Nach dem großen Demomontag vor einer Woche rufen heute, am 12. September, erneut mehrere Gruppen zu Aktionen in Leipzig auf – diesmal aber unter etwas anderen Vorzeichen. Insgesamt erinnert die Situation wieder stark an die meisten Montage, an denen „Querdenker“ in der Innenstadt unterwegs sind und ein mehr oder weniger großer Protest dagegen stattfindet. Diesmal hat sich jedoch Szeneprominenz angekündigt. In Paunsdorf ist zudem eine Demo gegen Polizeigewalt geplant. Die Leipziger Zeitung (LZ) begleitet das Geschehen im Liveticker.
Den Auftakt bildet ab 18 Uhr die Demonstration der „Internationalen Jugend“ in Paunsdorf. Anlass ist der tödliche Polizeieinsatz in der vergangenen Woche. Zur gleichen Zeit möchte das „Solidaritätsnetzwerk“ auf dem Augustusplatz gegen Inflation und Teuerungen protestieren – die einzige Versammlung, die heute ein bisschen an das Geschehen in der Vorwoche erinnert.
Weiter geht es um 18:30 Uhr auf dem kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz, wo die Initiative „Leipzig Schwurbelfrei“ zur Kundgebung aufruft. Anlass dafür ist die Demonstration von „Querdenkern“, die eine halbe Stunde später in direkter Nähe beginnen soll.
Dort soll diesmal unter anderem der überregional bekannte Querdenker „Björn Banane“ erscheinen. Zudem mobilisieren heute eindeutig rechtsradikale Kreise zu der Versammlung. Auch in Engelsdorf wollen an diesem Abend wieder Rechte und Verschwörungsfans auf die Straße.
18:15 Uhr
Kurz nach 18 Uhr versammeln sich circa 25 Personen an der Straßenbahn-Haltestelle Ahornstraße in Paunsdorf. Unter dem Motto „Zusammenstehen gegen Polizeigewalt“ hat die „Internationale Jugend“ dazu aufgerufen.
Zunächst ist die Stimmung sehr ruhig; die Teilnehmenden kommen mit einigen Passanten ins Gespräch. Einige Teilnehmende haben rote Fahnen und ein Banner mit der Aufschrift „Antifaschistischen Selbstschutz aufbauen” dabei.
Der Anmelder informiert die Anwesenden, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Auflagen verlesen werden und dann zunächst ein Fußweg von fünf Minuten zum eigentlichen Kundgebungsort – dem grünen Bogen – bevorsteht.
18:45 Uhr
Mit Parolen gegen die Polizei und Redebeiträgen, die tödliches Polizeihandeln thematisieren, ziehen circa 25 Personen durch Paunsdorf. Flankiert von mehreren Polizeifahrzeugen sind Sprechchöre wie „Bullen, Lügner, Schweine, Mörder“ und „Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit“ zu hören. Der Aufzug erreicht den Grünen Bogen, wo es weitere Redebeiträge und ein Offenes Mikro geben soll.
19 Uhr
Auch in der Innenstadt haben die Versammlungen mittlerweile begonnen. Nach unseren Schätzungen befinden sich etwa 200 bis 250 Menschen bei den „Querdenkern“ und knapp 100 beim Gegenprotest von „Leipzig Schwurbelfrei“.
19:15 Uhr
In Paunsdorf ist das Demogeschehen bereits wieder beendet. Der Aufzug endet dort, wo er angefangen hat: an der Straßenbahn-Haltestelle Ahornstraße. Die Teilnehmenden räumen ihre Fahnen und Banner ein und reisen ab.
Insgesamt verlief die Demonstration ohne Zwischenfälle. Eine getragene Vermummung wurde sofort nach Ermahnung durch die Polizei heruntergenommen. Das Viertel ist zunehmend wieder vom montäglichen Feierabendverkehr geprägt.
Zwischendurch riefen einige Leute von ihren Balkonen ihren Unmut über die Demo herunter. Dort wiederum rief man Parolen wie „Was man hier in Paunsdorf braucht, Mieten runter, Löhne rauf“ oder „Hoch die internationale Solidarität“.
19:30 Uhr
Auf der Bühne bei den Querdenkern bedankt sich bei allen, die vor einer Woche auf der Straße waren – sei es bei der Linkspartei oder bei den rechtsradikalen „Freien Sachsen“. Anmelderin Anette H. war vergangene Woche ebenfalls dabei. Vorwürfe, gemeinsame Sache mit Neonazis zu machen, weist sie zurück.
Ebenfalls auf der Bühne tauchen Busfahrer Thomas Brauner und „Querdenken“-Aktivist „Björn Banane“ auf. Ersterer zweifelt die „Berechtigung“ der aktuellen Bundesregierung an.
19:45 Uhr
In Engelsdorf sind heute ebenfalls wieder „Querdenker“ auf der Straße – diesmal sind es schätzungsweise 100.
Auf Twitter melden Nutzer/-innen heute auch wieder kleinere Aktionen im Leipziger Umland, zum Beispiel in Borna und Bad Lausick.
19:45 Uhr
Der Demozug der „Querdenker“ hat das Neue Rathaus erreicht. Björn Banane, geimpfter Impfgegner, feuert den Zug an der Spitze an. „Widerstand, Widerstand“-Rufe und er habe „ganz viele Ausländer als Freunde“, nachdem er am Rand stehende Passant/-innen auffordert, sich einzureihen. Der Demozug ist etwa 400 bis 500 Menschen groß.
Zusammen mit Thomas Brauner performt Banane einen Song über den „Sommer der Freiheit“. Naja, der ist bald vorbei.
20 Uhr
Auf dem Dittrichring haben es Aktivist/-innen mit einer Blockade gegen die „Querdenker“ probiert; diese wurde jedoch einfach umlaufen. Weitere Gegendemonstrant/-innen laufen etwa 100 Meter hinter der Demo. Es sind „Nazis raus“-Rufe zu hören. Allzu viel haben sie den „Querdenkern“ heute allerdings nicht entgegenzusetzen.
20:15 Uhr
„Politiker weg – Souverän her“ ist auf dem Frontbanner der „Querdenker“ zu lesen. Das klingt mal wieder verdächtig nach Reichsbürgern, denen zufolge Deutschland noch immer ein besetztes Land ist. Passend dazu auch die heutigen Gäste von der „Bürgerbewegung Leipzig 2021“, die vor allem in ihrem Telegram-Kanal von Beginn an ähnliche Inhalte verbreitet hatten.
Unterwegs kommen sich „Querdenker“ und Gegenprotest zumindest verbal immer mal wieder nahe. Die Polizei geht aber meist schnell dazwischen.
20:45 Uhr
Vor den Höfen am Brühl wurde ein Gegendemonstrant unter Anwendung von Zwang mitgenommen und schließlich im Polizeiauto abgeführt. Dabei wurde von der Polizei auch in die Kamera eines Fotografen der LZ gegriffen.
Sitzblockaden gab es unterdessen nicht nur auf dem Dittrichring, sondern zum Beispiel auch vor dem Hauptbahnhof. Gegen die Teilnehmer/-innen dieser Sitzblockade läuft eine Polizeimaßnahme. Die Polizei hat die Blockade offenbar nicht als Versammlung eingestuft, sondern als Verhinderungsversuch der „Querdenken“-Demo, die weiter um den Ring läuft.
21:15 Uhr
An diesem Abend gehört die Innenstadt den Rechten. Der Gegenprotest ist zahlenmäßig weit unterlegen und hängt mittlerweile fast vollständig bei einer Polizeimaßnahme fest. Diese richtet sich gegen etwa zehn ehemalige Teilnehmer/-innen einer angeblichen Verhinderungsblockade vor dem Hauptbahnhof.
An der Spitze der „Querdenken“-Demo laufen unterdessen einige prominente Figuren der rechten Szene in Leipzig. In anderen Städten sieht es heute ähnlich aus. In Chemnitz beispielsweise liest man auf dem Fronttransparent nationalistische „Unser Volk zuerst“-Töne.
0:15 Uhr: Wieder zu Hause, ein Fazit
Gegen Ende des Abends wird es wieder ruhiger. Während sich etwa 21 Uhr auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz die auch heute wieder von Neonazis wie dem „Bürgerbewegung Leipzig“-Macher Volker Beiser begleiteten „Querdenker“-Demo noch ein wenig zu Klängen mit „Björn Banane“ selbst feiert und sich die Menge langsam in kleinen Gruppen zerstreut, werden an der Goethestraße, Ecke Wagnerstraße die letzten Gegenprotestierenden aus der polizeilichen Maßnahme entlassen.
Bemerkenswert, wie dadurch heute die zahlenmäßig relativ schmal besetzte Polizei nach dem letzten Sitzblockade-Versuch so die beiden Lager trennte und so auch den widerspruchsfreien Gang des rechten Bündnisses aus „Bewegung Leipzig“ und weiteren Gruppierungen möglich machte.
Etwas später wird der Heimweg von drei LZ-Reportern noch durch eine handfeste Drohung eines sichtlich betrunkenen Demo-Teilnehmers im Leipziger Zentrum versüßt, welcher noch kurz vorher am Frontbanner der „Querdenker“ lief.
Mit einem fröhlichen „Irgendwann erschieß ich Euch auch noch“ endete heute ein Demonstrationsgeschehen in Leipzig, was vor allem eines zeigt: In Zeiten von steigenden Preisen und Krisen haben selbst Schwätzer wie „Björn Banane“ Hochkonjunktur. Der Zuspruch zur Demo ist gestiegen, die kommenden Wochen könnten also spannend werden.
Auch und gerade wegen einer Politik, die aktuell noch keine echten Anschlusslösungen für das 9-Euro-Ticket oder einen echten Energiepreisdeckel im Angebot haben kann oder will. Dennoch gilt wohl: geschrien ist schnell, Lösungen dauern. (MF)
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Es gibt 5 Kommentare
@gerd stefan: PS.: Der Zuspruch ist gestiegen gegenüber den normalen Montagsdemos zuvor: also denen vor dem letzten Montag mit Elsässser, Kohlmann und anderer rechter Prominenz der “Freien Sachsen” in Leipzig.
Habe ich hiermit gern präzisiert, da es wirklich im Liveticker etwas irrig steht.
@gerd stefan Warum lügen Sie (absichtsvoll?)?
Zitat aus dem Ticker von letztem Montag: “Dennoch sind auch auf Seiten der „Freien Sachsen“ heute über 1.000 Teilnehmende zu verzeichnen gewesen”. Link: https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2022/09/liveticker-le0509-irgendwas-mit-heiss-und-eiskalt-videos-469355
Im aktuellen Ticker über diesen Kommentaren stehen bis zu 500 Menschen. Es könnten auch 600 gewesen sein, ja. Aber wenn Sie die Ticker nicht lesen, um anschließend in zwei aufeinanderfolgenden Kommentaren Unwahrheiten (über unsere Arbeit) und Häme zu verbreiten, ist das wirklich nicht das Niveau, worauf wir uns hier auf dieser Plattform immer wieder versuchen zu einigen.
Konstruktive Kritik jederzeit. Solche Versuche der Irreführung bitte ich Sie wirklich zu unterlassen.
Wie kommt es, dass hier in der L-IZ regelmäßig die Gesichter von eher linken/alternativen Demo-Teilnehmern verpixelt werden, oder sie ihre Gesichter für das Bild wegdrehen, aber bei den anderen Demos fleißig draufgehalten wird? Der Wunsch nicht gefilmt zu werden dürfte ja bei beiden Gruppen hinreichend artikuliert worden sein in der Vergangenheit.
Bei der zwei-Bilder-Strecke, bei der ein Mann am Boden liegt (das könnte der Moment seiner Verbrinung ins Polizeiauto sein) ist sogar seine Beintättowierung unkenntlich gemacht worden.
Eine sehr gute Frage. Während sich durch friedliche Blockaden der Gegenprotest immer wieder einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen könnte (wenn die Versammlungsanmeldungen der “Spontis” abgelehnt werden & sie dennoch dableiben), sind die Versammlungen der “Bewegung Leipzig” oder “Bürgerbewegung Leipzig” angemeldete Demonstrationen. Und diese sind ja angeblich immer friedlich und vom Geist des “Gesicht zeigens” geprägt.
Während also bei den Gegenprotesten dieser Art gilt, dass Journalisten nicht Teil der Strafverfolgung sein sollten (also keine Polizeiarbeit machen), gilt bei Versammlungen das öffentliche Interesse.
Zur Beintätowierung und Polizeimaßnahmen generell. Bei Ingewahrsamnahme von Personen gilt immer – sofern sie nicht Personen des öffentlichen Lebens / Prominente sind – die Identität der Beschuldigten zu schützen.
Dies soll laut deutschem Pressecodex Vorverurteilungen vorbeugen, gilt deshalb auch bei Angeklagten vor Gericht und soll zudem vor allem jene schützen, die unter Umständen unschuldig in einer Polizeimaßnahme gelandet sind. Denn merke: auch die Polizei macht nicht alles richtig. Die Moderation
Wenn man eben nur in der Lage ist bis 250 zu zählen, dann muss man eben dann mal die Antifa-Jünglinge zählen lassen. Am Ende rechnet man einfach die Leute, die gezählt haben zusammen multipliziert dass Ergebnis mit 250 und kommt auf die richtige Zahl. Ãœbrigens dass von der Liz selbst gedrehte Video zeigt die Anzahl, man kann also nochmal nachzählen und aktualisieren…
Irgendwas kann mit den hier angezeigten Teilnehmerzahlen nicht stimmen. Letzte Woche stand bei den Querdenker was von 400 bis 500. Im aktuellen Artikel was von 200 bis 250. Gleichzeitig steht am Ende, dass der Zuspruch zur Demo gestiegen ist. Wass denn nun ?