Wovon träumen? Ich habe den Raum bekommen, kann schreiben was ich will und müsste und sollte man nicht jetzt als politisch gelesener Mensch diesen angebotenen Platz nutzen? Würdevolle Worte findend und irgendwie auch Politik machen? Aber davon träume ich nicht. Nicht von einer besseren Welt. Nicht davon, dass wir gemeinsam den Planeten retten, weil ich mich schwer tue daran zu glauben, dass wir es tun. Weil ich schon nicht den Eindruck habe, dass die Ernsthaftigkeit des Themas erkannt wurde.
In der Westarktis bricht der Thwaites Gletscher ab – ein alptraumhaftes Thema. Ein Gletscher, der unvorstellbar groß ist, so groß wie Tschechien, Österreich und die Schweiz zusammen. Eine unvorstellbare Größenordnung und im Schelfeis Risse, überall Risse und Brüche. Der Gletscher bricht auseinander. In der Folge wird er in lauter Teile zerspringen, was das Abschmelzen beschleunigen würde und damit auch den Anstieg des Meereswasserspiegels.
Wir stehen vor einer unfassbaren Katastrophe. Eine Katastrophe, die nicht erst beginnt sondern schon da ist. Gemeinsam könnten wir es ändern, könnten retten was zu retten ist – eine lebenswerte Welt.
Ich verstehe es nicht, warum die Menschen es nicht sehen, jedenfalls viele. Aber ich träume nicht davon.
Ich tue was ich kann, wie so wie viele Menschen, von denen ich sagen kann, voll Respekt und Ehrfurcht, dass ich sie kenne und es zu schätzen weiß sie zu kennen, die ihr Leben, ihre Freizeit mit ehrenamtlicher Arbeit verbringen für die Umwelt, das Klima, die Demokratie und Kultur und die alle ihr bestes Tun – eine lebenswerte Welt zu erhalten beziehungsweise überhaupt möglich zu machen.
Ich habe auf Instagram gefragt, drüben in den Weiten der verrufenen sozialen Netzwerke, die für die Hektik und Aggressivität (wie Twitter und Facebook) oder für die Darstellung einer nicht vorhandenen Illusion (Instagram) stehen. Überall kleine und große Lügen …
Und einige haben geantwortet.
Sie träumen von einem kostenlosen ÖPNV oder bezahlbarem Wohnraum oder überhaupt Wohnraum, von der Abwesenheit von Sexismus und Rassismus. Träume, die ich teile. Das kleine Glück. In einer Welt zu leben, in der alle und jeder Mensch individuell glücklich werden kann. Ein Einkommen, etwas Wohlstand, Freund/-innen, die Abwesenheit von Leid wie Armut, Wohnungslosigkeit, Diskriminierung. Eine Welt ohne Ellenbogen und des ständigen Drucks etwas leisten oder sich vergleichen zu müssen.
Das kleine Glück – ein Leben ohne Sorgen.
Ich träume von der letzten Open Air Feier, die das VAK organisiert hat. Weil es Kraft gibt, das Lächeln in den Gesichtern, das Gefühl völlig fremder Menschen, die in diesem einen Moment eins werden, zusammen sind in den Beats und Klicks, Wünsche und Gedanken, die verschwimmen. Ich träume davon, dass endlich wieder die Clubs öffnen und ein Raum entsteht, wo wir uns fern des Alltags treffen. Du und ich.
Momente die fehlen. Ich erinnere mich an die schwere der Luft, den Geruch von Schweiß und Bier und den Duft des aufziehenden Morgens.
Und manchmal träume ich davon, das alles hinter mir zu lassen. Aufzugeben. Loszulassen. Ein ganz normales Leben zu führen, nicht mehr ständig irgendwo sein zu müssen. Ein Leben, wo die ganzen großen Probleme mich nichts mehr angehen.
Und dann? Wache ich auf, schweißgebadet, weil ich es nicht kann und will. In welcher Welt und Gesellschaft wollen wir leben? In welcher Welt willst Du leben, genau Du, die das gerade liest? Und was sind wir bereit dafür zu tun? Und wo ist Deine Verantwortung dafür?
Ich sehe in die Augen meines Kindes. Welche Welt kann ich ihr hinterlassen? Welche Verantwortung trage ich individuell dafür? Und ist das nicht eine Ausrede, ein Grund, mit dem ich versuche meine Handlungen zu rechtfertigen?
Ich kann wollen, dass sie eine Welt hat, in der es sich zu leben lohnt, in der sie keine Angst haben, keine Not fürchten muss. Das kann ich wollen und ich kann alles dafür tun.
Und während ich über all dies nachdenke, was sein könnte, ertappe ich mich dabei, wie ich mich von der Aufregung, der Wut des Alltags mitreißen lasse, erst die Fassung und dann die Empathie verliere und unfassbar zynisch werde und einen Fehler begehe.
Eine andere Welt wäre möglich. Wir alle könnten Sie möglich machen. Ein erster wichtiger Schritt wäre zu verstehen, dass wir Menschen sind, dass wir Fehler machen, jeden Tag und dass jeder einzelne Augenblick eine neue Chance ist – eine Chance alles zu ändern und Verantwortung zu übernehmen.
Wenn wir alle es wollen, Du und ich, und wir handeln, auch in der Bereitschaft Fehler zu begehen und daraus zu lernen, muss diese andere Welt kein Traum mehr sein.
Wir gemeinsam könnten es schaffen, wenn wir alle nur wollen. Du und ich und wir – alle gemeinsam!
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