Es war die Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2021, als eine anfangs klein wirkende Aktion am Flughafen Leipzig/Halle startete. Unter dem Slogan โCancelLEJโ blockierten fรผr eine knappe Stunde rund 50 Aktivistinnen unter den Augen eines LZ-Fotografen eine Zufahrt zum DHL-Hub. Vor Ort selbst wirkte kaum etwas gefรคhrlich, auf Nachfrage hin meldete der Landtagsabgeordnete Marco Bรถhme (Linke) eine Spontandemonstration an. Im Anschluss jedoch entwickelte sich ein Umgang mit der Kurzzeitaktion, welche heute Nacht, ein Jahr spรคter, zu einer Demo im Leipziger Sรผdosten fรผhrt.
Die Nachwirkungen fรผr jene Aktivist/-innen, die รผber das normale Maร einer Demonstration hinausgehen, sind meist lรคnger, als in der รffentlichkeit wahrgenommen. Ob sie sich nun mit ihren Hรคnden auf der Straรe festkleben, Bagger oder Hรคuser besetzen oder vor einer DHL-Zufahrt Platz nehmen: immer kommt etwas nach, meist auf Strafanzeigen von Hausbesitzern, Kohleunternehmen oder angehaltener Automobillenker/-innen hin mahlen die Mรผhlen der Gerichte.
Am 10. Juli 2021 jedenfalls erstattet in den frรผhen Morgenstunden die DHL Strafanzeige, was die anfangs noch defensiv agierende Polizei zur Tat schreiten lieร. Statt die jungen Leute nach der kurzfristig angemeldeten Demo nach Hause zu lassen, wurden sie eingesammelt und auf das Leipziger Polizeihauptrevier in die Dimitroffstraรe gebracht.
Hauptgrund dafรผr war, dass die Aktivistinnen keine Angaben zu ihren Personalien machen wollten, wรคhrend die DHL bereits in der Nacht frank und frei in die Welt setzte, sie hรคtten einen Schaden von 1,5 Millionen Euro angerichtet. Zeitgleich wurde bekannt, dass eine zweite Zufahrt zum DHL-Hub verschlossen war und erst spรคter geรถffnet wurde. รffentlich richtig dramatisiert wurde dann alles noch durch eine polizeiliche Wiedergabe der DHL-Darstellung, es seien Arzneimittel und Impfstoff von der Blockade betroffen gewesen.
Bis heute ist nicht ganz klar, welche maรgeblich durch die DHL via Polizei bekanntgegebenen Details nun stimmten.

Wรคhrend an diesem 10. und 11. Juli 2021 in den Medien noch รผber รผber Sinn und Unsinn solcher Blockadeaktionen resรผmiert wurde, scheint es auch im Polizeigewahrsam nicht korrekt zugegangen zu sein. So jedenfalls die Darstellungen der dort รผber mehrere Stunden einsitzenden Aktivist/-innen, die nach ihrer Entlassung Vorwรผrfe der sexualisierten Gewalt gegen die Polizei selbst vorbrachten.
Bis heute ist โ soweit der Redaktion bekannt โ keiner der Fรคlle rings um die Blockade oder die Vorgรคnge im Gewahrsam der Polizei vor Gericht verhandelt worden.
Linkenpolitiker Marco Bรถhme fasste die Vorwรผrfe gegen die Polizei so zusammen: โDie Rede ist von sexuellen รbergriffen, DNA-Zwangsentnahmen und der Verweigerung regelmรครiger Toilettengรคnge. Die Betroffenen hรคtten durch Dauerregen vรถllig durchnรคsst in Unterwรคsche und ohne Decken in kalten Zellen sitzen mรผssen, Nahrungsmittel seien nur in Form von sogenannten 5-Minuten-Terrinen ausgereicht worden.โ
Die Demonstration
Fรผr die damals Betroffenen, Freunde und Bekannte von ihnen ist die Sache also bis heute nicht wirklich ausgestanden. Aktuell haben sich jedenfalls aus diesem Grund etwa 20 Menschen an der Zweinaundorfer Straรe Hรถhe Lilo Herrmann Park versammelt und ziehen durch das Viertel im Leipziger Sรผdosten.
Update 22:40 Uhr: Demo beendet und ein Text im Netz
Was kurz nach 22 Uhr ohne Polizei auf Hรถhe des Lilo-Herrmann-Parkes begann, endet auch so. Jetzt, gegen 22:35 Uhr, hat sich die Demonstration im Lene-Voigt-Park bereits wieder aufgelรถst, als die ersten Polizeisirenen ertรถnen. In einem auf Indymedia erschienen Text haben die Macher den Grund fรผr die heutige Aktion umrissen.
Da heiรt es: โVor genau heute vor einem Jahr wurden die Aktivist/-innen von Cancel LEJ aus der GESA in der Dimitroff-Wache in Leipzig entlassen. Aus einer GESA in der sie sich nicht nur โรผblicherโ Repressionen stellen mussten, sondern auch sexualisierter Gewalt, dem Entzug von Toiletten- und Nahrungsversorgung, sowie DNA-Zwangsentnahmen. รbermรครige und Unverhรคltnismรครige Repressionen sind fรผr die Linke Szene und Klimaaktivist/-innen zum Alltag geworden. Wir mรผssen akzeptieren ohne Grund geknรผppelt zu werden, gepfeffert zu werden (โฆ) Unsere Wut, die der Repressionsapparat Polizei auslรถst ist immens!โ
Dass sich die Vorgรคnge wรคhrend der Gewahrsamnahme vor einem Jahr nicht wirklich werden klรคren lassen, deuten die Schreiber/-innen am Ende an. Hier sei โniemand dabei (โฆ) um Repressionen zu dokumentieren und sich Opfer nicht trauen etwas zu sagenโ, dann bedeute das, โdass diese Behรถrde ihre Macht und ihre Gewalt ausweiten kann.โ
Nachtrag: Die Polizei ist vor Ort, befragt Zeugen und untersucht den Gehweg vor der รถrtlichen Sparkassenfiliale. Offenbar stammt der Schaden dort von der Demonstration.
Nachtrag: Polizeimeldung zur Demo
Am heutigen 12. Juli 2022 meldete die Polizei zum gestrigen Einsatz in der Zweinaundorferstraรe, es habe sich bis etwa 22:30 Uhr โeine Gruppe von circa 20 bis 30 schwarz gekleideter und vermummter Personen auf der Zweinaundorfer Straรe stadteinwรคrts in Richtung Breite Straรeโ bewegt.
Dabei sei Pyrotechnik gezรผndet und โin Hรถhe der Ungerstraรe aus der Gruppierung der Versammlung heraus mehrere Steine in Richtung der Filiale einer Bank geworfenโ worden.
Die von Zeugen des Geschehens gerufenen Beamten stellten an mehreren Scheiben Sachschรคden fest, welche noch nicht genau beziffert werden kรถnnen. โEs wird wegen Landfriedensbruchs in Zusammenhang mit der nicht angezeigten Versammlung ermittelt.โ
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