Eine Kellnerin räumt die Sitzkissen zusammen, der Barkeeper reinigt den Tresen und eine letzte Gruppe lachender Gäste macht sich auf den Weg nach Hause. Doch es ist nicht kurz nach Mitternacht an diesem Mittwoch, sondern Punkt 20 Uhr. Überall in Leipzig das gleiche Spiel – von der Gottschedstraße über das Barfußgässchen bis zur KarLi.
Grund dafür ist die seit Montag, 22. November, geltende Corona-Notfallverordnung, die den gastronomischen Betrieb auf die Zeit von 6 bis 20 Uhr beschränkt. Damit sollen Kontakte, vor allem in den späteren Abendstunden, vermieden werden. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat kratzt an der 1.000er-Schwelle und bereits jetzt müssen 20 Corona-Intensivpatient/-innen in andere Bundesländer verlegt werden, weil die sächsischen Krankenhäuser überlastet sind.
„Uns bleibt nur der Laden, der Ruf und die Gäste“
Entwicklungen, die Vodkaria-Chef Torsten Junghans dazu bewogen haben, seinen Laden vorerst komplett dichtzumachen. „Wenn Kontaktvermeidung etwas bringen soll, dann muss man auf ein Minimum herunterfahren – und alles schließen“, so der Gastronom. Die Öffnung bis 20 Uhr sei kein Kompromiss, sondern eine halbherzige und inkonsequente Entscheidung. Mit der 20-Uhr-Grenze würden Kontakte nur verlagert und sogar konzentriert werden.
Hinzu kommt, dass dieser Weg eine Sache verwehrt: Gleichbehandlung. „Wir öffnen normalerweise täglich um 17 Uhr, unser Kerngeschäft beginnt 19 Uhr. Zudem drückt der Name Vodkaria ja schon eine gewisse Orientierung auf alkoholische Getränke aus“, erklärt Junghans.
Auch für andere gastronomische Betriebe, deren Geschäft sich auf die Abendstunden konzentriert, ist durch die Regelung keine Wirtschaftlichkeit mehr gegeben. „Das fördert Neid und Missgunst und damit Gift für ein Miteinander, welches man unbedingt für die Bewältigung der Krise benötigt.“
Natürlich trage man die Maßnahmen mit, solange man vonseiten der Politik in der Aufgabe, Kontakte einzuschränken, unterstützt wird. Trotzdem: In den letzten zwei Jahren hat die Vodkaria finanziell nahezu alles verloren, berichtet Junghans: „Eigentlich bleibt uns nur der Laden, ein guter Ruf und unsere grandiosen Gäste.“
Zwar müsse man sich eingestehen, dass die finanziellen Hilfen dazu beigetragen haben, dass es in der Gastronomie weniger Pleiten gab als vor der Pandemie. Trotzdem bedeuten die Schließungen und inkonsequenten Maßnahmen massive Verluste.
Harter „Impf- und Info-Lockdown“
Patrick Junge, Geschäftsführer der Burgergrill-Kette Peter Pane, sieht auch die Regelungen des Bundes kritisch. „Mit dem Blick ausschließlich auf Impfquoten, Lockdowns für Ungeimpfte oder für alle ist es nicht getan“, sagt Patrick Junge. „Es muss erst der Vertrauensverlust gebremst werden, um die Impfquote zu erhöhen und die Infektionszahlen zu senken.“
Deshalb fordert auch der Lübecker einen harten „Impf- und Info-Lockdown“ bis Ende des Jahres. Ab 1. Januar 2022 sollen dann alle Geschäfte und Veranstaltungen wieder öffnen können – ohne 2G-Regel. Außerdem sollen Restaurants oder Einzelhändler die Möglichkeit bekommen, mit eigenem Personal Tests vor Ort durchführen zu können – mit Testkits, die für einen niedrigen Fixpreis vom Bund gestellt werden.
Die Ansätze sind verschieden, doch die Forderung erklingt aus allen Richtungen der Gastronomie: Wir brauchen einen harten Lockdown. Vor allem die inkonsequenten Maßnahmen in Sachsen führen zur Verunsicherung des Personals, zu massiven Verlusten und wirken eventuell sogar dem Ziel der Kontaktvermeidung entgegen.
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