Seit 2014 herrscht Krieg in der Ukraine. Und seit dem 24. Februar fรผhrt Russland eine Groรoffensive, welche darauf abzielt, das gesamte Staatsgebiet der Ukraine unter Kontrolle zu bringen und die demokratisch gewรคhlte Regierung in Kiew zu stรผrzen. In Leipzig fanden am Samstag, dem 26. Februar, zwei Demonstrationen statt, die sich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine sowie den bisherigen Umgang der Bundesregierung mit dem Konflikt richteten. Beide Demonstrationen waren von sehr unterschiedlichem Charakter und stellten teils gegensรคtzliche Forderungen.
Um 15 Uhr startete eine vom linken Studierendenverband SDS und der โInterventionistischen Linkenโ organisierte Kundgebung am Wilhelm-Leuschner-Platz. Redebeitrรคge gab es vom SDS, der โInterventionistischen Linkenโ und Stadtrรคtin Juliane Nagel (Die Linke). Der โKremlโ wurde klar โals Hauptaggressorโ benannt. Der SDS gab aber zu bedenken, โdass der Krieg kein isoliertes Ereignis ist, sondern im Kontext lang anhaltender imperialistischer Auseinandersetzungen steht.โ
Gegen Waffenexporte
Die Redner/-innen sprachen sich fรผr eine friedliche Lรถsung aus und lehnten Waffenexporte in die Ukraine entschieden ab. Die Rรผstungsindustrie wurde als groรer Profiteur von Kriegen benannt. Zudem forderte Juliane Nagel, Flรผchtende aus der Ukraine, aber auch jene, โdie immer noch im Transit, zum Beispiel an der Grenze zwischen Polen und Belarus festsitzenโ, aufzunehmen.
Vorschlรคge, wie der Krieg gestoppt werden kรถnnte, blieben bei allen Redner/-innen eher nebulรถs. Herausgestellt wurde nur die internationale Solidaritรคt der Antikriegsproteste, vor allem mit jenen in Russland, und dass es sich um eine nicht-militรคrische Lรถsung handeln mรผsse. Hinzu kommt aber ein konkretes Hilfsangebot: Auf der Website des Linxxnet kann Wohnraum zur Aufnahme von Geflรผchteten angeboten oder gesucht werden. Nach der Kundgebung zogen die ungefรคhr 1.000 Menschen demonstrierend zur Hainspitze, wo es gegen 16 Uhr zur Endkundgebung kam. Dort spielte das Thema atomare Abrรผstung ebenfalls eine wichtige Rolle.
Ganz in der Nรคhe und zeitgleich zur Endkundgebung an der Hainspitze, aber mit vรถllig anderem Charakter, startete eine Kundgebung mit deutlich รผber 1.500 Menschen auf dem Leipziger Marktplatz. Vor Ort waren sehr viele Ukrainer/-innen, aber auch Georgier/-innen, Russ/-innen und viele andere Menschen, die sich mit der Ukraine solidarisch zeigen.
Redebeitrรคge von Betroffenen
Die meisten Redebeitrรคge stammten von Menschen, die selber betroffen sind; die Familie und Freund/-innen in der Ukraine haben, um deren Leben sie fรผrchten mรผssen. So stand eine junge Frau mit Sorge um ihren Bruder weinend am Mikrofon: โIch habe jede Sekunde Angst, dass mein Bruder kรคmpfen geht, und Deutschland will verhandeln. Wollt ihr uns verarschen?โ In einem anderen Redebeitrag hieร es: โDie Luft in der Ukraine wird nie wieder die selbe sein wie zuvor.โ
Menschen, deren Verwandte gerade in Schรผtzengrรคben liegen oder sich in den U-Bahntunneln Kiews vor Bomben- und Raketenangriffen zu schรผtzen versuchen, forderten neben humanitรคrer Hilfe auch den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT und Waffenexporte in die Ukraine. Die Ukraine, so hieร es in einer Rede, habe mehr Freiwillige als Waffen zur Verfรผgung.
Auch aus Leipzig seien viele Menschen in die Ukraine gegangen, um sich freiwillig zum Dienst an der Waffe zu melden. Die Benennung der faschistischen Ideologie des Putinregimes nahm in vielen Beitrรคgen groรen Raum ein. Es wurden Sach- und Geldspenden gesammelt, gemeinsam gesungen und der Zusammenhalt in dieser schwierigen Situation beschworen.
Buhrufe wegen Rede gegen Waffenexporte
Neben den Redebeitrรคgen der Betroffenen standen die einiger anderer โ besonders zu erwรคhnen der des Leipziger SPD-Bundestagsabgeordneten Holger Mann. Schon in der Mitte seiner Rede kam es zu vereinzelten Zwischenrufen. Als Mann sich aber gegen Exporte von Waffen aussprach, fing die Menge an ihn auszubuhen.
Der Redebeitrag des Kreisvorsitzenden der FDP Nordsachsen, Martin Ermler, welcher selber Freund/-innen und Familie in der Ukraine hat, wurde bedeutend besser aufgenommen, obwohl dessen Duktus mit nationalistisch anmutenden Begriffen geschmรผckt war.
Deutschland nimmt im Ukrainekrieg eine Sonderrolle ein. Im Gegensatz zu anderen westlichen Partnern der Ukraine sprach sich Deutschland bis gestern strikt gegen Waffenexporte aus und verhinderte, dass Estland Waffen aus alten NVA-Bestรคnden liefern konnte. Zudem blockierte Deutschland als letzter Staat den Ausschluss Russlands aus SWIFT, nachdem Italien, Zypern und Ungarn bereits eingelenkt hatten.
Doch der Druck auf die Bundesregierung stieg jรผngst so stark, dass diese nun ihre Positionen revidieren muss. So erlaubte sie gestern zunรคchst den Niederlanden, 400 Panzerfรคuste aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern.
Estland darf die DDR-Panzerhaubitzen ausliefern und spรคter genehmigte die Bundesregierung auch noch den Export von 1.000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen direkt aus Deutschland. Am Abend lenkte Deutschland auch langsam bezรผglich der SWIFT-Sanktion ein. Zunรคchst sollen bereits sanktionierte russische Banken aus SWIFT ausgeschlossen werden.
Auf der Kundgebung am Marktplatz wurde dazu aufgerufen, Sachspenden in der Holzhรคuser Strae 134a, 04299 Leipzig, abzugeben.
Gebraucht werden: Kleidung und Schuhe, Spielzeug, fรผr Kinder und Jugendliche, Bastelmaterial, Musikinstrumente, Kinderwรคgen, Windeln, Sportgerรคte, Fahrrรคder, Zelte, Matratzen, Bettwรคsche, Bettwรคsche Medikamente, Verbandsmaterial, Gummihandschuhe, Brillen, Handtรผcher, Nรคhzeug, Waschmaschinen, Werkzeug, Maschinen fรผr Bau und Tischlerei, Kleidung und Schuhe fรผr Erwachsene, Geschirr, Besteck und Tรถpfe, Mรถbel, Staubsauger, Binden und Tampons.
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