Neulich war ich in Franken und las dort aus meinem neuen Roman. Bezahlt wurde der Auftritt vom Bayrischen Staat, dessen oberster Boss der aktuell weltberühmteste Franke Markus Söder ist. Der Mann hat derzeit einen bundesweiten Politikerfolg zu verbuchen. Es hat zwar etwas gedauert, bis er sich damit abfand, dass der neue Pate der Union Fritze Merz heißt. Aber nachdem seine Trotzphase abgeklungen war, hing Söder sich richtig rein und brachte Schwung in den Oppositionsladen.
Sowieso wird der Markus zu häufig missverstanden. Zum Beispiel dann, wenn er sich im Bundesrat gegen die Einführung des Bürgergelds stemmt. Die er damit begründet, dass es unfair gegenüber hart arbeitenden „kleinen Leuten“ sei, wenn frau/man als Bezieher/-in von Bürgergeld nicht all seine Ersparnisse aufbrauchen muss, bevor man/frau bezugsberechtigt wird.
Damals im Karneval 2014 ist Markus S. auch schon missverstanden worden. Alle glaubten seinerzeit, dass er als Shrek verkleidet zum Kostümball erschien. Dabei trug er doch nur ein etwas verunglücktes Robin Hood Kostüm. Der Markus war halt schon immer ein großer Rächer der Armen und Enterbten. Statt im Nottingham Forest joggt und rauft und schießt der Markus eben im englischen Garten.
Einen winzigen Schönheitsfehler hat sein neuester Imagewandel allerdings. Bei seinem Widerstand gegen das Bürgergeld im Bundesrat bedient er sich nämlich derselben Argumente wie Siegfried Russwurm, der Chef des Bundes der deutschen Industrie.
Siegfried R. stammt ebenfalls aus Franken und raunt in düster alarmierender Wortwahl vom Untergang der deutschen Wirtschaft, falls das Bürgergeld in seiner geplanten Form an den Start gehen sollte.
Er hat bei Siemens und Thyssenkrupp gearbeitet, bevor er es auf den Posten als Cheflobbyist der deutschen Industrie schaffte. Ach ja, bei Tönnies trieb er sich auch herum. Der Siegfried ist, wie der Markus, außerdem vehement gegen die Erleichterung der Sanktionen für Bürgergeldempfänger/-innen.
Wo kommen wir denn auch hin, wenn die Arbeitslosen sich mit ihren Goldbarren im Bankschließfach auf der Putzfraueninsel die Bierbäuche braun brutzeln, während Sigfried R., Fritze M. und Markus S. sich jeden Morgen ins Büro kutschieren lassen, um dort hart am Gerechtigkeitsfaktor des Sozialstaats zu arbeiten?
Tönnies? Wir erinnern uns: Das ist der Schlachthofboss, dessen Mitarbeiter sich für Billiglöhne an Metzgerfließbändern abrackern. Hm, womöglich geht’s dem Fritze, dem Markus und dem Siggi also gar nicht so sehr um Gerechtigkeit, sondern eher darum, den Billiglohnsektor in Deutschland zu erhalten? Der Tönnies hätte sicher noch größere Schwierigkeiten, seine Fließbänder zu bemannen, sollte nicht jeder Arbeitslose weiterhin mit Hilfe mieser Bürokratentricks dazu gezwungen werden können, jeden Scheißjob annehmen zu müssen.
Trotz erheblichen Rechercheaufwands ist es mir zwar nicht gelungen festzustellen, welche Kostümierung Siegfried Russwurm beim Karneval bevorzugt. Aber unzuverlässigen Quellen zufolge soll er schon mal als Sheriff von Nottingham hinter einem Biertisch bei einer Betriebsfeier von Tönnies gesehen worden sein.
Haben wir etwa jahrhundertelang die Sage von Robin Hood missverstanden? Hat der in Wahrheit niemals die feisten Pfaffen und Hofschranzen ausgeplündert, um deren Geld an die Armen und Enterbten zu verteilen, sondern arbeitete mit dem Sheriff von Nottingham zusammen, erleichterte die Armen um ihre paar Pennys und schanzte die dann den Pfaffen und Hofschranzen zu.
Und welche Rolle spielt dann Fritze Merz? War der König Löwenherz? Oder entspricht der nicht doch eher der holden Maid Marian, Robin Hoods großer, aber tragischer Liebe?
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