„Träumen“ ist solch ein absurdes Wort, denkt ihr nicht? Möchte man nicht lieber hoffen, glauben, denken und tun? Aber zuerst muss man träumen. Manchmal träumt man, glaubt aber nicht. Oder man träumt, kann aber nicht hoffen. Gelegentlich vergeht einem vor ganzem Denken das Träumen und dann tut man einfach, ohne geträumt zu haben. Könnt ihr mir noch folgen?

Träumen ist kompliziert. Am liebsten würde ich bescheiden träumen, damit es realistisch bleibt. Um letzten Endes zu verhindern, dass meine Träume platzen. Doch mittlerweile träume ich nicht nur von mir, sondern von uns und da lohnt es sich groß zu träumen.

„Uns“ ist die Community von Leipziger Flinta*s und wir träumen davon, uns wohlzufühlen, geborgen und akzeptiert. Dafür schließen wir uns zusammen in Kollektiven und Communities, versuchen, uns Raum zu schaffen, in dem wir uns verwirklichen und austauschen können. Ein Raum, in dem wir normal und sicher sind.

Also träume ich von Räumen? Quasi. Zu Beginn. Ein Raum bietet Abschirmung und Obdach, aber auch Entfaltung und Häuslichkeit. Von Räumen aus können wir uns organisieren, strukturieren und ein Netzwerk entstehen lassen. „Wir besuchen euch in eurem Raum und dann ihr uns.“

Wenn ich allerdings die Augen schließe, dann sehe ich nicht vier Wände. Ich sehe breite strahlende Gesichter, die zusammen reden und planen und ernste Gesichter, die einander zuhören und unterstützen. Doch wo haben wir Platz, um uns so ungestört zu entfalten? Tja, den Raum müssen wir uns schaffen und das ist harte Arbeit.

Lisa Thalinger alias Ali. Bild: privat
Lisa Thalinger alias Ali. Bild: privat

Unsere Gesellschaft ist randvoll mit kulturellen Aktivitäten und politischen Strömungen. Viele Menschen sind überreizt und setzen bereits Scheuklappen auf. Träumen allein. Warten vielleicht auf einen Impuls, der sie abholt. Diesen Impuls wollte ich mit dem FLINTA CORNER OST bieten. Obwohl die Strukturen in einer Großstadt wie Leipzig zahlreich sind und alle ihre eigenen Träume verfolgen, ist Raum letztendlich nur fiktiv und damit Kopfsache. Der FLINTA CORNER OST hat Leute abgeholt, die Bedarf nach einem Platz im Leipziger Osten haben. Mittlerweile sind wir eine neue Community und probieren uns in unterschiedlichen Räumen aus und netzwerkeln.

Vielleicht ist es für euch immer noch nicht nachvollziehbar, warum ich mir nicht einfach einen Raum miete, wenn ich ihn brauche und dann dort machen und tun kann, was ich möchte. Keine Sorge, ein zu Hause habe ich. Aber meine Träume sind offensichtlich feministischer Natur und das bedarf nicht nur Strategie, sondern auch Unterstützung und Vertrauen. Daran arbeiten wir und wenn wir so weit sind, träume ich von einem 2023 mit einem FLINTA* Open Air und einem 2024 mit einem FLINTA* Festival. Denn solange wir noch auf Partys bedroht sind, in Plena unterbrochen, auf der Arbeit belästigt und nach Hause verfolgt werden, brauchen wir einen abgesonderten und sicheren Raum für unsere starke Community.

Wenn ich das Gefühl habe, dass wir unseren Platz haben, dann werde ich wieder groß träumen und hoffen und denken und tun. Dann werde ich wieder träumen können, von einer feministischen Gesellschaft und hoffen, dass ich mich dort wohlfühle. Aber auch glauben können, dass wir es zusammen schaffen und unseren Raum stetig erweitern und ausschöpfen. Was denkt ihr, ist das noch realistisch oder nur ein Traum von einem Traum?

Mehr aktuelle Träume sowie aus den letzten Jahren auf L-IZ.de 

„Wenn Leipziger/-innen träumen: Die Power eines Raumes“ erschien erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie unter anderem in Großmärkten und Presseshops sowie bei diesen Szenehändlern.

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