Am 5. November 2020 wurde die Leipzigerin Lina E. festgenommen und im Polizeihubschrauber nach Karlsruhe geflogen. Ein Jahr spรคter sitzt die Studentin immer noch in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen sie und drei weitere Angeklagte startete am 8. September vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Das war auch das Ziel eines solidarischen Demonstrationszuges, der am heutigen Nachmittag vom Bahnhof Neustadt รผber den Bischofsplatz bis zum OLG fรผhrte. Dort, wo zeitgleich der 13. Prozesstag gegen die Angeklagten stattfand. Knapp 50 Menschen nahmen an der Kundgebung teil, die vom Solidaritรคtsbรผndnis โ€žAntifa Ostโ€œ angemeldet wurde. Massive Polizeiprรคsenz war ebenfalls vor Ort. Die Veranstalter/-innen kritisieren die Inhaftierung von Lina E. scharf. E. sei eine ausreichende medizinische Versorgung erschwert worden. Die 27-Jรคhrige leide an einer rheumatischen Arthritis und konnte erst nach sechs Monaten einen dringenden Kliniktermin wahrnehmen. Auch Schikanen beklagt das Soli-Bรผndnis: โ€žZwei Wochen lang brannte das Licht in ihrer Zelle ununterbrochen, auch nachts wurden alle zwei Stunden ihre Vitalzeichen รผberprรผft, 24 Stunden am Tag stand sie unter Beobachtung.โ€œ

Auch die Art und Weise, wie die Studentin nach Karlsruhe gebracht wurde, hรคtten eine klare Botschaft vermittelt: Es handele sich bei E. um eine gefรคhrliche Schwerstverbrecherin. Diese Sichtweise wurde dann auch von einigen Medienunternehmen aufgegriffen: โ€žDeutschlands gefรคhrlichste Straftรคterinnen: Frauenknast extrem โ€“ NSU-Killerin und Gewalt-Linke Lina E. unter einem Dachโ€œ (โ€žFocusโ€œ, 26. April 2021). Die Gleichsetzung der Angeklagten mit der verurteilten Rechtsextremistin Beate Zschรคpe: ein Skandal.

Kein faires Verfahren

โ€žDie รถffentlich stattfindende Vorverurteilung unserer Mandantin, ihre Prรคsentation als Schwerstverbrecherin und die illegale Weitergabe von Informationen an die Presse berรผhrt zentrale Grundsรคtze des fairen Verfahrensโ€œ, so das Solibรผndnis. Neben der mehrmaligen widerrechtlichen Verรถffentlichung von Akteninhalten durch das rechtsradikale โ€žCompactโ€œ-Magazin werfen derzeit auch widersprรผchliche Zeugenaussagen Fragen auf.

Fragen, die auch am Oberlandesgericht gestellt wurden und ans Licht brachten: gegen Mitarbeiter/-innen der Soko LinX wird ermittelt. Sie werden des Verrats von Dienstgeheimnissen verdรคchtigt. Und das kรถnnte die Glaubwรผrdigkeit der Sonderkommission derart schรคdigen, dass auch der Prozess um Lina E. auf sehr wackeligen Beinen stehen wรผrde.

Zum Hintergrund: Den vier Angeschuldigten wird nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuches vorgeworfen, Teil einer linksextremen kriminellen Vereinigung zu sein. Laut Anklageschrift des Bundesgerichtshofes habe die Gruppe im Zeitraum von 2018 bis 2020 acht Straftaten begangen. Dabei seien 13 Personen aus der rechten Szene zu Schaden gekommen.

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