Im Leipziger Hotel Westin soll es zu einem antisemitischen Vorfall gekommen sein. Diesen schilderte der jüdische Rockmusiker Gil Ofarim am Dienstag, dem 5. Oktober, auf seinem Instagram-Account. Unter anderem die Jüdische Studierendenunion Deutschland, die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) und der Beauftragte für Jüdisches Leben in Sachsen, Thomas Feist (CDU), reagierten bereits auf die Schilderungen. Dem Westin und dem Management von Ofarim liegen Anfragen der LZ vor.
Ofarim berichtet in dem rund zweiminütigen Video, das unmittelbar vor dem Eingangsbereich des Hotels entstanden ist, von Antisemitismus durch mindestens einen Mitarbeiter. Dieser habe ihm am Check-In gesagt, dass er seinen „Stern einpacken“ soll. Gemeint war damit offenbar der Davidstern, der sich an einer Kette befand, die Ofarim trug. Erst dann dürfe er einchecken, soll der Mitarbeiter gesagt haben.
„Packen Sie Ihren Stern wieder ein!“
Wenn er den Stern einpackt, darf @GilOfarim im Westin Leipzig einchecken, sagt der Hoteltyp am Schalter!
Was für eine kranke Scheiße! @Report_Antisem #Antisemitismus pic.twitter.com/9BKCknK0cb
— Alex Urban (@aurban) October 5, 2021
Zuvor habe bereits eine andere Person ebenfalls gesagt, dass Ofarim den „Stern einpacken“ soll. Ob es sich dabei um einen weiteren Mitarbeiter des Hotels handelt, geht es aus dem Video nicht eindeutig hervor.Mittlerweile kursiert auch eine Kopie des Videos auf Twitter und wird tausendfach geteilt.
Thomas Feist, Beauftragter für Jüdisches Leben in Sachsen, schrieb auf Twitter die LVZ, die „Bild“ und den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband an und bat diese darum, „der Sache nachzugehen“. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) kommentierte das mit dem Wort „Arbeitsverweigerung“. Auch andere Nutzer/-innen kritisieren, dass es eigentlich Feists Aufgabe sei, der Sache nachzugehen.
Der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung will den Skandal um den #Antisemitismus im @Westin gegen @GilOfarim auf andere abschieben. Irgendwie kommt mir dabei das Wort „Arbeitsverweigerung“ in den Sinn. Welche/r Betroffene soll Ihnen bei dieser Haltung vertrauen? https://t.co/1lScRVFDnU
— Kerstin Köditz (@kerstinkoeditz) October 5, 2021
Anna Staroselski, die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, schrieb: „Es reicht! Wir wollen uns nicht mehr verstecken!“ Auch der SPD-Vizevorsitzende und künftige Bundestagsabgeordnete Kevin Kühnert meldete sich zu Wort und forderte die Hotelkette auf, den Vorwürfen nachzugehen.
Antisemitismus ist in Sachsen offenbar besonders verbreitet. Das zeigt unter anderem ein Report des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus, der Anfang 2021 veröffentlicht wurde. Daraus geht hervor, dass es von 2014 bis 2019 durchschnittlich mindestens drei antisemitische Vorfälle pro Woche gegeben habe.
Update 14:10 Uhr: Nach ersten Meldungen bei Twitter soll es am heutigen Abend ab 19 Uhr eine Spontankundgebung am Hotel Westin in Leipzig geben. Die LZ wird also diesen Beitrag laufend erweitern. Bislang hat sich das Management der Hotelgruppe gegenüber LZ nicht zum Vorfall geäußert.
Was der weitere Verlauf nach dem Zeitpunkt des Videos war, haben wir beim Management des Künstlers erfragt. Auf Instagram hatte sich Gil Ofarim bereits bei Kolleginnen aus der Branche für die Unterstützung bedankt, darunter die Sängerin Jeanette Biedermann.
Update 15:10 Uhr: Mittlerweile haben sich auch die sächsischen Minister/-innen Martin Dulig (SPD), Katja Meier und Wolfram Günther (beide Grüne) zu Wort gemeldet. Auch der Zentralrat der Juden und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes twitterten zu dem Vorfall.
Update 15:20 Uhr: Das Management von Rockmusiker Gil Ofarim bittet gegenüber LZ um Verständnis, dass heute keine weiterführenden Fragen zum Verlauf der Geschehnisse während und nach der Zurückweisung im Hotel Westin beantworten wird. Auch das Management um Yvonne Probst versendet derzeit ein Statement auf Presseanfragen hin, welches um Nachsicht bittet.
So heißt es: „Gil muss die jüngsten Vorkommnisse gestern in Leipzig erst einmal verdauen und ist noch sichtlich schockiert. Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben. Der Tag ist generell schon schwer genug für ihn. Wir bitten um Nachsicht und Verständnis.“
Unterdessen trendet „Herr W.“ auf Twitter neben dem Hashtag „Antisemitismus“, alle großen Medien berichten mittlerweile ebenfalls über das Thema, welches heute morgen aufkam. Bei Herrn W. handelt es sich um die Abkürzung des Mitarbeiters des Westin Hotels, welcher Ofarim wegen seiner Kette mit einem Davidstern zurückwies.
Neben dem antisemitischen Hintergrund dieses Vorgehens ist auch ein klarer Mangel an grundgesetzlicher Haltung in dem Vorgang zu sehen. In Deutschland steht es jedem Menschen frei, seine Religion zu leben und zu zeigen.
Das Unternehmen mit seinem Mutterkonzern in den USA selbst hat sich noch nicht auf die LZ-Anfrage zurückgemeldet.
Update 17:30 Uhr: Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft für 19 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Westin auf. Die Hotelkette kommuniziert mittlerweile auf Twitter zu dem Vorfall und zeigt sich dort „erschüttert“ über den Vorfall. Man wolle Ofarim schnellstmöglich für ein Gespräch erreichen.
„Die Mitarbeiter“, also Plural, seien vorerst „beurlaubt“, so die Antwort eines etwas kommunikativ bislang eher chaotisch agierenden Unternehmens gegenüber Marco bras dos Santos, welcher die Antwort via Twitter weiterverteilte. Man dulde keinen Antisemitismus bei Westin.
Während die LZ noch immer auf die Antwort zu den gestellten Fragen wartet, mobilisiert das Netz unter dem Hashtag #le0510 zur Demonstration in der Gerberstraße.
19 Uhr: Wir sind vor Ort am Hotel
Ab 19 Uhr startet nun die Kundgebung am Westin Hotel. Wir sind mit einem Livestream hier auf L-IZ.de vor Ort.
Zum #Antisemitismus Vorfall im #Leipzig|er Hotel äußert sich die presseverantwortliche, stellvertretende Hotelmanagerin auf Nachfrage wie folgt: #le0510
cc @tonline @lvz @LIZ_de pic.twitter.com/fWoerVrzwU
— Marco Brás dos Santos (@marcoIsantos) October 5, 2021
Weitere Reaktionen und Stimmen im Netz
Es ist inakzeptabel und macht mich wütend, was #GilOfarim in meinem Heimatland widerfahren ist. Ich spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in #sachsen, wenn ich mich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!
— Martin Dulig (@MartinDulig) October 5, 2021
Dieser offene #Antisemitismus im Hotel #Westin in #Leipzig ist unsäglich und unerträglich.
Das muss Konsequenzen haben – und eine Entschuldigung reicht da nicht aus.#Antisemitismus darf nicht Alltag bleiben.@Report_Antisemitism @GilOfarim https://t.co/hAhQq8VZX0
— Katja Meier (@Ka_Meier) October 5, 2021
Was @GilOfarim aus Leipzig berichtet, bestürzt mich zutiefst. #Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in #Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo. Wir haben eine ganz klare Verpflichtung: #niewieder! Mein Wort: mein ganzer Einsatz dafür!
— Wolfram Günther 🇪🇺🏳️🌈🇺🇦🇮🇱🇩🇪 (@Gruen_WGuenther) October 5, 2021
Dr. Schuster: "Die antisemitische Anfeindung gegen @GilOfarim ist erschreckend. So wie zu hoffen ist, dass das @westin personelle Konsequenzen zieht, hoffe ich ebenso, dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden." #Antisemitismus pic.twitter.com/cMsyKd7SH6
— Zentralrat der Juden in Deutschland (@ZentralratJuden) October 5, 2021
https://twitter.com/ADS_Bund/status/1445344308131926016
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