Am Montag, 31. Oktober, wurde eine 44-jährige Frau in Berlin von einem Betonmischer überfahren und starb an den Verletzungen am 4. November. Zuerst mein aufrichtiges Beileid an ihren Ehemann, ihre Kinder, Familie und Freunde und mein Mitgefühl für die immer wieder aufgerissenen Wunden durch die Instrumentalisierung des tragischen Todes. Ich möchte hier nicht auf die Umstände, die zu dem Unfall führten, eingehen, nur auf die unsäglichen Folgen, die dieser hatte.

Man muss die Aktionen der „Letzten Generation“ nicht gutheißen, aber die Vorverurteilung in den letzten Tagen war schon „unterste Schublade“. In vielen Medien, besonders in den (a)sozialen Medien wurden die Aktivisten als „Klima RAF“, „Klima Terroristen“ und ähnliches beschimpft, ohne das Ergebnis der Untersuchungen zum Unfall und zu den Rettungsarbeiten abzuwarten.

Besonders Print- und Internet-Medien, u. a. die Springer-Medien, brachten Symbolbilder von Aktivisten, die sich auf der Straße festgeklebt hatten, obwohl sie bei genauerer Recherche leicht hätten feststellen können, dass es sich um zwei Aktivisten auf einer Schilderbrücke handelte. Der Stau, der das Rüstfahrzeug der Feuerwehr behinderte, wurde durch die Teilsperrung der Autobahn, die die Polizei durchführte, erzeugt.

Es liegt mir fern, die polizeiliche Maßnahme einzuschätzen oder zu kritisieren, die mediale Meute erzeugte jedenfalls ein Bild, welches beim nächsten Protest vielleicht einen durchgeknallten Autofahrer dazu bringt, Gas zu geben. Weiter will ich hier nicht gehen.

Schlechte Recherche und einseitige Auslegung der „Vierten Gewalt“ rief natürlich auch die Bundespolitik auf den Plan.

So den Justizminister

Marco Buschmann auf Twitter. Screenshot: Privat
Marco Buschmann auf Twitter. Screenshot: Privat

Ein Allgemeinplatz allein auf „Letzte Generation“ bezogen.

„Wer Krankenwagen blockiert, kann sich unter Umständen der fahrlässigen Körperverletzung schuldig machen.“

Ja, Herr Buschmann, das kann man auch der „Letzten Generation“ sagen, wir werden Sie aber bei anderer Gelegenheit erinnern.

Etwas präziser die Innenministerin:

Nancy Faeser auf Twitter. Screenshot: Privat
Nancy Faeser auf Twitter. Screenshot: Privat

Ich verstehe den Tweet so, dass Nancy Faeser den Aktivisten der „Letzten Generation“ bereits die Schuld zuschreibt und der Polizei einen Freibrief für „hartes Durchgreifen“ gegen Klimaaktivisten gibt.

Es gibt Zeiten, da sollten hochrangige Politiker einfach die Hände von Twitter lassen.

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Es gibt 23 Kommentare

@Thomas Köhler,
“Marco Buschmann hat den Tweet von seinem Account abgesetzt, der ihn als: “Bundesminister der Justiz • Mitglied des Deutschen Bundestags, Es twittern Marco Buschmann und Team Buschmann (TB)” eindeutig beschreibt.” Das ist leider aus den Screenshot nicht ersichtlich, was sich natürlich auf die Interpretation auswirkt. Da eine Einigung auf ein 9€ Ticket als ständige Einrichtung kein Konsens gefunden wurde, ist auch eine Verbesserung des ÖPNV nicht zielführend (ich mag das Wort) da sich etliche Personen es sich bei ihren Einkommen und der aktuellen Kostenentwicklung nicht mehr leisten können.

@fra, Marco Buschmann hat den Tweet von seinem Account abgesetzt, der ihn als: “Bundesminister der Justiz • Mitglied des Deutschen Bundestags, Es twittern Marco Buschmann und Team Buschmann (TB)” eindeutig beschreibt.
Zum Kommentar: “Ich bin für ein rigoroses Abschleppen aller Fahrzeuge die Rettungswege behindern.” Ja, bin ich auch, dazu gab es schon einen, von mir und den Freibeutern initierten, Stadtratsbeschluss “Abschleppen verkehrsbehindernd parkender Kfz”. Der musste leider aus formal juristischen Gründen zurückgenommen werden. Stand auch in der LIZ.
“Weiterhin hätte ich den recht provokanten Vorschlag, das nur PKW-Besitzer mit nachgewiesenen Parkplatz ein PKW besitzen dürfen.” Ich bin nicht für das Tokioter Modell, wenn jmd einen Parkplatz zu Hause für sein Auto hat, dann hat er immer noch keinen wenn er auf Arbeit fährt. MEn muss der ÖPNV zuerst so ausgebaut werden, dass (wie in Tokio) eine solche Maßnahme greifen kann.

@Christian
Ging die ganze Sache um einen Rüstwagen der Feuerwehr. Der an statt 12min 18 min gebraucht hat.
Von einem Krankenwagen sprach der Berlins Feuerwehrsprecher Rolf Erbe, das bezogs sich aber auf andere Fälle.

@fra
Er generiert sie, in dem er durch seine Nachricht impliziert, die Brigade der letzten Generation hätte Krankenwagen blockiert.
Und das wiegt als Justizminister-Tweet noch einmal schwerer.

@fra

Es geht mir nicht ums Persönlich-werden, sondern darum, was so ein Text impliziert.
Jeder würde denken: Man, was denn der @fra da getan, dass sogar Haftstrafen im Gespräch sind.
Es impliziert, dass diese Aussicht mit dem Handeln des Angesprochenen einhergeht.
Und das ist ja gar nicht so.

War also im Beispiel von Herrn B. nicht in Ordnung.
Und er hat damit Vorurteile geschürt, kraft seiner Bekanntheit. Auf Basis von Fake-Facts.

Ich denke, man kann sich da nicht hinter dem “Privatmann” verstecken, nicht in so einem hohen öffentlichen Amt. Da er ja diesen Account auch für alles andere politische Getexte nutzt.
Entweder der Account ist dienstlich ODER privat.

@Christian
Auch wenn Sie jetzt persönlich werden, ist diese Tweet von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch wenn Ihnen wahrscheinlich der volle Umfang der Meinungsfreiheit nicht umfänglich bewusst ist.
Weiterhin hat er den betreffenden Tweet nicht von seinem Account als Justizminister abgesetzt, sondern als Privatmann. Wenn ich den Screenshot richtig interpretiere.

@fra
Dann fänden Sie den folgenden Tweet auch legitim?

Die Kommentare von ‘fra’ können ein Straftatbestand sein.
Wer im öffentlichen Raum Beleidigungen oder üble Nachreden verbreitet, wird durch Strafanzeige verfolgt und kann als Strafe bis zu einem Jahr als Haftstrafe verhängt werden.

@Christian:
Ich wusste nicht das das Wort “können” schon impliziert.
@Thomas Köhler
Ich bin für ein rigoroses Abschleppen aller Fahrzeuge die Rettungswege behindern.
Weiterhin hätte ich den recht provokanten Vorschlag, das nur PKW-Besitzer mit nachgewiesenen Parkplatz ein PKW besitzen dürfen.

Und dieser Zeitung war sehr wichtig, was sie alle getwittert hatten da draußen. Herr Dulig wäre eine Adresse, aber auch “Shame on you” Igor Levit hat sich richtig ins Zeug gelegt. Mir fällt es schwer seitdem in eines seiner Konzerte zu gehen. Aber spätestens seit Frau Kokot sich felsenfest sicher sieht bei der Frage, ob die Demo vor dem Hotel nun richtig war oder nicht („Der Antisemitismus-Vorwurf stand so stark im Raum, dass unsere Reaktion auch im Nachhinein betrachtet die richtige war.“) ist für mich klar, dass die Richtigstellung zu den Vorverurteilungen von denjenigen, die sich besonders schnell bei Twitter verausgabt haben, nicht oder wie üblich ganz, ganz klein kommen wird. Solchen Leuten kommt es auch gar nicht darauf an, dass Konflikte bedächtig oder wenigstens in einem verständigen Zeitrahmen bearbeitet werden (“Es sei auch nach wie vor verstörend, wie lange das Hotel gebraucht habe, überhaupt auf die Vorwürfe zu reagieren”).
Frau Faeser würde ich diesbezüglich tendenziell eher mehr zutrauen, als Herrn Levit oder Frau Kokot.

Der Fall Ofarim einschließlich die Vorverurteilung des Hotelmitarbeiters, was auch in dieser Zeitung moralbesoffen protegiert wurde (Security des Hotel ist aus der Nazi und Hoolszene…), passt analog zum Thema. Sachsen wartet eigentlich schon seit mehr als einem Jahr auf die Entschuldigung von Herrn Dulig zum Ofarimfall… Ach was interessiert mich denn mein Gedöns von gestern…
Politische Demenz ist eben Grundvoraussetzung für manche Parteikarriere…

Das Ganze erinnert an den Fall Ofarim, noch garnicht so lange her. Was haben da alle geschrien und gegen das Hotel gewettert bis sich herausstellte, dass alles anders ist. M.E. sollten sich solch ranghohe Politiker wie Buschmann und Faeser sowie die Gewerkschaft der Polizei nicht so vorschnell äußern. Ihre Aussagen sind für sich betrachtet natürlich korrekt, im Zusammenhang mit dem aktuellen Ereignis stellen Sie allerdings eine Vorverurteilung dar, die nun scheinbar gar nicht so zutreffend ist.

@fra
Herr Buschmann hat aber seinen Tweet eindeutig auf die letzte Generation bezogen, steht ja drüber.
Er impliziert dadurch, das wäre dort so geschehen, und weißt dann auf das Delikt hin.

Da die Diskussion heute früh in den Medien munter weitergeht, und mittlerweile von Kollateralschäden die Rede ist, frage ich mich, warum man nicht auch so aufgeregt über die Kollateralschäden des Klimawandels berichtet.
Aber der wird ja dann solidarisch verteilt und ist Schicksal…

@fra Ja, das stimmt. Steht auch im Text “Ja, Herr Buschmann, das kann man auch der „Letzten Generation“ sagen, wir werden Sie aber bei anderer Gelegenheit erinnern.“ Es gilt aber eben für alle, die durch egal welche Aktionen, dazu gehört auch das Versperren von Rettungswegen durch Falschparker, Rettungskräfte behindern.

Warum soll der Justizminister sich bei der “letzten Generation” nicht etwas beziehen können wo sich auch jeder andere auch schuldig macht. Es ist erwiesen das sich Personen die einen Krankenwagen blockieren sich unter Umständen der fahrlässigen Körperverletzung schuldig machen. Haben die einen Bonus?

Dieses Problem habe ich kurz Aufbauschungsbeginn dieser “Berichterstattung” befürchtet, und es kam dann auch so.

Offensichtlich muss heutzutage jeder woke Politiker ganz schnell reagieren und möglichst der erste sein, der einen Pups auf Twitter o.ä. Verkürzungsschwachsinnsdiensten ablässt, weil spätere Äußerungen dann in der allgemeinen Berichterstattung verloren gehen.
Dumm nur, wenn man auf halbe Fakten und Vermutungen reagiert.

Und schlimm, wenn Vorverurteilungen geschehen, welche wie Teerflecken an den Betroffenen kleben bleiben werden.
Schlimm auch, wenn die Gesellschaft solche Phänomene immer mehr als gegeben und “normal” hinnimmt, und diese als Ersatz für ruhige objektive Berichterstattung anerkennt.
So verkommt unsere Gesellschaft immer mehr. Die Symptome sehen wir ja überall.

Herr Freitag. Ich habe mich noch nie zur Kriegsschuld Russlands oder der Schuld aller anderen in der LIZ geäußert. Offensichtlich sind Sie Hellseher oder eben selbstverfüllender Prophezeier. Das ist offensichtlich Ihre Art des Journalismus
Anderen etwas in die Schuhe zu schieben was sie gar nicht getan haben

Hallo Herr Köhler,
Das war absolut kein Angriff gegen Sie. Und ja, sicher gibt es auch Äußerungen von Bedeutung dort. Aber dass es eine oder absurde Nebenwelt ist, mit unsinnigem Verkürzungswahn, dahin eingehend mit Auf-die-Spitze treiben und unrealistischen Forderungen, sieht man allzu oft. Und auch eine Innenministerin würde dort nichts veröffentlichen, wenn nicht jedes Medium ständig jeden Pups daraus zitieren und damit die Bedeutung überhöhen würde.
Ein linker Politiker fordert auf Twitter die Inbetriebnahme der stillgelegten Gleise in Sachsen. Für mich: weiterblättern und gut.
Würden sich die Medien einfach nicht um solchen Kram kümmern, müsste ich weniger aussortieren beim oder nach dem Lesen.

@Sebastian, Twitter ist längst keine Parallelwelt mehr und ich meine, dass die Äußerung der Innenministerin – egal wo – schon von Bedeutung ist. Wie gesagt, meine Meinung.

Wenn es politisch genehm ist, spricht man von Vorverurteilung bei zu früh abgesetzten Kommentaren. Bei politisch Unangenehmen bedient sich die LIZ regelmäßig dieses politische Werkzeugs. einfach Mal ins eigene Gesicht greifen und die Nase anfassen liebe LIZ

Volle Zustimmung, Herr Köhler.
Solange (auch hier) Twitter von den normalen Medien gespiegelt und aufgegriffen wird, solange wird es Politikern darum gehen schnell irgendwas abzusondern.
Es geht ja mittlerweile schon darum, dass es Verantwortlichen negativ ausgelegt wird, wenn sie erst “Stunden später ihr Mitgefühl getwittert” haben.
Einfach die Finger davon lassen. Nichts dort posten, nichts von dort reflektieren, außer es ist WIRKLICH von Bedeutung.

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