Kurz vor Weihnachten braut er sich wieder zusammen: der in Sachsen ach so „normal“, alltäglich gewordene Rechtsextremismus: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lädt den Schriftsteller Uwe Tellkamp in die Berliner Landesvertretung des Freistaates Sachsen ein, damit dieser vor einem erlauchten Publikum weitgehend ohne Widerspruch seine rechtsnationalistischen Thesen und das Narrativ „… wie in der DDR“ verbreiten kann.
Der Bautzener Landrat Uwe Witschas (CDU) knüpft in seiner Weihnachtsbotschaft per Video an die bekannten ausländerfeindlichen Thesen der AfD an und erhält von dieser Partei prompt Beifall. Witschas versichert den Bürger/-innen, dass er nicht vorhabe, „den Sport … jetzt für diese Asylpolitik bluten zu lassen.“ Darum stelle der Landkreis keine Turnhallen für Geflüchtete zur Verfügung.
Er wolle auch nicht „Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und freistehenden Wohnungen unterbringen und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen“. Darum soll es keine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten geben. Dies alles verbunden mit guten Wünschen für das Weihnachtsfest.
Schon Anfang der Woche stimmte die CDU im Bautzener Kreistag für einen Antrag der AfD, der die Kürzung von Integrationsleistungen für ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer vorsieht – für Landrat Witschas kein Problem.
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen wählt mit Dr. Klaus Heckemann einen bekennenden AfD-Anhänger zu ihrem Vorsitzenden, der sich mit einem entsprechenden Vorwort in der Mitgliederzeitschrift bedankt. Gleichzeitig nutzt er das Vorwort, um das Narrativ von der eingeschränkten Meinungsfreiheit zu bedienen, Klima-Aktivisten zu Terroristen und Regierungspolitiker zu „Verbrechern“ zu erklären und natürlich die jetzige Situation mit der DDR gleichzusetzen.
Drei Ereignisse, die eines in erschreckendem Maße verdeutlichen: wie alltäglich der Rechtsextremismus in Sachsen und wie fließend die Grenzen zu einer konservativen Partei wie der CDU geworden sind. Kann es da noch verwundern, dass die Rechtsnationalisten von AfD, Reichsbürgern, Dritter Weg, Freie Sachsen so viel Zustimmung in der Bevölkerung erfahren? Kann es verwundern, dass Bürgerinnen und Bürger in Sachsen nichts dabei finden, wenn sie den sog. kurzen Prozess jenseits aller Rechtsstaatlichkeit für Klima-Aktivisten, Asylbewerber, queere Menschen fordern?
Kann es verwundern, dass die Narrative vom eingeschränkten Meinungskorridor, man dürfe nicht mehr sagen, was man denke, und von der Manipulation durch die Mainstreammedien bei zu vielen Bürger/-innen auf fruchtbaren Boden fallen, wenn dies alles von Mandatsträger/-innen, angefangen vom Ministerpräsidenten über Landräte bis zu Ärztefunktionären, geduldet, unterstützt, gefördert wird oder zumindest im Ungefähren belassen wird?
Es sind die aufgeführten, fatalen Vorgänge und Äußerungen, die gerade in den ostdeutschen Bundesländern den Boden für die Feinde der freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaates bereiten. Das gefährdet die Demokratie sehr viel mehr als das krude Gedankengut von Bürger/-innen, die sich von den rechtsnationalistischen Scharfmachern auf die Straße locken lassen.
Denn sie bieten die Rechtfertigung für das, was eigentlich mit den Grundanliegen menschenwürdigen Zusammenlebens nicht in Einklang zu bringen ist.
Gott sei Dank gilt aber auch das Umgekehrte: Dort, wo führende Persönlichkeiten vor Ort keinen Zweifel an ihrer demokratischen Überzeugung lassen und sich sehr eindeutig den Rechtsnationalisten in den Weg stellen, dort, wo Kita-Leiterin, Schuldirektor, Handwerksmeister, Pfarrer/-in, Bürgermeister/-in ihr Handeln an den Grundwerten der Verfassung orientieren, dementsprechend reden und agieren und klare Kante zeigen, haben die Feinde der Demokratie wenig Chancen.
Denn dort fühlen sich viele Bürger/-innen ermutigt, sich ihrerseits für ein friedliches, demokratisches Zusammenleben von sehr verschiedenen Menschen zu engagieren.
Zum Blog von Christian Wolff: http://wolff-christian.de
Es gibt 3 Kommentare
Vieles wird gerne in die rechte Ecke gedrückt. Früher hat man diskutiert, heute leider wird gerne und schnell mal diffamiert. Es herrscht sehr schnell des Motto, wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Man ist lieber gegen etwas, als sich dem Problem zu stellen.
Grandiose Arbeitsteilung. Der Pfarrer (i.R.) schreibt zur Regionalpolitik und ein atheistischer Regionalpolitiker versucht sich am Weihnachtsmärchen. So entsteht Qualitätsjournalismus.
Der Artikel ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es dringend notwendig ist den Terminus Rechtsextremismus allgemeingültig und interpretationsfrei zu definieren.