Als vor einigen Monaten Frank Beutners Telefon klingelte und sich auf der anderen Seite der Leitung das Sächsische Justizministerium meldete, musste er erst einmal stutzen. Schnell wurde aber klar: Er war nicht in Schwierigkeiten geraten, vielmehr war dieser Anruf der Startschuss für eine Projektreihe, welche nun, Anfang Oktober, ihren Anfang nahm.
Denn das – nennen wir es einmal beim vollständigen Namen – Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) fand den Gedanken bestechend, im Rahmen der Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung der Sächsischen Aufbaubank (SAB) ein Bürgerjournalismus-Programm auf die Beine zu stellen.
Seit Jahren engagiert sich Beutner gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Uferleben Störmthaler See e. V. dafür, die touristische Weiterentwicklung am Störmthaler See naturnah und umweltgerecht zu gestalten. Auch dabei spielt die Beteiligung und das „Sich aktiv einbringen“ eine wichtige Rolle.
Und so entstand gemeinsam mit der Leipziger Zeitung, in welcher Beutner bereits einige Gastbeiträge veröffentlicht hatte, der Vorschlag an das Justizministerium, ein erstes echtes Bürgerjournalismus-Projekt samt Workshop-Reihe überhaupt anhand der Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen auf die Beine zu stellen.
Somit war klar, worum es gehen würde: Menschen die Instrumente in die Hand zu geben, die Themen, die sie in ihrem nahen oder auch entfernten Umfeld beschäftigen, aufzubereiten und schließlich selbst zu publizieren.
Und sich so aktiv zu beteiligen „am hiesigen Geschehen“ und potenzielle Leser/-innen sozusagen „mit ins Boot zu holen“. Eine Möglichkeit des Ausdrucks und der Verbreitung eigener Schwerpunkte soll gefunden werden, um damit schließlich Menschen aus der persönlichen „Blase“ hinaus zu erreichen.
Kennenlernen mit Schloss-Ambiente
Am 8. Oktober kamen auf Schloss Belgershain zum ersten Mal interessierte Bürger/-innen aus Colditz, Großpösna, Leipzig, Dresden, Ölzschau und Böhlitz zusammen mit Mitgliedern des UferLeben e. V. und der LZ zum Workshop „Bürgerjournalismus als sächsische Beteiligungsoption – Pilotierung eines Weiterbildungsformates für Bürgerjournalisten“, um mehr zu lernen über journalistische Arbeit, um sich zu vernetzen und zusammen an Themen und deren redaktioneller Umsetzung zu arbeiten. Es ist eines von 12 Projekten in Sachsen, die den Zuschlag für eine Förderung durch die Sächsischen Aufbaubank (SAB) erhalten haben.
Schon während der Kennlernrunde, in welcher in Zweiergruppen zunächst „abgeklopft“ wurde, mit welchem Thema die Teilnehmenden an diesem Samstag ins Schloss gekommen waren, wurde deutlich, welcher Wunsch, oder vielmehr welche Motivation, über der Gruppe schwebte: Beteiligung.
Fast jeder vorgetragene Themenvorschlag war aus der Frage entstanden: Wie kann die oder der einzelne Bürger/-in auf das „große Ganze“ einwirken? Mit dieser Frage gingen persönliche Situationen einher, die die Teilnehmenden dazu gebracht hatten, „etwas tun zu wollen“.
Gerade in Zeiten der Krisen und Unsicherheit sind dies oft „Kampfthemen“: Da gab es zwei Bewohnerinnen des Wagenplatzes „Karl Helga“ in Leipzig-Plagwitz, welche nach dem Grundstücksverkauf an die CG-Gruppe befürchten, ihren Platz zu verlieren. Oder die Jugendlichen vom GoTeam in Colditz, die mitbestimmen wollen, wie sich ihre Stadt entwickelt.
Oder der stillgelegte Steinbruch am Holzberg bei Böhlitz, der durch die Firma KAFRIL mit Bauschutt verkippt werden soll. Oder die problematische Frage, wie künftig die Wasserversorgung in der Region in und um Leipzig gesichert werden kann. Oder, oder, oder …
Diese Thematiken galt es, mit den richtigen „Werkzeugen“ aufzuarbeiten, die LZ-Gründer Robert Dobschütz den Teilnehmenden in die Hand gab. Wie wird eine gründliche Recherche betrieben? Welche verschiedenen Arten redaktioneller Texte gibt es und welche rechtlichen Grundlagen der Publikation müssen beachtet werden?
Neben allen formalen Inhalten blieb außerdem Zeit für einen Besuch im Secret Garden, der alten Gärtnerei Belgershain, wo Stephan Schürer, der ebenfalls Mitglied im Uferleben Störmthaler See e. V. ist, allen Teilnehmern die Gemüsebeete, Streuobstwiesen und auch zu dieser Jahreszeit noch strahlend blühende Astern zeigte.
Ganz nebenbei gab es eine kleine Einführung in die Vielfalt essbarer Blüten. Blumen und Streuobst sollten aber nicht die einzige Mahlzeit bleiben: Ebenfalls von der Gärtnerei wurde auch ein Teil der Lebensmittel bezogen, die die „Anstalt für Koch- und Lebensmittelkultur“ direkt zu einem an Ort und Stelle zubereiteten Mittagessen verarbeitete.
Dazwischen, dabei und danach immer wieder: erzählen, austauschen, kennenlernen. Die Chemie untereinander war schnell hergestellt, jede und jeder fühlte sich auf die eine oder andere Weise thematisch miteinander verbunden.
Auch der seit dem 1. September im Amt sitzende Bürgermeister von Belgershain, Guido Mai, ließ es sich nicht nehmen, bis in die Nachmittagsstunden am Workshop teilzunehmen, später stieß noch sein Amtsvorgänger, Thomas Hagenow, zur Gruppe dazu.
Nächste Runde auf dem Wagenplatz
Nach etwa acht Stunden endete die erste Runde des Projekts „Bürgerjournalismus“ in Belgershain. Der zweite Workshop wird am 12. November auf dem Wagenplatz „Karl Helga“, sozusagen direkt am Ort des Geschehens, stattfinden. Dann kann in gemeinsamer Runde ausgewertet werden, woran die/der eine oder andere in der Zwischenzeit bereits gearbeitet hat. Vor allem soll der nächste Workshop Raum bieten, um an Texten zu arbeiten und Ideen zu diskutieren.
Bis dahin werden vielleicht schon die ersten Beiträge im einen oder anderen Kopf ihre Form annehmen. Regelmäßige Online-Austausche in der Zeit bis zum nächsten Workshop sollen dabei helfen, Fragen zu beantworten und Unterstützung beim Recherchieren zu liefern.
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