In der ersten bundesweiten Vergleichsstudie der Maßnahmen, die die Bundesländer gegen Hass im Netz ergreifen, landet Sachsen auf Platz 4 und damit vor dem Nachbarland Sachsen-Anhalt, das Platz 7 erreicht. Die ersten Plätze belegen Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Erst recht deutlich vor Thüringen und Brandenburg. Was noch nicht bedeutet, dass sie erfolgreich gegen Hassrede im Netz vorgehen, sondern erst einmal, dass sie überhaupt solche Instanzen geschaffen haben, die gegen Hassrede im Internet vorgehen können. Immerhin ein Anfang.

Die Studie untersucht, wie die Bundesländer gegen Hasskriminalität im Internet vorgehen. Dafür wurden die Ministerien aller 16 Bundesländer zu bestehenden sowie geplanten Aktivitäten befragt. Die Studie „#KeinNetzfürHass“ wurde im Auftrag der Demokratie-Stiftung Campact und der Amadeu Antonio Stiftung vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena durchgeführt. Berücksichtigt sind Maßnahmen bis Sommer 2020.Miriam Schader, Koordinatorin der Studie bei Campact, erklärt zum Abschneiden Sachsens: „Sachsen liegt im Bundesländervergleich an vierter Stelle und ist damit im Kampf gegen Hass im Netz auf einem guten Weg. Zugleich ist Sachsen ein gutes Beispiel, wie auf Worte Taten folgen können: Mit zahlreichen neuen Initiativen sagt die Landesregierung Hass im Netz den Kampf an.“

Besonders gut schnitt der Freistaat bei den ressortübergreifenden Maßnahmen und im Bereich Bildung ab. So steht das Thema Hass im Netz im sächsischen Schullehrplan und wird in Fortbildungen für Lehrkräfte behandelt. Von Hatespeech betroffenen Schüler/-innen stehen zudem staatlich geförderte Beratungsangebote zur Verfügung.

Besonders lobt die Studie auch das Medienprojekt „Schule und digitale Demokratie“ der Aktion Zivilcourage. Ebenso wurde die Einrichtung der „Arbeitsgemeinschaft Hatespeech – Gegenrede“ bei der Koordinierungsstelle Medienbildung gelobt. Als einziges Bundesland erfasst Sachsen Verurteilungen zu Hasskriminalität mit und ohne Internet und kann dazu konkrete Angaben machen.

Matthias Quent, Direktor des IDZ in Jena: „Die durchgeführte Studie zeigt, dass überall in Deutschland neue Strukturen zur Bekämpfung von Hate Speech entstehen. Sie belegt aber auch, dass viele Länder im Kampf gegen Hass im Netz erst am Anfang stehen – es bleibt viel zu tun.“

Wofür im Grunde exemplarisch das Bundesland Hessen steht, wo sich niemand die Mühe machte, die Fragebögen auszufüllen. Stattdessen hat man nur eine allgemeine Antwort geliefert, aus der keinerlei Bewertung erstellt werden konnte. Möglicherweise ein symptomatischer Vorgang, wenn man bedenkt, wie schwer sich das Bundesland mit den immer neuen Drohungen unter dem Label NSU 2.0 tut.

Andererseits bescheinigen die Studienautor/-innen auch den Bundesländern, die auf mehr als 50 Prozent der Bewertung gekommen sind, dass hier nach wie vor noch jede Menge Luft nach oben ist. Und zwar auch in Sachsen gerade im Punkt „Verfolgung von Hatespeech“.

Dazu heißt es in der Studie: „Mit 14 von 40 Punkten (entspricht 35 %) erlangt Sachsen mit den Maßnahmen für Anzeigen und polizeiliche Ermittlungen den 9. Platz. Als geplant angekündigt wurden eine staatliche bzw. behördlich verantwortete Meldeplattform sowie geschulte Polizeibeamt/-innen als Ansprechpersonen für Opfer von Hate Speech im Internet. Vereinbarungen zwischen Medien und Polizei zur Weiterleitung von Hasspostings existierten bereits.

Auch konnten alle Menschen Hatespeech im Internet inklusive Bilddateien anzeigen und Hasspostings auch anonym melden. Die Angaben zur Polizeiausbildung zeigten eine Auseinandersetzung in diversen Modulen, auch mit Konzepten der Hasskriminalität, ohne dass Lehrveranstaltungen explizit für das Thema Hatespeech bzw. Hasspostings im Internet ausgewiesen werden konnten. Perspektivisch ist eine Einbettung des Themas in den Bereich Cybercrime mit einer Lehrveranstaltung geplant.

Fakultative Fort- und Weiterbildungsangebote für Beamt/-innen gab es hingegen bisher nicht. Verneint wurden eine für das Thema beauftragte Person für den Polizeibereich, eine dauerhafte Ermittlungsgruppe sowie Onlinestreifen für das eigenständige Suchen nach entsprechenden Offizialdelikten. Es fehlten außerdem Kooperationen mit nichtstaatlichen Meldeplattformen sowie der Kommission für Jugendschutz bzw. jugendschutz.net zur Prüfung von Inhalten im Netz auf Entwicklungsbeeinträchtigung bzw. Jugendgefährdung.“

Aber immerhin konnte Sachsen schon Zahlen zu Verurteilungen wegen Hassrede (Paragraf § 46 Abs. 2 StGB) vor allem im Bereich rechtsextremer Kriminalität aus dem Jahr 2019 melden – immerhin 71 Fälle, in denen es dazu ein Urteil gab. Insgesamt erreichte Sachsen 49 Prozent der möglichen Punktzahl – hinter Bayern (58 Prozent), Berlin und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 52 Prozent. Andere Bundesländer wie Thüringen (32 Prozent) und Brandenburg (27 Prozent) scheinen noch jede Menge Nachholbedarf zu haben. Denn deutlich macht die Studie ja, dass Hassrede im Internet nur systematisch verfolgt werden kann, wenn die entsprechenden Warnsysteme funktionieren und dahinter auch entsprechend ausgestattete Strafverfolgungsbehörden existieren.

Natürlich nicht zu vergessen, die Sensibilisierung der Jugendlichen, der Medien und ihrer Nutzer. Denn wenn Hassrede als solche bemerkt und eben nicht (wie auf einigen Plattformen) einfach geduldet wird, ändert sich logischerweise auch die Einstellung der Gesellschaft zu diesem Problem.

Dann wächst auch das Verständnis dafür, wie hasserfüllte Kommentare das gesellschaftliche Miteinander zerstören und wie wichtig es ist, Verbreiter von Hass zu sanktionieren. Denn wer den gesellschaftlichen Diskurs derart zerstört, der will den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören. Meist unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit, selbst da, wo eindeutig definierte Straftatbestände erfüllt sind. Hier haben staatliche Behörden viel zu lange zugeschaut.

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