Fünf Jahre ist es nun bereits her, dass über 250 Neonazis und Hooligans in der Wolfgang-Heinze-Straße im Stadtteil Connewitz 25 Wohnungen, Bars und Geschäfte angriffen und teils schwer beschädigten. Die überlange Verfahrensdauer kam am Mittwoch einem Protagonisten der Leipziger Hooliganszene zugute. Der bekannte Rechtsextremist Thomas K. (33) kam wieder einmal mit einem blauen Auge davon.
Das Vorstrafenregister zählt elf Einträge. Vor allem Körperverletzungen brachten Thomas K. seit 2003 immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz. Der Markranstädter zählt zu den schillernden Protagonisten der Szene, für die Gewalt Mittel zum Zweck ist. In Leipzig stand der Hooligan zuletzt im August 2020 vor Gericht.
Der Vorwurf damals: Zusammen mit drei Unbekannten soll er eine politisch linksgerichtete Person erst verfolgt und dann brutal verprügelt haben. Das Opfer erlitt eine gebrochene Wade, Platzwunden und Hämatome. Trotz der vielen Vorstrafen erkannte das Amtsgericht auf elf Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Für den Angeklagten fast wie ein Freispruch zweiter Klasse. Auch diesmal konnte sich der gelernte Fahrzeuglackierer als Sieger über die Justiz fühlen. Verteidiger Volker Trautmann hatte im Vorfeld unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Deal ausgehandelt, der seinem Mandanten ganz gelegen kam.
Richterin Ines Walther genügten ein paar halbgare Worte als ein Geständnis, das von Reue und Schuldeinsicht getragen sein soll. Thomas K. brauchte keine allzu großen Details preisgeben. Über offenkundige Widersprüche sahen Gericht und Anklage hinweg. Dass der Neonazi, der sich selbstredend im hinteren Teil der schwarzvermummten Meute aufgehalten haben möchte, die zahlreichen Schlagwerkzeuge der Mitangreifer nicht gesehen haben will – geschenkt.
Während des gut zehnminütigen Geschehens möchte er entgegen aller Videoaufnahmen weder die „Hooligan, Hooligan“-Rufe gehört noch die zahllosen Bengalos wahrgenommen haben. Unglaubwürdig. Anschließend gestand ihm das Gericht sogar zu, die Namen anderer Beteiligter nicht zu nennen.
Das hätte er freilich tun können. Schließlich wurden diverse Personen aus seinem Umfeld längst rechtskräftig wegen ihrer Beteiligung an dem Angriff verurteilt. Ihm sei lediglich aufgefallen, dass ein, zwei Leute, die er vom Fußball kannte, ebenfalls von der Polizei festgenommen wurden. Die einfache Tatsache, dass sein Onkel ebenfalls vor Ort war, räumte der stämmige Lok-Fan erst auf Nachfrage Walthers nickend ein.
Wie ernst sind vor diesem Hintergrund reumütige Beteuerungen zu nehmen?
„Es tut mir Leid“, sagte der Rechtsextremist in seinem Schlusswort. „Wenn ich damals gewusst hätte, was da passiert, wäre ich nicht mitgelaufen.“ Staatsanwältin Sandra Daute bemühte sich trotz allem, eine positive Sozial- und Kriminalprognose zu konstruieren, um den Deal nicht auf der Zielgeraden platzen zu lassen.
„Sie rettet für mich heute nur, dass wir das Verfahren fünf Jahre später verhandeln“, mahnte die Juristin. Amtsrichterin Walther und ihre zwei Schöffinnen folgten Dautes Antrag. Zwei Jahre auf Bewährung unter Einbeziehung der Vorstrafe. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
Weil Strafen oberhalb von zwei Jahren nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können, müsste der Vater einer 6-jährigen Tochter schon bei einem geringen Vergehen innerhalb dieses Zeitfensters die Inhaftierung fürchten. „Das sollte Ihnen eine Lehre sein für die Zukunft“, sagte Walther und erinnerte den Angeklagten an seine familiäre Situation.
„Ihrer Tochter zu vermitteln, dass der Papa im Knast sitzt, ist bestimmt nicht so angenehm. Wer will das schon?“.
Im gleichen Termin verurteilte das Schöffengericht einen 30-Jährigen aus Neukieritzsch zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Pascal H. hatte seine Beteiligung an dem Angriff in einem kurzen Statement eingeräumt, das sein Anwalt für ihn abgegeben hatte.
Das Gericht hielt beiden Männern zugute, dass ihre Geständnisse den zahlreichen Geschädigten ein Erscheinen bei Gericht erspart hätten. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Pascal H. gab zu Protokoll, auf das Einlegen eines Rechtsmittels verzichten zu wollen.
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