Im März setzte der 1. FC Lok Leipzig zusammen mit weiteren Leipziger Partnern und Ehrenamtlern eine bis dahin einmalige Rettungsaktion um. Der Mannschaftsbus des Vereins fuhr mit Hilfsgütern für die Ukraine bis nach Rumänien und holte dort ein fast komplett aus Mariupol geflohenes Kinderheim ab.

Die Kinder und Erzieher hatten sich in einer mehrtägigen Flucht in den privaten Autos der Erzieher von Mariupol, ganz im Osten der Ukraine, 1.500 Kilometer bis nach Satu Mare in Rumänien durchgeschlagen. Hier wurden sie am 15. März 2022 von einer gemischten Delegation aus Leipzig und Ostwestfalen abgeholt und nach Stapellage in Ostwestfalen gebracht.

Dort hat Malermeister David Albrecht allein durch die Hilfe von Familie, Freunden und Einheimischen ein Heim reaktiviert, mit Mobiliar und Lebensmitteln ausgestattet. Wie geht es den rund 50 Personen heute, neun Monate nach der Rettungsaktion?

David Albrecht ist auch im Dezember noch nicht zu bremsen, wenn es um dieses, wie er heute noch viel inbrünstiger sagen kann, „wahnsinnige“ Projekt geht. Was im März als Provisorium begann, hat mittlerweile eine klare rechtliche Absicherung bekommen – auf Druck von fast allerhöchster Stelle.

Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109.
Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109. Foto: LZ

„Dass fast ein gesamtes Kinderheim aus der Ukraine in Deutschland ankommt, hat es bis dahin nicht gegeben, so wollte keiner klare Entscheidungen treffen“, so Albrecht. „Nachdem uns der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst mal besucht hat, haben wir über sein Büro vieles erreichen können.“

Als einen Meilenstein bezeichnet Albrecht, dass das Kinderheim nun mit der August-Hermann-Francke-Familienhilfe einen Träger hat, die Erzieher damit Gehalt bekommen und er und seine Schwester, über die der Kontakt nach Mariupol einst entstanden war, aus der größten Verantwortung raus sind. „Wir betreuen nun noch die Spenden für die Kinder, die wir nach wie vor erhalten.“ Darauf möchte David im Sinne der Kinder auch nicht verzichten.

„Mit diesen Spenden finanzieren wir Sonderaktionen für die Kinder. Ich will nicht, dass sie in der Schule nach den Ferien sitzen und erzählen, sie waren die ganze Zeit im Kinderheim, während andere von ihren Urlauben erzählen.“ Im Sommer soll es daher in den Urlaub gehen – alle 50 Personen. Langeoog oder Norderney wären schön.

Die Besetzung im Haus in Stapellage hat sich seit März 2022 kaum verändert. Zwei Kinder wurden von ihren Müttern abgeholt, die mit ihnen weitergezogen sind. Eine Erzieherin ist mit ihrem Mann, der wie zwei weitere Männer über die Krim nach Deutschland geflüchtet ist, in die USA gegangen. Eine andere ist zurück nach Mariupol gefahren. „Ihr Arbeitgeber hat gesagt, es gebe keinen Beschuss mehr und sie kann zurückkommen.“

Für das Kinderheim ist das aktuell keine Option. „Das Haus in Mariupol hat auch durch unsere Hilfe eine eigene Gasheizung und neue Fenster bekommen“, so Albrecht. Im März hatte sich der größte Teil des strenggläubigen Heims zur Flucht entschieden, einige sind geblieben. Momentan leben dort 35 bis 40 Leute. „Und jeden zweiten Tag kommen noch mal so viele, um dort zu essen und Essen mitzunehmen. Die Infrastruktur ist aber nichts, wo Kinder hingehören, deswegen ist eine Rückkehr auch kein Thema“, so Albrecht.

In der Adventszeit hat sich Albrecht mit seiner Schwester auch um die Weihnachtswünsche der Kinder gekümmert. „Jedes Kind durfte drei Wünsche aufschreiben, einen haben sie schon zum Nikolaus durch eine Sinti-Gemeinde aus Porta Westfalica erfüllt bekommen. Die anderen Geschenke gibt es Weihnachten von einer anderen Gemeinde aus Gütersloh.“ Schon der Nikolaustag war emotional. „Die Kinder haben alle geweint. Warum? Weil sie einen eigenen Fußball, einen Notizblock oder ein kleines Spielzeug bekommen haben.“

Und mittlerweile kann sich der Maler- und Lackierer auch wieder um sein eigenes Geschäft kümmern. „Die ersten drei Monate war ich nur im Heim, um zu helfen. Nun habe ich einiges aufgearbeitet.“ Ganz ohne Kinder geht es aber nicht. Freitags geht Albrecht mit den Kids Fußball- und Volleyball spielen.

Im Frühjahr soll es dann das große Wiedersehen beim 1. FC Lok Leipzig geben. „Die Fußballbegeisterten wollen schon gern in das Stadion der Mannschaft, in deren Mannschaftsbus sie nach Deutschland gekommen sind.“

Internetseite mit Spendenkonto: https://kinderheim-stapelage.de/

Wie geht es eigentlich den ukrainischen Kindern aus dem Kinderheim in Mariupol?“ erschien erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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