Gerade erst wurde die Auswertung der Wetterdaten fรผr das zurรผckliegende Jahr 2022 verรถffentlicht. Wenig รผberraschend waren die Feststellungen, dass es zu warm und zu trocken war. Das trifft auf 4 der letzten 5 Jahre zu. Und das hat Folgen.

Zunรคchst mal lassen sich die gewonnenen Wetterdaten in die Vorhersagen des LfUlG hinsichtlich des Klimawandels in Sachsen einordnen. Danach wird die Region um Leipzig, Nordsachsen, deutlich niederschlagsรคrmer werden und die Niederschlรคge verlagern sich eher in die Wintermonate.

Die Auswertung der Wetterdaten zeigt in den letzten Jahren auch, dass die Sommer zunehmend trockener werden, wรคhrend die Wintermonate im Vergleich zum langjรคhrigen Jahresmittel der Referenzklimaperiode 1961-1990 kaum verlieren und in den letzten Jahren sogar รผberdurchschnittlich viel Niederschlag fiel.

Durch die Zunahme der Temperaturen verlagern sich auch zunehmend die Vegetationsperioden in Richtung des Jahresbeginns. Dies ist aber problematisch, da April-Juni und damit die erste Vegetationsperiode in den letzten Jahren fast immer zum Teil deutlich zu trocken war. Es fehlt an Wasser fรผr die Pflanzen, was wiederum Auswirkungen auf die Ernte und damit auch die Preise hat.

Problematisch wird dies dadurch, dass unsere Stรคdte und unsere Art des Lebens eigentlich so geplant ist, dass Niederschlagswasser mรถglichst schnell aufgenommen, gesammelt und abflieรŸen soll.

Wassermangel: Vom Fremdwort zum Problem

Seit einiger Zeit wird daher das Sammeln des Wassers immer wichtiger und nimmt zu Recht in der Stadtplanung einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Es geht darum, dass wir gerade in den urbanen Stadtrรคumen Versickerungsflรคchen brauchen. Das heiรŸt, Flรคchen, wo das Niederschlagswasser in den Boden eindringen kann und gehalten wird. Die groรŸflรคchige Versiegelung der Bรถden und das Ableiten des zunehmend kostbarer werdenden Niederschlagswasser trocknet die Bรถden weiter aus und verschlimmert die bereits vorhandene Bodentrockenheit. Das enorme Niederschlagsdefizit der vergangenen Jahre wird auch nicht durch den aktuell niederschlagsreichen Januar 2023 gemildert.

Zusรคtzlich nimmt bedingt durch den Prozess der klimatischen Erwรคrmung die Wahrscheinlichkeit von Extremwettereignissen zu. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen auf kalte Luft. Wenn es also in den Sommermonaten zu Niederschlag kommt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er als Starkwetter daherkommt und innerhalb kรผrzester Zeit sehr viel Regen fรคllt.

Auch in den letzten Jahren gab es in Leipzig immer wieder Regengรผsse, die zu sektoralen รœberschwemmungen fรผhrten, da die eng bebauten und versiegelten Stadtfluchten kein Wasser aufnehmen und auch die Kanalisation damit รผberfordert ist. Entsprechend plant die Stadt auch in dieser Richtung.

Wetterรคnderungen und Baumbestand in Leipzig

Auch die Wahrscheinlichkeit von Stรผrmen und deren Stรคrke nehmen zu. Dies wiederum wird fรผr viele Bรคume, die aufgrund der Trockenheit geschwรคcht sind, zu einem weiteren Problem. Pro Jahr verliert Leipzig hunderte Bรคume, nicht eingerechnet die, welche durch BaumaรŸnahmen gefรคllt werden, aufgrund von Schadereignissen. Bedeutet, dass wir trotz StraรŸenbaumprogramm ein zunehmendes Defizit haben und ein Umsteuern nicht sichtbar ist. Auch, weil es am Bewusstsein fehlt, welche ร–kosystemleistung Bรคume erbringen.

Dieses Defizit wiederum hat Folgen in den trockenen und heiรŸen Sommermonaten. Eng stehende Bรคume schรผtzen sich gegenseitig, verhindern die Austrocknung des Bodens, spenden Schatten und kรผhlen. Fehlen Bรคume, fehlt Grรผn und die Stadt heizt sich stรคrker auf. Die Bodenerosion nimmt zu und ausgetrockneter Boden kann Regen weit weniger gut aufnehmen. Bedeutet, dass auch Regengรผsse im Sommer nach lรคngerer Trockenheit weniger Entlastung bringen.

Kipppunkte und regionale Auswirkungen

Jรผrgen Kasek am Rednerpult im Stadtrat.
Grรผnen-Stadtrat Jรผrgen Kasek. Foto: Jan Kaefer

Aller Voraussicht nach werden wir bereits in den nรคchsten Jahren zentrale Kipppunkte des Klimasystems erreichen, die auch auf uns Auswirkungen haben. Einer der spannendsten Kipppunkte ist die Entwicklung des nordatlantischen Strรถmungssystems, das vor Europa auch als Golfstrom bekannt ist und uns vergleichsweise milde Winter beschert.

Bereits in den letzten Jahren war festzustellen, dass sich das Strรถmungssystem abgeschwรคcht hat. Forscher gehen davon aus, dass durch das Abschmelzen des Grรถnlandeises, der Prozess der Abschwรคchung zunimmt bis hin zu einem Ausfall des Golfstroms. Was dazu fรผhren kรถnnte, dass die Winter sogar kรคlter werden.

Auch der sogenannte Polarwirbel, der kalte Luftmassen bindet, ist in den letzten Jahren instabiler geworden. 2021 drang daher polare Luftmassen bis nach Mitteleuropa vor, was hier zu Chaos fรผhrte, wรคhrend am Pol die Temperaturen deutlich zu hoch waren.

Man braucht daher nicht viel Phantasie, um sich mit der Frage von Leipzig 2030 auseinanderzusetzen: Niederschlag wird kostbarer und ungleicher verteilt, Hitzetage und tropische Nรคchte werden deutlich zunehmen, die Stadt wird sich zusรคtzlich aufheizen. Eine Erhitzung dieser Art ist kein Grund zur Freude, da der menschliche Kรถrper bei zu viel Wรคrme nicht vollstรคndig regenerieren kann.

Nicht zufรคllig empfehlen daher ร„rzte, dass die Temperatur im Schlafzimmer bei 18 Grad liegen sollte. Wir steuern aber in eine Zukunft, in der mehr und mehr Nรคchte mehr als 22 Grad haben werden. Was das in einer eng bebauten Stadt und einer Wohnung bedeutet, mag sich jeder selbst vorstellen. Da unser Wettergedรคchtnis allerdings schlecht ist, freuen wir uns eher auf den Sommer, als dass wir uns mit den Problemen auseinandersetzen.

ResilienzmaรŸnahmen und der Ist-Stand

Dabei tรคten wir gut daran, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir Leipzig resilienter planen fรผr das kommende Wetter. Zwar arbeitet die Stadt inzwischen an Plรคnen zur sogenannten โ€žSchwammstadtโ€œ, um Wasser in der Stadt zu halten und mehr Versickerungsflรคchen zu schaffen und hat sich das Energie- und Klimaschutzprogramm gegeben.

Aber die nรผchterne Antwort ist, dass der Wandel schneller kommt als wir reagieren kรถnnen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage von Verzicht und was wir uns noch leisten kรถnnen. Und dies wird auch zunehmend zur sozialen Frage. Die Auswirkungen des Klimawandels treffen vor allem bereits jetzt sozial benachteiligte Schichten und Menschen in prekรคren Arbeitsverhรคltnissen. Schlecht gedรคmmte Wohnung verbrauchen mehr Energie. Wer ausreichend Geld hat, kann sich Klimaanlagen leisten, die wiederum den Stromverbrauch erhรถhen, was wiederum bei Nutzung fossiler Energien den CO2 AusstoรŸ vergrรถรŸert und den Prozess des Klimawandels weiter anheizt.

Doch die Frage des persรถnlichen Verzichts wird gerne vermieden. Und doch werden wir uns mit der Frage auseinandersetzen mรผssen. Private Pools und wasserintensive Golfplรคtze stehen ebenso zur Disposition, wie der gesamte Bereich des Wintersports.

Es wird gern darauf hingewiesen, dass es noch ganz andere Stellschrauben gebe, bevor wir รผber einen individuellen Verzicht reden. Es mag sein, dass dies so ist. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns jetzt mit den Fragen beschรคftigen mรผssen, was wir tun kรถnnen, um uns, nicht den Planeten zu retten.

Der wird auch nach dem Menschen existieren. Ob dieser Planet noch Lebensgrundlage von Menschen sein kann, ist die Frage. Und derzeit, so leid es mir tut, sieht es trotz aller Beteuerung und Absichtserklรคrungen nicht so aus, als ob wir dieses Problem zufriedenstellend lรถsen kรถnnen.

Jรผrgen Kasek ist Jurist, Stadtrat fรผr B90/Die Grรผnen in Leipzig und Vater. 

Rainald Grebe โ€žSachsenโ€œ

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Danke Herr Kasek fรผr diesen Artikel und Ihren Einsatz letzten Sonntag in Stรถtteritz. ๐ŸŒป

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