Von einer anerkannten jüdischen Gemeinde in Leipzig kann erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Rede sein. Doch die Wurzeln reichen viel weiter zurück. Mittelalterliche Quellen deuten schon für das 13. Jahrhundert auf die Existenz einer jüdischen Gemeinschaft in der Stadt hin. Um 1450 wurden die Juden aus Leipzig vertrieben – so die Vermutung, die nicht direkt bewiesen, aber aufgrund der Kenntnis aus anderen Städten wie Erfurt und Dresden naheliegend ist.
Es folgten rund 250 Jahre, in denen zwar von Juden in Leipzig die Rede sein kann, nicht aber von Leipziger Juden im Sinne von Stadtbewohnern: Eine Ansiedlung blieb ihnen verwehrt, während sie als Messebesucher geduldet und als Geschäftspartner durchaus willkommen waren. Dies dürfte bereits im Mittelalter der Fall gewesen sein. Der Anteil jüdischer Kaufleute, die zu den Messen aus anderen deutschen Regionen und dem Ausland nach Leipzig reisten, stieg bis Ende des 18. Jahrhunderts – trotz diskriminierender Auflagen, wie etwa Sondertribute.
Brühl als Zentrum jüdischen Lebens
Seit 1710, als sich der Hamburger Jude Gerd Levi (1659–1739) mit seiner Familie hier niederlassen durfte, kam es ungeachtet antisemitischer und antijudaistischer Ressentiments von Geschäftsleuten und des Rats von Leipzig zu einer bescheidenen Neuansiedlung von Juden in der Stadt.
Ihr Wohnrecht war an eine Konzession des Landesherrn und die Leistung einer Personensteuer geknüpft. Um 1785 sind sechs jüdische Familien in Leipzig bekannt.
Im 19. Jahrhundert wuchs ihre Zahl. Besonders der Brühl, dessen östlicher Teil im Volksmund „Judenbrühl“ genannt wurde, entwickelte sich als Wohnort und Handelsplatz zum lokalen Zentrum jüdischen Lebens.
Eine durch Sachsens Regierung anerkannte Gemeinde konstituierte sich erst im Juni 1847 nach jahrelanger Reiberei mit den Behörden und Streit innerhalb der Gemeinschaft, etwa zwischen reformorientierten Juden und Anhängern der Orthodoxie. Die 1938 durch Brandstiftung zerstörte Synagoge an der Gottschedstraße wurde 1855 geweiht.
Blütezeit und Massenvernichtung
Kurz vor Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 waren letzte Schranken beseitigt, die den Aufenthalt der jüdischen Bevölkerung in Sachsen auf Dresden und Leipzig begrenzt sowie ihre Geschäfte reglementiert hatten. Es folgte ein starker Zuzug von Juden etwa aus Russland, Rumänien und Galizien. Viele ließen sich in der nördlichen und westlichen Vorstadt nieder, darunter das Waldstraßenviertel.
Die Weimarer Republik gilt als Blütezeit des jüdischen Lebens in Leipzig, laut Volkszählung von 1925 gehörten damals 12.594 Menschen zur Israelitischen Religionsgemeinde der Stadt. Unter dem Terror-Regime der Nationalsozialisten wurden bis 1945 etwa 2.000 jüdische Verfolgte aus Leipzig verschleppt und geschätzt 6.000–8.000 ermordet.
Renaissance nach 1989/90
24 Jüdinnen und Juden, die den Holocaust in Leipzig überlebt hatten, gründeten 1945 die Israelitische Religionsgemeinde neu. In den frühen fünfziger Jahren wurden ihre Mitglieder auch durch die SED-Diktatur drangsaliert, Dutzende setzten sich in den Westen ab. Im November 1989 umfasste Leipzigs jüdische Gemeinde gerade einmal 35 Personen.
Nach dem Kollaps der DDR und der Wiedervereinigung sorgte die Migration von Juden unter anderem aus der früheren Sowjetunion für eine Renaissance jüdischen Lebens in Leipzig. 1.171 Mitglieder zählte die Israelitische Religionsgemeinde Ende 2020.
„Vertreibung, Wiederansiedlung, Neubeginn: Die Geschichte der Juden in Leipzig war ein Wechselbad“ erschien erstmals zum Schwerpunktthema am 27. Mai 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 102 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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