen zur Gewalt über. Der genaue Ort der Straßenblockade auf Google Maps.
Video-Impressionen ab 7:30 bis 7:40 Uhr
Unsere Reporterin vor Ort berichtet, dass „die Autofahrer (…) die jungen Frauen an der Kapuze von der Straße ziehen und die Plakate wegschmeißen“. Die Aktivist/-innen haben sich jedoch immer wieder auf die Straße gesetzt und gegen 7:45 Uhr sind die ersten bereits mit den Händen an die Fahrbahn geklebt.
Mittlerweile ist die Polizei eingetroffen, woraufhin die männlichen Übergriffe aufhören. Nun beginnt das mittlerweile bekannte Ritual der Debatten und Loslösung der Hände der Aktivist/-innen von der Straße. Es ist mittlerweile 7:53 Uhr und noch immer ist die Zufahrt über die Maximilianallee dicht.
8 Uhr: Beschimpfungen und Argumente
Während die Polizeiaktion angelaufen ist, gibt es interessante Ideen von den Autofahrern, die warten müssen. „Reißt sie einfach vom Boden ab“, ruft ein Mann, „Ihr seid doch dumm“ ist zu hören (was für den Rufer bei dieser Erstbegegnung kaum einschätzbar sein dürfte) und „das sind unsere Steuergelder“.
Offenbar meint letzterer Ausruf jene Polizeibeamten vor Ort, die zur Stunde so oder so Dienst haben. Aber gut, wenn der Mann nun seine Steuergelder auch mal sieht. Pia Osman von der „letzten Generation“ zeigt auf LZ-Nachfrage Verständnis „Wir können die Wut der Bürger/-innen hier verstehen. Wir können verstehen, dass die Leute zur Arbeit wollen. Und die Bundesregierung, die ihre Versprechen nicht hält, hindert sie gerade daran.“
Ihre und die Kritik richtet sich – nach ihren Aussagen auch für die Zukunft der wütenden Autofahrer/-innen vor ihnen an die Regierung, welche „nicht mal die einfachsten Maßnahmen wie 9-Euro-Ticket oder Tempo 100 umgesetzt“ habe.
Unterdessen wurde ein an der Blockadeaktion beteiligter Rollstuhlfahrer durch die Polizei von der Straße geholt und ein Beamter hat seinen Platz eingenommen. Offenbar, um zu verhindern, dass jemand versucht, sich mit seinem Auto durch die zu schmale Lücke zu drücken und die am Boden sitzenden Personen dabei zu schädigen. Gegen 8:05 Uhr haben die Polizeibeamten begonnen, die erste Hand mit Speise-Öl von der Straße zu lösen.
Eine Besonderheit ereignet sich, während die Beamten begonnen haben, eine Aktivist/-in nach der anderen von der Straße zu lösen: Eine Frau beschwert sich, dass sie Ärztin sei und in ihrer Praxis ein Patient verblutet und die ganze Zeit Leute Extremitäten verlieren würden. Die Polizei nimmt jetzt erst einmal ihre Personalien auf und schaut, ob für sie eine Rettungsgasse realisiert werden kann.
Was natürlich zu einer generellen Frage führt: warum tun das die wartenden Pkw-Fahrer/-innen nicht von sich aus? Da die Polizei beim Ablösen der Aktivist/-innen stets von innen nach außen vorgeht, könnten so auch Rettungswagen passieren, die eher von den stehenden Autos blockiert werden.
Die Polizei hingegen bleibt heute ruhig, zeigt fast schon Routine und versucht selbst Körperverletzungen zu vermeiden. Während die Hände von der Fahrbahn gelöst werden, sagt ein Polizist „wenn’s wehtut Bescheid sagen“ zu einer Aktivistin.
8:30 Uhr: Die Polizei schleppt die Straße frei
Unterdessen werden mehr und mehr der Aktivist/-innen von der Straße getragen, nachdem ihre Hände gelöst sind. Diese Zeit nutzt Pia Osman für die „Letzte Generation“ zu einem letzten Statement, bevor auch sie von der Straße geholt wird: „Wir brauchen jetzt eine Notfalllösung in Form eines Gesellschaftsrates, in dem alle vertreten sind. Die Veganerin aus Lindenau genauso, wie der Autofahrer aus Delitzsch.“
Um 8:34 Uhr ist die Maximilianallee stadteinwärts wieder frei und die Teilnehmenden der Blockadeaktion müssen nun ihre Personalien bei der Polizei angeben. Ihnen droht nun im schlimmsten Fall eine Strafverfolgung wegen Nötigung der Pkw-Fahrer/-innen und des Eingriffs in den Straßenverkehr sowie eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, da die Aktion naturgemäß nicht angemeldet war und ohne Versammlungsleitung ablief.
Eine Rettungsgasse für die Ärztin gab es übrigens nicht. Entweder wollte sich die Frau also aufspielen oder die Autofahrer hatten es selbst nicht so mit dem Durchlassen von Rettungskräften.
Statement der Polizei
Josephine Heilmann ordnete kurz danach die Sicht der Polizei auf den heutigen Aktionstag der „Letzten Generation“ ein: „Wir haben erst heute Morgen Kenntnis gehabt von dem bundesweiten Aktionstag der Letzten Generation.“ Auf LZ-Nachfrage zu den Konsequenzen für die Teilnehmenden kündigte Heilmann „Ermittlungen gegen die Aktivisten wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Nötigung“ an.
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Es gibt 7 Kommentare
“Lassen sie mich durch. Ich bin Arzt.” Nutze auch ich mäßig erfolgreich eigentlich immer und überall.
@fra: eben weil sich die Ärztin nur eine Runde aufspielen wollte, hat keiner “Schuld”, weshalb ich diese Frage auch gar nicht mehr im Verlauf des Textes verhandeln musste.
“Was natürlich zu einer generellen Frage führt: warum tun das die wartenden Pkw-Fahrer/-innen nicht von sich aus?”
Was ist das für eine Frage, da an der Ampel bei Rot keine Rettungsgasse zu bilden ist und dann gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten. Das muss dann von hinten geschehen wie bei einem Blaulichteinsatz, was die Ärztin nicht hatte. Die Polizei hat da völlig richtig gehandelt und die Schuld jetzt auf die an der Ampel wartenden Autofahrenden zu schieben ist ….
Sehr mutig! Und notwendig!
Und angesichts des jahrelangen staatlich geförderten Subventionsbetrugs, der von der Auto-Industrie in Deutschland an den Steuerzahlenden begangen wird (jedes Jahr zahlen wir in D-Land 12Mrd. Subventionen für Dienstwagen, die 60% der Neuwagen ausmachen) sind solche Blockaden ein sehr vernünftiges Mittel um das völlig kaputte “Weiter so” zu irritieren.
Ihre Aktivjournalisten standen zeitgleich an der Kreuzung. Die LIZ agiert direkt mit. Dokumentation und Berichterstattung ist das nicht sondern mediales Framing vor Ort.
Die Letzte Generation informiert vorab und sehr kurzfristig alle Medien über ihre Aktionen. Unterlassen Sie bitte Ihre Unterstellungen gegenüber unserer Kollegin, welche heute vor Ort war, da wir uns ansonsten von Ihnen wegen Ihrer Verleumdungen hier trennen müssten. Danke für Aufmerksamkeit. Die Moderation
@gerd stefan: Sie unterschätzen schlicht, wie schnell Profis schreiben können. Aber danke für das ungewollte Kompliment. Sie neigen Mal um Mal mehr zum Eigentor 😉
Hochprofessionell, den Artikel schon vor der Aktion inhaltlich im Kasten zu haben. Auch sehr intelligent von den Aktivisten, dass die erste Reihe der Autofahrer, die hätten fahren können, offensichtlich zu den Klimaklebern dazugehören und trotz freier Bahn nicht losgefahren sind. Es sind also nicht nur die auf der Straße sondern auch welche im Auto, die heute eben mal das klimaschädliche Auto für einen guten Zweck genutzt haben…