Die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung Deutschlands muss man sicherlich an dieser Stelle nicht weiter ausführen; da dürfte die schwergewichtige Rolle der BRD sattsam bekannt sein. Was jedoch deutlich weniger Menschen wissen, ist, wie exorbitant die Rolle von Familienunternehmen hierzulande ist.
Sage und schreibe 90 Prozent aller deutschen Unternehmen werden von Familien geführt. Sie tragen nicht weniger als 52 Prozent zum Gesamtumsatz unserer Volkswirtschaft bei. Gerade bei uns im Osten ist ihre Bedeutung besonders groß, stellen doch die hiesigen Familienunternehmen einen besonders markanten Teil derjenigen Wirtschaft dar, die nicht nur hier ihren Sitz hat, sondern auch von Ostdeutschen geführt wird.
Angesichts dessen ist es grundsätzlich attraktiv und sinnvoll, seine Selbstständigkeit nicht (nur) auf der Unterstützung Fremder aufzubauen, sondern lieber der eigenen Verwandtschaft. Allerdings hat diese spezielle Form der Gründung auch ihre Tücken – die oftmals übersehen oder zumindest als zu gering erachtet werden. Die folgenden Punkte sollten deshalb obligatorisch für alle sein, die sich mit dem Gedanken tragen, „die eigenen Leute“ mit ins Firmenboot zu nehmen.
Die unzweifelhaften Vorteile anerkennen
Ist es eine gute Idee, ein Familienunternehmen zu gründen und zu betreiben? Ja, ohne Abstriche. Denn aus geschäftlicher Sicht wiegen die Vorteile schwerer:
Es herrscht ein grundsätzlich hohes Bekanntschafts- und Vertrauensverhältnis bei den Akteuren vor. Das kann viele Probleme reduzieren helfen.
„Blut ist dicker als Wasser“ gilt auch hier, weshalb es für die Mitglieder eine oft deutlich größere Motivation gibt, sich stark einzubringen.
Durch die familiäre Führungsstruktur agieren derartige Firmen oft mit deutlich größerem, strategischem Weitblick. Das mag kurzfristige Erfolge schmälern, sorgt jedoch meist für langfristig größere Sicherheit.
Hinzu kommt außerdem, dass Familienmitglieder vielfach deutlich schneller zu einstimmigen Entscheidungen finden. Das macht es leichter, auf kurzfristig auftretende Problemstellungen zu reagieren und sorgt zudem generell für gestraffte Entscheidungsfindungsprozesse.
Es muss die richtige Firmenstruktur sein
Was die Rechtsform anbelangt, gibt es keine gesonderten Regularien, wenn zwischen den Akteuren ein Verwandtschaftsverhältnis herrscht. Das heißt, hier bestehen dieselben Optionen, die jedem anderen Gründer offenstehen.
Jedoch: Jenseits dieser Theorie gibt es durchaus Rechtsformen, welche besser und schlechter für geeignet sind. Als für Familienunternehmen besonders hervorzuhebende Form gilt hier die Kommanditgesellschaft (KG), sowie besonders die davon abgeleitete GmbH & Co. KG.
In solchen Fällen gibt es zwei Kategorien von Beteiligten. Auf der einen Seite steht der gesamtschuldnerisch und unbegrenzt haftende Komplementär; im Falle einer GmbH & Co. KG übernimmt die GmbH diese Rolle. Auf der anderen Seite steht mindestens ein Kommanditist. Dessen Rechte und Pflichten beinhalten eine frei wählbare Einlage sowie eine Haftung, die nur der im Handelsregister eingetragenen Haftungssumme entspricht.
An diesem Punkt sei abermals die GmbH & Co. KG erwähnt. Warum ist sie speziell für Familienunternehmen geeignet? Schlicht, weil hier die Haftung für alle Beteiligten deutlich reduziert ist. Das bietet allen Familienmitgliedern großen Schutz und verhindert, das einer von ihnen hervorsticht – was im Haftungsfall zwar nicht firmenrechtlich, aber zumindest durch die familiäre Bindung oft dazu führt, dass auch alle anderen betroffen sind.
Handelt es sich allerdings um ein freiberuflich ausgerichtetes Projekt, dann kann alternativ auch eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung gewählt werden – eine vergleichsweise neue Variante, die erst seit 1995 hierzulande besteht.
Das Familiär-Emotionale vom Betrieblichen entkoppeln
Ein echter Nachteil von Familienunternehmen ist die Tatsache, dass die Mitglieder auch jenseits der Firma miteinander verbunden sind – genauer: seit Geburt. Dementsprechend gibt es hier vielfach keinen Anlass, ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Das kann durchaus eine Stärke sein, weil es zu direkteren, unverblümteren Prozessen führt. Häufig ist es jedoch eine Schwäche. Und zwar auf zweierlei Arten:
Durch die familiäre Bindung können Diskussionen sehr hitzköpfig ausfallen. Es fehlt die berufliche Distanz, wodurch die Akteure oft versucht sind, stärker auf ihrem Standpunkt zu beharren. Hier kommt überdies hinzu, dass in Familienbetrieben das Risiko, seines Postens enthoben zu werden, naturgemäß deutlich geringer ist.
Es besteht die Gefahr, dass außerbetriebliche Konflikte, Animositäten und dergleichen sich in das Betriebliche hineinziehen. Abermals ist die fehlende personelle Distanz der Grund.
Das bedeutet, es ist für die Beteiligten deutlich stärker geboten, Disziplin zu üben. Dies bedeutet, das Familiäre zumindest zeitweilig hintanzustellen und sich auf das Professionelle zu fokussieren. Ein Problem, welches Familienbetriebe mit denjenigen teilen, die von engen Freunden gegründet werden.
Den Nachwuchs mit Augenmaß integrieren
Viele Familienunternehmen bestehen deshalb so lange ohne wesentliche Änderungen, weil es immer eine „Thronfolgeregelung“ gibt. Denn natürlich bleibt die Konzernleitung in Familienhand.
Angesichts dessen ist es richtig und wichtig, Nachwuchs frühzeitig einzubinden, etwa als Auszubildender oder Trainee nach dem Studium. Aus diesen beiden Optionen ergeht allerdings bereits ein wichtiger Teilpunkt für die Integration von Nachwuchs. Tatsächlich sind es sogar mehrere Punkte:
Junge Familienmitglieder sollten keinesfalls auf einfachem Weg integriert werden. Sie müssen den anvisieren Beruf von der Pike auf vollständig erlernen, wie jede andere Person auch. Erstens ist dies wichtig, damit es kein Konfliktpotenzial gegenüber den Angestellten gibt. Zweitens ist es nur so möglich, dass jede weitere Generation vollumfänglich geschult ist – dies sorgt für fortgesetzte Professionalität.
Der Nachwuchs sollte unbedingt angehalten werden, Erfahrungen außerhalb des Familienbetriebs zu sammeln. Erstens verhindert dies „Betriebsblindheit“. Zweitens wirkt es noch stärker gegen Animositäten bei den Angestellten. Drittens sorgt es dafür, dass bei einer Rückkehr neue Sichtweisen, Konzepte, aber auch verstärkte Überzeugungen ins Unternehmen kommen – nur wer den Beruf jenseits des Familienunternehmens kennt, kann seine Position innerhalb richtig einschätzen.
Für die langfristige Kontinuität der Firma ist es zudem maßgeblich, dass beim Nachwuchs alles auf Freiwilligkeit basiert. Viele Familienbetriebe sehen es als automatisch gegeben an, dass die Kinder auch irgendwann einsteigen. Häufig sorgt dies für offenen und versteckten Druck, der für die Firma nachteilig wird. Das bedeutet, der Nachwuchs sollte nur dann integriert werden, wenn er es explizit wünscht. Auch deshalb ist es wichtig, ihn andere Unternehmen kennenlernen zu lassen. Erst damit geht häufig ein Sinneswandel hin zum Familienbetrieb einher.
Privates und Geschäftliches strikt trennen
Familienunternehmen sind häufig davon gekennzeichnet, dass die leitenden Akteure ungewöhnlich viel Zeit miteinander verbringen. Das gilt auch jenseits von Fällen, in denen der Betrieb von den Mitgliedern einer Kernfamilie geleitet wird (Großeltern, Eltern, Geschwister).
Die Gefahr, die hierdurch entsteht, liegt in der Natur der Sache: Wer privat und beruflich so eng verbunden ist, tendiert automatisch dazu, auch jenseits der Arbeit diesen umfangreichen Raum beizumessen. Für die einzelnen Familienmitglieder kann sich dies beispielsweise so manifestieren, dass berufliche Themen omnipräsent sind – egal, sie sich gerade auf der Arbeit befinden oder nicht.
Gänzlich vermeiden lässt sich dies kaum. Nicht zuletzt deshalb, weil es auch ein Vorteil sein kann, berufliche Belange ungezwungen in der Freizeit diskutieren zu können. Jedoch tun Familienunternehmen gut daran, diesen Raum für das Berufliche im Privaten strikt einzugrenzen. Denn wenn die Arbeit omnipräsent ist, wenn zwischen Frühstückstisch, Urlaubsreise und Ehebett jederzeit das Unternehmen aufs Tableau gebracht werden kann, entsteht enormer Stress durch eine Imbalance des Work-Life-Verhältnisses – ganz ähnlich wie bei jeder anderen berufstätigen Person, die stündig auch nach Feierabend mit der Arbeit konfrontiert wird.
Dies bedeutet im Klartext, dass Familienbetriebe dafür sorgen sollten, dass es in der Freizeit nur konkrete Zeitfenster gibt, in denen das Betriebliche diskutiert wird. Jenseits davon sollten alle Mitglieder das Recht haben, die Firma bis zum nächsten Arbeitstag schlicht Firma sein zu lassen.
Besonders hohe Transparenz leben
Wer einen Familienbetrieb führen will, kümmert sich oft deutlich mehr um diejenigen Angestellten, die nicht zum Familienkreis gehören – eine große Stärke vieler Unternehmen. Allerdings ist es auch nötig, einen ehrlichen Blick „von der anderen Seite“ auf eine familiär verbundene Firmenleitung zu werfen. Diese wirkt für andere oft verschworen, verschlossen, mitunter sogar vetternwirtschaftlich.
Solchen Ansichten gilt es, von Anfang an und jederzeit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dies gelingt nur, indem Familienbetriebe es ihren Angestellten gestatten, deutlich tiefere Einblicke in Praktiken und Entscheidungsfindungsprozesse zu nehmen. In diesem Sinne ist es auch nötig, bei den Familienmitgliedern für mehr Toleranz zu werben. Nur dann können auch gute Ideen und kluge Köpfe jenseits des Familienkreises sich einbringen und so die Firma stärken.
Die Führung mag zwar durch Verwandtschaft miteinander verbunden sein. Dies sollte jedoch niemals dazu führen, dass dieser Kreis sich gegenüber anderen abschottet. Erst recht nicht den eigenen Angestellten.
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