Leipzig wird mal wieder bunt, queer und laut. Der CSD ist zurück, nahezu so, als ob es nie eine Pandemie gegeben hätte. Während die „Bürgerbewegung Leipzig“ vom Naturkundemuseum aus fast unbemerkt von allen und jedem einen ihrer unzähligen Rundgänge mit schwindender Beteiligung (gestern 20 heute 20) absolviert, sammeln sich im Rosental bislang 7.000 Teilnehmende an der Leipziger Parade zum „Cristopher Street Day“. Unterdessen gibt es in Ostsachsen eine massive Hochwasserwarnung an der unteren Elbe und für die SPD dürfte es heute kein schöner CSD werden.
15:20 Uhr: 7.000 auf dem Weg und Verstimmungen gegen die SPD
In den letzten Jahren hatten sich – natürlich coronabedingt bis auf 2020 – die Teilnehmendenzahlen beim Leipziger CSD stets verdoppelt. Das geschieht offenbar auch in diesem Jahr. Mit bereits 7.000 Teilnehmenden versammelten sich erneut deutlich mehr Menschen bereits zum Auftakt auf der großen Wiese im Leipziger Rosental.Da darf auch die Politik nicht fehlen, was natürlich im aktuell laufenden Bundestagswahlkampf auch Spitzenkandidat/-innen aller Parteien auf die CSD-Bühne trieb. Eine Partei, die sonst durchaus hohes Ansehen in der LGBTI*-Szene genießt, dürfte jedoch in diesem Jahr keinen Beifall erhalten.
Die SPD hatte am 20. Mai 2021 eine für vor allem Transsexuelle entscheidende Gesetzesänderung im Bundestag gemeinsam mit der CDU aus Angst vor einer Störung der Koalitionsarbeit mit der CDU in Pandemiezeiten heraus abgelehnt.
Demnach müssen nun weiterhin Menschen, die ihre geschlechtliche Zuordnung ändern wollen, dies in einem aufwendigen und oft erniedrigenden Verfahren vor Gericht tun. Hierbei sind zudem zwei Gutachten nötig, es fallen häufig enorme Kosten für die Betroffenen an und oft genug entscheiden somit auch noch Richter/-innen über das Schicksal von Menschen, die von der Materie und dem zudem gegebenen Leidensdruck keine Ahnung haben.
Der Gesetzesentwurf von den Grünen und ein weiterer der FDP hatten vorgesehen, dass man sein Geschlecht ab dem 14. Lebensjahr einfach selbst ändern kann – eine Angabe beim Standesamt hätte genügt. Das Gesetz, wie es hiermit fortbesteht, ist bereits mehrfach als verfassungswidrig abgeurteilt worden – ein neues wird es nun wohl erst nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 geben. Ein Datum, was die Meinung der CDU wohl dennoch nicht ändern wird.
Mittlerweile hat sich der Demonstrationszug vom Rosental aus Richtung Leipziger Innenstadt in Bewegung gesetzt. Und eine Hochwasserwarnung hat sich aus Ostsachsen auf den Weg gemacht. Am heutigen Tag gelten laut Frühwarnsystem des Landes Sachsen die höchsten Warnstufen für die Gebiete der Lausitz, um Görlitz bis Dresden.
Hier ist ein erster Vorpegel bereits in den Mittagsstunden vorübergerauscht – doch der größere lila Brocken folgt noch.
Impressionen aus dem Rosental und beim Start des CSD
Video: LZ
16 Uhr: SPD-Wagen kurzzeitig blockiert
Es kam dann doch, wie es kommen musste. Nur Freude und Tanz waren ja nie beim CSD, immer stand und steht das Gedenken an homosexuellenfeindliche Übergriffe von Polizisten in den USA und der Kampf um die eigenen Rechte im Zentrum der bunten Parade. Doch zwei Dinge sind 2021 ein bisschen anders.
Aktivisten nehmen der SPD das Abstimmungsverhalten vom Mai im Bundestag durchaus übel. Heute blockierten sie deshalb am Ausgang des Rosentals den Wagen der Leipziger Sozialdemokraten und informierten die Vorübergehenden über den Vorgang per Megaphone (siehe Video).
Und ein weiterer Umstand ist, nun sagen wir mal, irritierend. Erst gestern wurde wieder der Leipziger Flughafen und hier auch speziell die DHL mit ihrem Frachttransport-Hub auf diesem stark kritisiert. Bei einer 1.000 Teilnehmer/-innen starken Demonstration und einer vorherigen Besetzung einer Zufahrtsstraße vom 9. auf den 10. Juli 2021 war der Ausbauplan der Flugkapazitäten von DHL und folgend sogar noch Amazon von Klimaaktivistinnen kritisiert und weitere Proteste angekündigt worden.
Das Thema Erderwärmung, Artenstreben und Starkwetterereignisse von Dürre bis zu jenen Regenfällen, die gerade in weiten Gebieten Deutschlands für extremste Schäden und Toten führen, hielten die Veranstalter der Leipziger Parade nicht davon ab, die DHL als Werbepartner des CSD willkommen zu heißen.
Bleibt also die Frage, ob in der Szene der Klimaschutz eher zweitrangig ist oder die Macher dem Geld nicht widerstehen konnten. In jedem Fall kann sich eben jene Firma, die noch am 10. Juli 2021 mit einer Strafanzeige gegen etwa 50 Klimaaktivistinnen und Falschmeldungen über Millionenschäden und angeblich gestörte Impfstofflieferungen zu einer 36-stündigen Ingewahrsamnahme für andere Menschen beitrug, hier als Partner und fortschrittliches Unternehmen präsentieren.
Vielleicht ist es auch die Nähe der Ereignisse zueinander, dass es in diesem Jahr irgendwie anders auffällt, dass die meisten Paradewagen eben Lkw mit Verbrennungsmotoren sind. Der Stimmung tut es jedenfalls keinen Abbruch: Nach ersten Schätzungen ist die Zahl der Teilnehmenden mittlerweile auf 10.000 Menschen angestiegen.
SPD-Wagen blockiert & der CSD auf dem Ring 2021
Video: LZ
17 Uhr: Fette Party ohne Masken
Es war zu erwarten und nun ist es gewiss. Es ist der größte CSD, den Leipzig je gesehen hat. Tanzend und mitsingend ging es bislang für rund 10.000 Teilnehmende bei hohen Temperaturen um den Ring, durch die Stadt und nun auf den Augustusplatz. Und für viele ab in den kleinen Kunstsee vor der Oper – Füße kühlen und Pause machen.
Hier, auf einer der größten innerstädtischen Freiflächen der Stadt steigt nun also die Abschlussparty, bevor es für jene, die den Tag zur Nacht machen wollen, zum Prideball im Club Täubchenthal (offiziell ab 22 Uhr) mit Liveacts geht.
Der CSD 2021 auf dem Ring & Augustusplatz
Video: LZ
Laut der neuen Schutzverordnung in Sachsen ist dies heute alles ohne Masken und Sicherheitsabstände möglich. Sicherlich nach den rund 16 Monaten ohne Party ein Umstand, der zu den hohen Teilnehmer/-innenzahlen heute beigetragen hat.
Ob dies Folgen hat, wird man nun wohl sehen müssen.
Ab 18 Uhr wollen die Veranstalter des Leipziger CSD zudem einen Livestream starten, welcher bis etwa 21:30 Uhr als Liveshow unter dem Motto „(un)sichtbar?!“ angekündigt ist.
Der Deutsche Wetterdienst meldet unterdessen um 16 Uhr für Mitteldeutschland Starkregengefahr, die Karte des Frühwarnsystems des Landes Sachsen ist mittlerweile für praktisch ganz Ostsachsen bis Höhe Chemnitz und Döbeln lila.
Was hier als höchste Warnstufe angegeben ist, muss nicht zwingend zu Überschwemmungen größten Ausmaßes führen, besagt aber mindestens, sich von Flussläufen auf jeden Fall fernzuhalten.
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