Bis heute strickt die seither stark geschrumpfte „Querdenken“-Bewegung am „Mythos Leipzig“ 2020. Am 7. November des letzten Jahres sahen sich die damaligen Macher um Nils Wehner, Ralf Ludwig und Markus Haintz als eine Art Sieger der Geschichte, als die „Querdenken“-Kundgebung auf dem Augustusplatz erst wegen massenhafter Auflagenverstöße abgebrochen wurde und man sich kurz darauf mithilfe von Neonazis und rechten Hooligans auf Höhe Hauptbahnhof den Gang über den Ring freipresste. Die Konstellation am heutigen 6. November 2021 ist aufgrund stark steigender Inzidenzzahlen in Sachsen ähnlich, „Querdenken“ startet 15 Uhr am Augustusplatz, wenngleich mit weniger Teilnehmenden gerechnet wird. Dafür dürften diese umso radikaler auftreten.

19:30 Uhr: Liveticker (2) „Querdenken läuft nicht“ in Leipzig gestartet

Es wird zu lang, zu viel und zu unübersichtlich. Die neuen Ereignisse auf dem Richard Wagner Platz ab 19:30 Uhr finden sich im Teil 2 des Tickers vom heutigen 6. November 2021.

19 Uhr: Sehnsuchtsort Wagnerplatz

Wie egal es „Querdenkern“ letztlich ist, mit welchen und wie vielen Neonazis sie zusammen auf einem Platz stehen, ist gerade in Leipzig zu beobachten. Denn jetzt geht es, soweit die Polizei dies zulässt, über den Marktplatz hinweg zum Richard-Wagner-Platz, zu Volker Beisers Volk.

Dieses hingegen wird heute einmalig mal wieder die 100 Teilnehmenden überschreiten, so viele wie seit Monaten nicht sammeln sich gerade vor Ort. Das Glücksgefühl dürfte groß sein, das Polizeiaufgebot ist es heute auch.

Die Wasserwerfer sind jedenfalls bereits angekommen, der Gegenprotest ebenfalls und erneut wird das „Wer darf auf den Ring“-Spiel beginnen. Auch die „Bürgerbewegung Leipzig“ um den Ex-NPD-Kader hat indirekt angekündigt, über den Ring laufen zu wollen. Also das zu tun, was der „Bewegung Leipzig“ heute seit 15 Uhr schon mal nicht gelang.

Nun kommt so wenigstens zusammen, was zusammengehört: Neonazis, Junge Nationalisten, NPDler, AfD-Fans und sonstige Rechtsradikale und wirre Impfgegner im Glaubenskampf gegen einen Virus. Die Nacht in Leipzig hat gerade erst begonnen. Und viele „Querdenker“ stehen nun hilflos im Leipziger Zentrum herum.

18:40: Stopp-and-Go beim Marodieren

Es ist eigentlich nur der Bereich rings um Galeria Kaufhof, wo es derzeit hin- und hergeht. Auf dem Markt ist es ruhig, auf dem Augustusplatz auch und im Leipziger Zentrum fühlen sich ein paar hundert „Querdenker“ – glaubt man den „Freien Sachsen“ – wie zehntausende. Vielleicht, weil in den engen Gassen der Leipziger Innenstadt alles so schön hallt.

Immer wieder stoppt der Zug, aufgehalten von der Polizei, dann geht es wieder weiter – offenbar letztlich Richtung Richard-Wagner-Platz.

YouTuber Elija Tee eskaliert derweil per Livestream, weil er sich selbst inmitten der Revolution wähnt, während andere der „Querdenken-Bewegung“, wie Samuel Eckert gerade vor tausenden Zuschauern ganz andere Themen auf YouTube besprechen. Und sich eher nicht so stark für die marodierenden Menschen in Leipzig interessieren.

Der Leipziger Marktplatz um 18:35 Uhr. Leere. Foto: LZ
Der Leipziger Marktplatz um 18:35 Uhr. Leere. Foto: LZ

Der YouTuber Tabere jedenfalls hängt bei knapp 2.000 Zuschauerinnen fest – mehr Interesse ist dann doch nicht feststellbar.

Was die Taktik der Polizei hingegen sollte, den „Querdenkern“ die Leipziger Innenstadt zu überlassen, ist noch offen. Der Gegenprotest begleitet den Umzug noch immer.

Rings um Galeria Kaufhof in Leipzig ab ca. 18:30 Uhr. Foto: LZ

18:25 Uhr: 10.000!!!1!1!

Die rechtsextreme Organisation „Freie Sachsen“ meldet via Telegram, man sei nun 10.000 Teilnehmende in Leipzig. Das Lügen mit Zahlen ist ja seit den Berliner „Querdenken“-Demos 2020 groß in Mode gekommen und wird hier fortgesetzt.

Man kann wohl bislang heute in Leipzig von maximal 2.000 „Querdenker“, Neonazis und Sonstige realistisch sprechen, die sich derzeit in kleineren Gruppen in der Leipziger Innenstadt bewegen. Am Augustusplatz ist mittlerweile kaum noch jemand, der nächste Hotspot des Abends dürfte die Versammlung um Ex-NPD-Mann Volker Beiser ab 19 Uhr auf dem Richard-Wagner-Platz sein.

18 Uhr: Unübersichtliche Situationen im Zentrum

In der Leipziger Innenstadt ist ein ziemliches Chaos ausgebrochen, seit die „Querdenker“ teils in Gruppen, teils als ein größerer Zug über die Grimmaische Straße in den Neumarkt einbog und dort von der Polizei gestoppt wurde. Dadurch stockte der Zug nach hinten hin und teilte sich teilweise auf. Derzeit sieht kaum noch jemand wirklich durch, wo was ist.

Vereinzelt kommt es zu Debatten zwischen Antifaschisten und „Querdenkern“, nach Einigung sieht es nie aus. Wo sich die Polizei jeweils zusammenzieht, ist ebenfalls unklar. LZ-Reporter/-innen berichten, dass sich unter den „Querdenkern“ auch jene Rechten befinden, die am Montag bei der „Bürgerbewegung Leipzig“ lange Zeit die Ordnungskräfte spielten.

Zu erwarten ist, dass nicht wenige derer, die von der „Bewegung Leipzig“ vom Augustusplatz kamen, am Ende bei der „Bürgerbewegung Leipzig“ auf dem Richard-Wagner-Platz landen werden. Bei der Organisation also, die sogar der „Bewegung Leipzig“ zu rechts war und offen mit der Jugendorganisation der NPD, der JN, zusammenarbeitet.

YouTuber Tabere versucht derzeit, normale Passanten in der Innenstadt davon zu überzeugen, keine Maske zu tragen. „Querdenker“ -Demonstranten schreien herum.

Chaos im Leipziger Zentrum

Video: LZ

17:50 Uhr: Der Gang in die Innenstadt

Ein Teil der Menge der „Querdenker“ bewegt sich nun, nachdem die Polizei den Zugang in dieser Richtung geöffnet hat, durch die Leipziger Innenstadt. Zu vermuten ist, dass man sich mit der „Bürgerbewegung Leipzig“ am Richard-Wagner-Platz vereinen will.

Am Neumarkt hat die Polizei erneut eingegriffen und den Zug gestoppt.

17:30 Uhr: Der Hetzer im Netz und Polizeimaßnahmen in der Goethestraße

Parallel zu den gewaltsamen Versuchen der „Querdenker“-Menge, Polizeketten anzugreifen, moderiert der rechte YouTuber Elijah Tee alias Tabere, Michael Kretschmer müsste „sich warm anziehen“, denn ab Montag würde es dann eine Reaktion auf das Verhalten der Polizeibeamten in Leipzig geben. Indirekt ruft der YouTuber hier dazu auf, Sachsens Ministerpräsident an seiner Adresse zu besuchen, verweist auf Zwönitz, wo er am Montag auf mehr Teilnehmende hofft.

Dass hier und heute in Leipzig eine mindestens zehnmal kleinere Menge an „Querdenkern“ aufgetaucht ist, spielt bei der Propaganda keine Rolle: der Widerstand würde wachsen, attestiert Tabere. Menschen die Mund-Nasen-Masken tragen, bezeichnet Tabere als Feiglinge.

Die Polizei erklärt unterdessen aktuell die „Querdenker“-Menge in der Goethestraße zur unangemeldeten Ansammlung und kündigt Maßnahmen an, wenn die Menschen den Ort nicht verlassen.

Damit hat die Ordnungsbehörde Leipzigs offenkundig die „Spontandemonstration“ abgelehnt und die Polizei nunmehr begonnen, die Ansammlung Stück um Stück auflösen zu wollen.

17:41 Uhr verkündet eine Polizeidurchsage, dass es nun zu Identitätsfeststellungen bei den Personen kommen wird, die sich nicht von der Goethestraße entfernen.

Auf der Goethestraße bis zum Abzug in die Grimmaische Straße

Video: LZ

17:13 Uhr: Auf der Goethestraße rappelts

Wer dem Märchen vom 7. November 2020 noch glauben wollte, dass die „Querdenken“-Bewegung grundfriedlich sei, der war schon einst auf dem Holzweg und heute wieder. Regelrecht hysterisch versucht – natürlich mit gewaltsuchenden Männern an der Spitze – die „Bewegung Leipzig“-Versammlung auf der Goethestraße, die Polizeisperre zu durchbrechen.

Statt, wie beauflagt, eine Kundgebung abzuhalten und Reden über Gott und die Welt zu halten, wollen die rund 2.000 Teilnehmerinnen unbedingt auf den Leipziger Ring und dort eine untersagte Demonstration abhalten. Die von ihnen ausgeübte Gewalt auf der Straße wird wie gewohnt von szeneeigenen YouTubern begleitet, die sich über die Polizeigewalt aufregen.

Mit einer friedlichen Versammlung hat das ab jetzt nicht mehr viel zu tun, dieses Mal sind die Beamten nicht bereit, sich wie am 7. November 2020 zurückzuziehen.

Während die Beamten die Menge zurückdrängen, sind in ihrem Rücken (der Menge) mindestens zwei Wasserwerfer aufgefahren, die Polizei hat begonnen, Menschen, die versuchten, Gewalt gegen Beamte auszuüben, in Gewahrsam zu nehmen.

Die Geschehnisse auf der Goethestraße ab 17 Uhr

Video: LZ

16:50 Uhr: Standparty mit Wasserwerfer

Die „Querdenker“ sind quasi „eingeklemmt“. Alle Ausgänge Richtung Zentrum und in die Gegenrichtung sind von Gegenprotest und dazwischen der Polizei umstellt. In der Grimmaischen Straße steht eine große Menge von Antifaschisten und auf dem Augustusplatz selbst hat die Polizei soeben die Wasserwerfer aufgefahren. Zwei der Geräte stehen auf den Gleisen der zentralen Haltestelle und warten ab.

Auf dem Dach der Tiefgarage an der Seite des Gewandhauses haben sich „PARTEI“-Mitglieder mit einer satirischen Mahnaktion wegen des erschossenen jungen Verkäufers in Idar Oberstein versammelt und halten Aral-Schilder in die Höhe. Der Schütze war ein „Querdenker“ gewesen, der den jungen Mann aus Frust über die Aufforderung, eine Maske in der Tankstelle aufzusetzen, ermordete.

Die Aggressionen aus der „Querdenker“-Menge heraus werden nicht weniger: Man merkt, dass heute kein „Marsch um den Ring“ möglich sein wird. Einerseits, weil die Polizei dieses Mal selbstbewusst und organisierter auftritt als noch vor einem Jahr. Zum anderen sind die Masseverhältnisse gänzlich andere.

Das Jubiläum dürfte ein Reinfall werden.

Um 16:53 Uhr formieren sich nun die „Querdenker“ auf der Goethestraße und wollen von da aus Richtung Hauptbahnhof.

An der Goethestraße zwischen 16:25 Uhr und 16:50 Uhr. Video: LZ

16:25 Uhr: Offener Aufruf zum „Laufen“ und ein Dieb als „Journalist”

In der Goethestraße seitlich des Augustusplatzes wird die Stimmung bei den „Querdenkern“ immer aggressiver. Das Geschehen auf dem Augustusplatz interessiert praktisch niemanden mehr, ein Mann schreit in ein Megaphon, „Wollt ihr laufen, wie 1989?“ und es folgt ein „Ja“, anschließend steht die Masse weiterhin und skandiert „Lasst uns durch“ und „Wir sind das Volk“ .

Der Wille der rund 1.500 bis 2.000 Teilnehmer/-innen hier ist vor der Versammlung heute der gleiche, wie jetzt auf der Versammlung: Man will sich den Zugang zum Ring und zu einer untersagten Demonstration erzwingen. In der Menge sind deutlich Gruppierungen von Rechtsextremen erkennbar, unter ihnen einige Anheizer des Geschehens.

Der Gegenprotest skandiert „Nazis raus“. Zur Stunde gelingt es der Polizei noch, die Gruppen getrennt zu halten, die Seitenstraßen in der Innenstadt sind alle abgesperrt.

Auf Höhe der Grimmaischen Straße haben die Beamten bereits Pfefferspray eingesetzt, als eine Gruppe Polizisten sich den Weg durch die „Querdenker“ bahnen mussten.

Der rechte YouTuber „Elijah Tee“ (Tabere) bewegt sich gerade am Gegenprotest entlang und streamt diesen live. Entgegen den Tatsachen behauptet er, er sei „Presse“. Seine Seiten weisen kein in Deutschland vorgeschriebenes Impressum aus, sodass er auch für juristische Einsprüche nicht erreichbar ist.

So hat Tabere bereits nach einer Berichterstattung aus Liebertwolkwitz in diesem Jahr Videomaterial der LZ gestohlen und in einer seiner Sendungen benutzt: Journalisten tun so etwas nicht. Soweit bekannt ist, gehört der junge Mann auch keinem der bekannten Journalistenverbände an.

Video 16 Uhr: Gerangel an der Absperrung bei „Querdenken“. Video: LZ

16 Uhr: Katz und Maus auch heute, nur früher

Die auf der Goethestraße verbliebenen „Querdenker“ wollten ein bisschen laufen, wurden aber von der Polizei zurückgeschickt. Die Goethestraße ist nun auch Versammlungsfläche der „Querdenker“, unklar ist offenbar, ob legitim oder unangemeldet.

Gleichzeitig mobilisiert die „Bewegung Leipzig“ per Telegram zu einer „Spontandemonstration“ am Rabensteinplatz. Einige Anhänger der Verschwörungsvereinigung bewegten sich auch kurzzeitig auf dem Ring auf der Höhe der Alten Hauptpost am Georgiring.

Die Polizei bekommt gerade immer mehr zu tun, einige „Querdenker“ versuchen, Absperrungen von der Goethestraße aus Richtung Augustusplatz zu durchbrechen.

Auch der Gegenprotest hat begonnen, sich dezentraler zu verhalten. Über die Innenstadt haben einige Gruppen die „Querdenker“ umgangen und haben die Goethestraße im Visier. Auf dieser bewegt sich neben der „Freien Linken“ auch der Hallenser Rechtsextremist Sven Liebich – offenbar im sicheren Gefühl hier unter seinesgleichen zu sein.

Rechtsextremist Sven Liebich unter den "Querdenkern" in der Goethestraße. Foto: LZ
Rechtsextremist Sven Liebich unter den „Querdenkern“ in der Goethestraße. Foto: LZ

Polizeisprecher Olaf Hoppe sieht gegenüber LZ die Situation noch nicht so dramatisch, erst mal wird abgewartet, wie sich das weiterentwickelt. „Wichtig ist, dass wir heute ruhig und besonnen handeln“, so Hoppe.

Kurz vor 16 Uhr folgt die erste Polizeidurchsage auf der Goethestraße, dass es hier nun doch eine verbotene Ansammlung sei.

15:45 Uhr: In der Goethestraße ist Bewegung

Es folgt, was wohl schon auch so geplant war. Rund 600 bis 700 Menschen versuchen mittlerweile, auf der Goethestraße eine Demonstration zu beginnen. Damit würden sie gegen die Auflage der Stadt Leipzig verstoßen, dass nur stehende Versammlungen erlaubt sind.

Man möchte offenbar auf den Ring, die Redebeiträge auf der Bühne an der Oper interessieren hier die wenigsten der „Querdenker“. Es dürfte damit ab jetzt zu mehr Arbeit für die Polizei kommen. Rechnet man die bislang bekannten Zahlen zusammen, dürften rund 2.000 sogenannte „Querdenker“ in Leipzig sein.

Impressionen ab 15 bis ca. 15:30 Uhr auf dem Augustusplatz. Video: LZ

15:30 Uhr: Tausende und Tausende und Tausende „Querdenker“

Ein Mitmacher des „Demokratischen Widerstands“, einer verschwörungsideologischen, kostenfreien Zeitung aus Berlin, baut mal eben in seinem Redebeitrag an der nächsten Zahlenlüge. Der Mitstreiter von Anselm Lenz behauptet von der kleinen Trailerbühne herab, es seien genau so viele der „Friedensbewegung“ wie am 7. November 2020 auf dem Platz.

Eine glatte Lüge, selbst wenn man – wie zu vermuten ist – einfach den Gegenprotest mitzählen würde. Das Blatt wurde auch dadurch bekannt, weil es bei einer der großen Berliner Demonstrationen stur behauptet hatte, es seien mehrere 100.000 Teilnehmende dabei gewesen.

Die vor ihm redende Mitmacherin bei „Ärzte stehen auf“ beklagte sich eher, dass es nicht zur Demonstration kommen darf und gab auch ein paar Zahlen bekannt. Nach ihren Angaben machen gerade noch „50, 60, 70 Ärzte in Deutschland mit“ bei jener Ärztevereinigung, die gegen die Corona-Maßnahmen bis hin zum Impfen „aufsteht“. Mit anderen Worten: Die Gruppe ist so klein, dass sie in der Ärzteschaft des Landes kaum auffällt.

Jetzt folgt „kritische Popmusik für die Seele“.

15:10 Uhr: Ein Ex-Militär auf der Bühne bei „Querdenken“

Bei „Querdenken“ spricht aktuell ein Ex-Militär, ehemaliger Hauptmann der NVA aus Leipzig, nennt sich selbst einen „linken, grünen Internationalisten“ und leugnet die Corona-Pandemie. Der ehemalige Soldat ist der LZ als jemand bekannt, der grundsätzlich alle Corona-Maßnahmen ablehnt und der festen Überzeugung ist, die Pandemie sei eine „Plandemie“, an welcher nur die Presse schuld sei.

Geimpften unterstellt er, diese wüssten nur nicht, dass in ihnen eine Zeitbombe tickt, das sähe man an jenen, die nun im Krankenhaus lägen. Dass die Erkrankungszahlen bei Ungeimpften in Sachsen aktuell fast zehnmal so hoch sind, vergisst der Mann zu erwähnen.

Der Auftritt des ehemaligen NVA-Soldaten illustriert letztlich ganz gut, wer offen für Verschwörungstheorien ist. Bereits bei Pegida konnte man immer wieder die Beteiligung von Ex-Militär der DDR und Staatssicherheitskräften beobachten. Die Bitte um Spenden für die „Bewegung Leipzig“ am Ende dieses Eröffnungsauftrittes ist obligatorisch.

Die anschließende Musikerin spricht vor und in ihrem Lied davon, dass es sich bei den aktuellen Entwicklungen um einen „Staatsstreich“ handele.

Damit ist der Reigen der wirren Beiträge auf dem Augustusplatz also offiziell eröffnet.

14:55 Uhr: Kurz vor dem Start – deutlich weniger Teilnehmerinnen als 2020

Während der Gegenprotest auf der Gewandhausseite noch auf die Raddemo vom Lindenauer Markt wartet und diese um 14:30 Uhr immer noch nicht gestartet war, grummelt es langsam auf der Gegenseite.

Die Kapazitätsgrenze der 1.000 möglichen Versammlungsteilnehmerinnen ist hier erreicht, die Polizei weist aktuell (15 Uhr) jedoch die Goethestraße als ersten Ausweichort für jene „Querdenker“ aus, die nicht mehr auf den Bereich vor der Oper dürfen.

Die Polizei meldet zudem vor Ort, dass sie die ersten Personen „aus dem rechten Spektrum“ festgesetzt hat, da diese „Gegenstände dabei hatten“, welche wohl auf wenig friedliche Absichten hindeuten.

Gleichzeitig zeichnet sich ab, was bereits vorab zu ahnen war. Trotz deutschlandweiten Aufrufen sind somit gerade einmal 1.000 Personen bei „Querdenken“ vor der Oper versammelt, weitere 500 bis 600 stehen in der Goethestraße kurz vor Beginn der Versammlung.

 

13:30 Uhr: Friedliche Neonazis und Aufrufe zur Ringumrundung

Entgegen dem, was die „Querdenken“-Bewegung bis zum heutigen Tage zu suggerieren versucht, sind es organisierte Neonazis, welche am 7. November 2020 den Demonstrationszug auf der Höhe des Messehochhauses anführen und anheizen. Anhand von Videomaterialien (siehe Video) sind unter anderem der Rechtsextremist Enrico Böhm und der heutige „Pro Chemnitz“-Mann Michael Brück (damals „Die Rechte“) zu sehen, sie stehen ganz vorn, agitieren Polizeibeamte, geben Zeichen

Der anschließende Rückzug der Polizeibeamten an dieser Stelle machte damals nicht wenige Leipziger/-innen fassungslos. Denn so konnten und können bis heute Neonazis und „Querdenker“ diesen Tag als eine Art „1989-Revival“ verkaufen, ganz so, als ob am damaligen 9. Oktober 1989 die Menschen gegen einen Virus und nicht gegen die Lebensumstände in einer Diktatur namens DDR demonstriert hätten.

Friedliche Neonazis am 7. November 2020 auf dem Georgiring, am Messehochhaus. Video: LZ 

Gerade Leipziger Bürgerrechtler/-innen zeigten sich im Nachgang an diesen 7. November 2020 entrüstet, von der „Querdenken“-Bewegung derart missbraucht zu werden. Das Geschehen vom 7. November 2020 trug unter anderem dazu bei, dass heute mit René Demmler ein anderer Polizeipräsident die Verantwortung für den Einsatz der Beamten tragen wird als damals.

Auch der Innenminister Sachsens Roland Wöller (CDU) konnte sich nach dem Einsatzdesaster nur mühsam im Amt halten, gleichzeitig wurde Kritik gegenüber dem Leipziger Ordnungsamt laut, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben.

Seither ist eine Menge passiert in der „Querdenker“-Szene, welche damals noch das Tragen einer Mund-Nasen-Masken ablehnte und sich heute im Anti-Impfkampf befindet. Rings um die „Bewegung Leipzig“ war es zuletzt deutlich ruhiger geworden, Demonstrationen fanden kaum noch statt, man beschränkte sich auf ein wenig Telegram-Propaganda.

Die Stuttgarter Zentrale mit Michael Ballweg an der Spitze meldet sich mittlerweile eher zu Wort, wenn sie neue Produkte präsentiert, wie angeblich freie Videoplattformen oder Smartphones oder wenn die Sperrung der Accounts bei Facebook Thema in den USA werden. „Querdenken“ ist für Ballweg schon lange eher eine Marke, mit der sich der eine oder andere Euro verdienen lässt.

Seine angekündigte „Stiftung“ soll jedenfalls weniger für die „Bewegung“ da sein, sie ist eher eine Familienstiftung geworden, mit welcher man Erbschaften für die Nachkommen sichert. Interessanterweise scheint die ehemalige Zentrale der Bewegung auch mit dem heutigen Demogeschehen nichts zu tun haben zu wollen: einen Aufruf von „Querdenken“ Stuttgart zur heutigen Versammlung gab es jedenfalls nicht.

Zumindest an der Oberfläche beruhigte sich also das Geschehen, darunter sind jedoch solche Bewegungen wie die von Ex-NPD-Mann Volker Beiser angeführte „Bürgerbewegung Leipzig“ und in Sachsen speziell die rechtsextremen „Freien Sachsen“ aufgetaucht. Längst bestimmen sie das Geschehen, ummantelt bis heute von der „Querdenker“-Szenerie, die sich 2020 nicht abgrenzte gegen Rechts und längst selbst zu einer Art nationalistischen Egoistenbewegung unter Begleitung von Neonazis mutiert ist.

So kooperiert die „Bürgerbewegung Leipzig“ mittlerweile allmontäglich offen mit Afd-Rechtsaußenpolitiker/-innen ebenso, wie mit den Neonazis der Jungen Nationalisten (JN) um Bundesführer Paul Rzehaczek.

Sie alle mobilisieren gemeinsam mit rechten Kameradschaften nicht nur dafür, heute 15 Uhr zum Augustusplatz und 19 Uhr zum Richard-Wagner-Platz zu kommen – sie wollen auch den Gang über den Ring wiederholen, welcher für heute von der Stadt Leipzig laut Coronaverordnung Sachsens verboten ist. Zugelassen sind demnach heute ausschließlich stehende Kundgebungen von bis zu 1.000 Personen.

Der Aufruf zur neuerlichen Ringumrundung ist demnach strafbar, was jedoch die „Bürgerbewegung Leipzig“, die „Freien Sachsen“ und die „Bewegung Leipzig“ sowie weitere rechte Kreise nicht davon abhielt, bis heute den Eindruck zu erwecken, dass genau das gewollt ist und versucht werden wird.

Die Standorte der gegendemonstrationen am 6. November 2021 in leipzig. Quelle: Leipzig nimmt Platz
Die Standorte der Gegendemonstrationen am 6. November 2021 in Leipzig. Quelle: Leipzig nimmt Platz

Auch das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ hat genau das in den sozialen Netzwerken im Vorfeld beobachtet und einige Äußerungen gesammelt (hier als PDF zum Download).

„Das Aktionsnetzwerk hat die zahlreichen Aufrufe aus dem Umfeld von Querdenken und Co. aus den sozialen Netzwerken aufmerksam verfolgt und kommt zum Schluss, dass wir nicht von einem friedlichen Verlauf ausgehen können. Selbst der Versammlungsleiter ruft im Telegramkanal der Bewegung Leipzig zu ‚Widerstand’ auf. Die vom Aktionsnetzwerk gesammelten Aufrufe wurden an die Behörden und die Presse übergeben.“

Dazu erklärte Jürgen Kasek, Anwalt und Stadtrat (Grüne), bereits am 5. November vorab: „Noch deutlicher als vor einem Jahr kündigen Querdenker an, die Regeln zu brechen und auf dem Ring laufen zu wollen. Dass es ihnen weder um Demokratie noch um Grundrechte geht, wird daran deutlich, dass sie Hand in Hand mit extrem Rechten wie der NPD, Neonazis und Hooligans arbeiten, die ihr Kommen ebenfalls angekündigt haben.“

Der Gegenprotest, zu welchem unter anderem das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“, der DGB, die SPD Leipzig, Linke, Grüne und ihre Jugendverbände ebenso aufrufen, wie die Fridays for Future, wird sich heute bereits ab 14:30 Uhr auf dem Augustusplatz versammeln, von wo aus der Gegenprotest starten soll.

Die Versammlungen der „Querdenker“-Szene am 06.11.2021
15 Uhr Augustusplatz (Opernseite), „Bewegung Leipzig“
19 Uhr Richard-Wagner-Platz „Bürgerbewegung Leipzig“

Die Versammlungen von DGB, „Leipzig nimmt Platz“ usw.
14 Uhr Fahrrad-Zubringerdemo, Lindenauer Markt
14:30 Uhr Augustusplatz, DGB-Kundgebung (Gewandhausseite, Mendebrunnen)
Infopunkte/Kundgebungen: jeweils ab 14:30 Uhr Kl. Willy-Brandt-Platz Kl. W.-Leuschner-Platz Runde Ecke

Der Hashtag für den Demonstrationstag in den sozialen Medien lautet #le0611.

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