Vor dem Schöffengericht München wurde am 27.05.2021 einer der Haupttäter einer Massenschlägerei von etwa 100 Fußballfans anlässlich des Spiels 1860 München gegen Carl Zeiss Jena recht milde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Dessen Münchner Rechtsanwalt Gerald Assner (58) ist für Fußballfans in Bayern ein bekannter Name als Fananwalt. Im Anschluss an das Urteil das nun folgende Interview mit Herrn Rechtsanwalt Assner.

Ihr Mandant kam noch mal mit einer Bewährung davon, einfach nur Glück gehabt?

RA Gerald Assner: Zunächst einmal konnten wir darlegen, dass es eine verabredete Auseinandersetzung war und nicht etwa ein Überfall. Nach Sichtung der Videos, die von Nachbarn des Gartenlokals aufgenommen wurden, gab es an der Tatbeteiligung nichts wegzudiskutieren. Mein Mandant war geständig und reumütig, er hat sich seitdem (13.09.2019) nichts mehr zuschulden kommen lassen, er hat eine feste Arbeitsstelle und eine feste Beziehung, also alles was für eine Bewährung spricht.

War er denn mal in Untersuchungshaft?

RA Gerald Assner: Nein, er war nicht in Haft, Gott sei Dank, sonst hätte er Probleme mit seiner Arbeitsstelle bekommen.

Sie sind als Fananwalt Mitglied der Blauen Hilfe 1860, was ist der Zweck einer solchen Organisation?

RA Gerald Assner: In einer Fanhilfe sind Rechtsanwälte tätig, die sich sehr gut mit den Themen der aktiven Fußballfans auskennen, sei es während des Spieltages, wenn es z.B. Probleme mit der Polizei gibt, sei es zu Fragen von Stadionverboten insbesondere zur Stadionverbotsrichtlinie, oder sei es mit speziellen Straftatbeständen, beispielsweise im Zusammenhang mit Landfriedensbruch oder Abbrennen von Feuerwerk.

Die Fananwälte z. B. der Blauen Hilfe 1860 oder der Rot-Schwarzen Hilfe Nürnberg sind allesamt normale Rechtsanwälte mit breitgefächerter Berufserfahrung, die sich zusätzlich noch mit den Rechtsproblemen der aktiven Fanszene auskennen. Es ist bei allen Spielen (abgesehen von Corona) mindestens ein Fananwalt vor Ort dabei und auf Handy erreichbar. Hat ein Fan ein Verfahren, bekommt er einen Anwalt zu günstigen Tarifen, etwa für die Pflichtverteidigergebühr in Strafsachen.

Aber auch wenn ein Fan irgendeine sonstige rechtliche Frage hat, kann er sich telefonisch an einen der Fananwälte wenden und bekommt regelmäßig eine kostenlose oder kostengünstige Auskunft. Die Blaue Hilfe 1860 hat gut 500 Mitglieder. Der Jahresbeitrag beträgt mindestens € 36.- pro Jahr, viele geben aber mehr.

Blaue Hilfe 1860 und Rot-Schwarze Hilfe Nürnberg siegen in Rostock

Hat jeder Verein eine solche Fanhilfe?

RA Gerald Assner: Nicht jeder Verein, aber viele. Auch wird häufig zusammengearbeitet. So gab es z.B. am 31.10.2018 das Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und dem 1. FC Nürnberg. Wegen einiger Sachbeschädigungen wurden an 318 Personen, die dem Nürnberger Club zugerechnet wurden, von der Rostocker Justiz Strafbefehle wegen Landfriedensbruchs verschickt.

Da hier Fans vom Club und von den Münchner Löwen betroffen waren, arbeiteten die Blaue Hilfe 1860 und die Rot-Schwarze Hilfe zusammen. Gegen alle Strafbefehle wurden Einsprüche eingelegt. Bei der ersten Gerichtsverhandlung (mehrere Beschuldigte) war für die Blaue Hilfe 1860 die Münchner Rechtsanwältin und Fananwältin Ulrike Wech am Start. Diese erkämpfte gemeinsam mit den Nürnberger Fananwälten ausnahmslos Freisprüche. Dies war ein Präzedenzurteil, weil alle Fälle gleichgelagert waren.

So war die Rostocker Justiz gezwungen, alle Strafbefehle wieder zurückzunehmen und dies dann selbstverständlich auf Kosten des Hauses, sodass die 318 Beschuldigten auf keinerlei Kosten sitzen blieben. Ich denke, ein solches Ergebnis war nur durch die Zusammenarbeit der Fanhilfen realisierbar, insbesondere dass keiner durchs Netz gerutscht ist, also dass kein Strafbefehl rechtskräftig wurde. Auch blieben dadurch alle Fans von einem Stadionverbot verschont.

Stichwort Stadionverbot, Sie erwähnten eine Stadionverbotsrichtlinie, was genau bedeutet dies?

RA Gerald Assner: Die Stadionverbotsrichtlinien wurden von der DFL und vom DFB für die Ligen 1-4 aufgestellt, um bezüglich der privatrechtlichen Stadionverbote einheitliche Regelungen zu schaffen. Mit “Privatrechtlich” meine ich die Stadionverbote, die durch die Vereine ausgesprochen werden und nicht etwa durch die Justiz. In den Stadionverbotsrichtlinien wird detailliert festgelegt, für welches Vergehen es Stadionverbot gibt und für welchen Zeitraum dieses gilt, und ob das Stadionverbot bundesweit gilt oder nur bezogen auf ein bestimmtes Stadion.

Auch ist festgelegt, dass wenn ein Strafverfahren eingestellt wird, dass es dann wegen des zugrunde liegenden Vorwurfs kein Stadionverbot geben darf. Die Vereine haben sich verpflichtet, sich an diese Richtlinien zu halten. Die Justiz orientiert sich bezüglich Stadionverboten als Bewährungsauflage auch an diesen Richtlinien. Angenehm für die Fans derzeit ist, dass die Stadionverbote – egal ob durch Verein oder Justiz auferlegt – wegen Corona nun alle ohne Einschränkungen ablaufen.

Wie wirkt sich denn Corona auf die Fanhilfen aus?

RA Gerald Assner: Sie sehen aus dem Urteil vom 27. Mai, dass Fälle aus der Vor-Corona-Zeit durchaus noch nicht alle erledigt sind. Außerdem geht das Leben für die Fans auch während Corona weiter, sodass auch weiterhin immer wieder mal rechtliche Probleme entstehen können. Hinzu kommen die rechtlichen Probleme, die die Corona-Maßnahmen selbst produzieren und dies sind nicht wenige.

Die Blaue Hilfe 1860 hat während der Corona-Zeit jedenfalls keine Mitglieder verloren, aber (auch) ich sehne mich selbstverständlich wieder nach der Zeit, in der man wieder ins Stadion gehen kann und danach in eine der wunderschönen Gaststätten in München-Giesing.

Diese Zeiten wünschen wir uns alle wieder und Ihnen dann weiterhin viel Freude an Ihren Münchner Löwen!

RA Gerald Assner: Merci … und: Einmal Löwe immer Löwe!

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