Obwohl es in Sachsen immer mehr Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen gibt, gehen Pandemie-Leugner/-innen weiter auf die Straße. Am Montag, dem 14. Juni, versammelten sich bei der „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ erneut rund 75 Personen auf dem Richard-Wagner-Platz. Bei einem anschließenden Aufzug um die Innenstadt hatte die Polizei einige Mühe, die Teilnehmenden vom Gegenprotest zu trennen. Bereits für Samstag, 19. Juni 2021, ist die nächste Demonstration angekündigt.
Mittlerweile scheint es einen harten Kern zu geben, der jeden Montag kommt. Ob es überhaupt keine Redebeiträge gibt – so wie heute – oder ob ein prominenter AfD-Politiker wie André Poggenburg da ist – so wie vor einer Woche –, macht offenbar keinen Unterschied. Stets sind etwa 75 Teilnehmer/-innen bei der „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ vor Ort, längst erkennt man die Gesichter wieder.Nachdem ein kurzer „Spaziergang“ in der vergangenen Woche wegen einer Blockade vorzeitig beendet werden musste, konnten die rechtsradikalen Pandemie-Leugner/-innen diesmal die Innenstadt komplett umrunden – allerdings auf dem Fußweg.
Blockaden ohne Erfolg
Vor allem auf der Strecke zwischen Richard-Wagner-Platz und Neuem Rathaus versuchten etwa 100 Gegendemonstrant/-innen, die Route erneut zu blockieren. Teilweise gelang ihnen das auch. Allerdings führte die Polizei die „Bürgerbewegung“ dann kurzerhand auf die Straße. Ein weiteres Mal an der Uni-Mensa bog der Demonstrationszug durch die Polizei geführt kurzerhand ab und umging eine kleinere Blockade.
Im weiteren Verlauf hielten sich zwar stets zehn bis 20 Personen vor dem Demoaufzug auf – mehr als eine kritische Begleitung trauten sie sich jedoch nicht zu.
Der Rest befand sich bis zum Ende des Rundgangs in einem Polizeikessel vor dem Neuen Rathaus. Anfangs war noch von etwaigen Straftaten einzelner die Rede, doch Belege dafür fehlten. Anschließend durften die gefangen Gehaltenen den Kessel exakt zum Zeitpunkt des Endes des „Spazierganges“ der „Querdenker“ laut Beobachter/-innen vor Ort ohne Identitätsfeststellung verlassen.
Inhaltlich lässt es sich bei der „Bürgerbewegung“ derweil recht simpel auf den Punkt bringen: Es ist mittlerweile eine offen rechtsradikale Veranstaltung. Das war bereits vergangene Woche bei der Einladung des scheidenden Landtagsabgeordneten André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) offensichtlich und das ließ sich auch diesmal hören und sehen.
Jung muss weg, soll aber reden
So riefen die Teilnehmenden etwa „Merkel muss weg“ und „Jung muss weg“. Parolen, die man aus Legida-Zeiten kennt. Dass einerseits „Jung muss weg“ gerufen wurde und andererseits der Oberbürgermeister kürzlich eine von der „Bewegung“ via Telegram verbreitete Einladung zum Dialog erhielt, erscheint dabei etwas widersprüchlich.
Zudem führten Teilnehmende ein Banner mit sich, das sich gegen die Bundeskanzlerin richtete und der Angst Ausdruck verlieh, man würde von dieser „abgeschafft“.
Neben den „Muss weg“-Parolen, die sich auch gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn richteten, war außer Trompeten und Pfeifen nicht viel Inhaltliches zu hören. Gefordert wurde aber auch, an die Kinder zu denken. Das wiederum war vor einigen Jahren ein beliebter Vorwand, um gegen Geflüchtete zu hetzen, die in der Nähe von Schulen untergebracht werden sollten.
Während der Pandemie hatte es in den letzten Monaten zudem immer wieder an verschiedenen Orten Demos für die Kinder gegeben – mal, weil man sie nicht mehr in die Schule geben wollte und dann, weil sie nicht in die Schule gehen durften – je nach Inzidenzwert wechselten so die Forderungen, die sich immer auch gegen Testungen und Masken richteten. Nun ist es die Impfung, gegen die sich der Protest wendet.
Anweisungen an Youtuber
Der Rundgang um den Ring dauerte etwa eine Stunde. Weder davor noch danach gab es Redebeiträge auf dem Richard-Wagner-Platz. Wer sich jedoch äußerte, war Veranstalter Volker Beiser, hörbar im Livestream eines mit der „Bürgerbewegung“ sympathisierenden Youtubers. Dort sagte er: „Der mit dem Wuschelkopf, merkt euch den.“ Gemeint war offenbar ein junger Journalist, der auch für die LEIPZIGER ZEITUNG vor Ort war und berichtet. Im Anschluss daran folgten mehrere Sequenzen, wo der Youtuber unseren Kollegen filmte.
Dieser wurde zudem nach Abschluss der Versammlung angerempelt, während er die Abreise der Teilnehmenden filmte (siehe Video, am Schluss). Die Person, die hinter dem Rempler lief, wies diesen vorher darauf hin, dass die Polizei in der Nähe sei – offenbar hielt dieser Hinweis von mehr Gewalt ab. Auch ein für die Dokumentationsplattform „chronik.LE“ aktiver Beobachter berichtete von Drohungen am Ende der Demonstration.
Neben der Versammlung der „Bürgerbewegung“ gab es erneut antifaschistischen Protest, der diesmal jedoch deutlich kleiner ausfiel als vor einer Woche. Etwa 70 bis 100 Personen waren am Abend vom Alexis-Schumann-Platz in der Südvorstadt zum Richard-Wagner-Platz gelaufen. Bei der kurzen Auftaktkundgebung thematisierten zwei Redebeiträge den Verfassungsschutz.
Wer sich gegen Rechtsradikale engagiere, könne sich auf den Staat nicht verlassen – so die Einschätzung. Zumindest an diesem Abend sollten die Antifaschist/-innen damit Recht behalten.
Die Demonstrationen vom 14. Juni 2021 im Video
Video: LZ
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Es gibt 4 Kommentare
@schoellu
Interessant, dass Sie den rechtsextremen Aspekt ansprechen.
Hatte bisher keiner so bezeichnet,
aber bei den paar krakeelenden Protestanten vor Ort könnte man natürlich das entsprechende Potential übersehen.
Aber Ihre vorurteilsfreie Außen-Betrachtung sollte man schon in Erwägung ziehen.
Hmm, ich habe mir das gestern mal vollkommen unaufgeregt und Vorurteilsfrei ansehen wollen, und ich weiß nicht, auf welcher Veranstalter der Autor des Beitrages war. Egal, was in manchen Köpfen vorgehen mag, ich habe keine rechtsextreme Veranstaltung gesehen. In einer Demokratie ist jede Meinung erlaubt, auch wenn sie anderen nicht passt. Wie aber muss man das Demkokratieverständnis des Autors einordnen, der folgendes Satz schreibt: “…mehr als eine kritische Begleitung trauten sie sich jedoch nicht zu.” Ach, wäre die offen gezeigte Gewaltbereitschaft der “Antifa” das, was er sich vorstellen würde? Nur die besonnene Polizei hat genau das verhindert. Ehrlich, ich hatte ein ungutes Gefühl, etwas Angst vor der zur Schau gestellten Arggessivität war dabei. Und wenn er die “Sprüche” kritisiert – ok, kann man. Hat er auch die üblen Beschimpfungen der Demonstranten und sinnbefreiten Parolen der “Antifa” zur Kenntnis genommen? Sachliche Berichterstattung täte gut.
Wo bleibt nur die “Merkel-Diktatur” wenn man sie braucht.
In einer vernünftigen Diktatur, die sich selber ernst nimmt, wären die schon längst “verschwunden” oder würden, wie Protassewitsch in Weißrussland, im Staatsfernsehen Loblieder auf die Diktatur singen.
Ahja, das ist jetzt also der Rest, des sich nicht Impfen lassen wollenden Häufchens der “Bürgerbewegung”.
Aber irgendwie haben die ja recht, dass sie mit Impfung besser überleben könnten.
(Wenn ich böse wäre, würde ich allerdings fragen wozu. Aber die Sterben doch jetzt aus, samt ihrer rechts-konservatierend wollenden, wirtschaftsneoliberal gesteuerten k.u.k. Revolution. Die kurzen Ansagen habe ich so verstanden. Danke.)
Dass die Polizei den Gegenprotest als Schutz des Neuen Rathauses festgehalten hat,
naja, finde ich dann doch irgendwie O.K.
PS: Meine nächste Frisur wird übrigens vermutlich ein “Wuschel” <3 sein,
danke für den Tipp <3.
Und im Ernst, solange nicht alle geimpft sein können, vor allem nicht die Kinder.
Achtsam, Abstand, Maske, wo zu eng.
Diffuses Geschehen nicht in den Herbst kollabieren lassen.
Nachverfolgung der Virus-Mutationen ermöglichen.
Auch wenn die Grenze zwischen Selbstgefährdung und der Gefahr für andere z.Zt. schwimmend erscheint.
Aufmerksamkeit auf den liebsten Nächsten und manchmal auf den bösen Nachbarn auch.
Und wer nichts anderes mehr weiß, als das eigene vereinfachte Weltbild in Form von imaginierten, personalisierten Feindbildern weg zu schreien.
Kann weg. Ganz schnell. Zur Not auch mal im Slalom über den erlaubten Fußweg.
Hauptsache, schnell weg.
Dankeschön dem aufmerksamen Gegenprotest und der Polizei, dass sie sich der "Begleitung" dieser "Schreikinder" annehmen musste.
Zur Erlaubnis der Versammlungsbehörde bin ich geteilter Meinung.
Aber na gut, sonst gäbe es ja auch kein herzliches Dankeschön für's Dokumentieren.