Wahlkämpfe sind Zahlkämpfe. In den USA ganz besonders. Geschätzte 10,9 Milliarden Dollar werden dieses Mal für die Stimmenmache ausgegeben. Das entspricht dem Bruttosozialprodukt von Äquatorialguinea. Was irgendwie passt, schließlich bedeutet Äquator Gleichmacher. Wobei ich gleich mal noch ein anderes Thema aufmachen muss. Die oft vertretene Ansicht, die Wahlkämpfe würde immer teurer werden, stimmt nämlich nur bedingt.
Zwar gibt es dieses Jahr tatsächlich einen monströsen Sprung in den Ausgaben, da sich die Gesamtsumme im Vergleich zu 2016 von rund sieben Milliarden auf knapp elf Milliarden erhöht hat. Allerdings ist es das erste Mal seit zwölf Jahren, dass die Präsidentschaftswahlkämpfe wieder teurer werden. 2012 und 2016 war nämlich inflationsbereinigt weniger Geld ausgegeben worden als 2008.
Die Ausgaben fürs Rennen um die Sitze im Kongress sind dagegen mehr oder weniger stetig gestiegen. Aktuell fließen von den 10,9 Milliarden rund 5,7 Milliarden in die Kongresswahlkämpfe, während 5,2 Milliarden Dollar fürs Präsidentschaftsduell draufgehen.
Das Geld selbst sprudelt aus einer Vielzahl an Quellen, wobei manche ganz schön dunkel sind und sich die Kröten bei einigen ganz schön schmierig anfühlen. Big Oil hat jedenfalls mal wieder die Schleusen geöffnet und unterstützt Trump und die Republikaner mit Millionenbeträgen. Das meiste Geld kommt aber weiterhin aus den offiziellen Kampagnen und aus den Spendeneinnahmen der jeweiligen Partei-Komitees.
Trump und seine Republikaner lagen bei den Geldsammelaktionen lange Zeit deutlich in Führung und wirkten fast schon uneinholbar, was freilich auch damit zu tun hatte, dass Trump schon seit 2016 Wahlkampf betreibt und als Kandidat viel eher feststand als Biden. Aber inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Biden hat den Sommer über massiv aufgeholt, und inzwischen hat seine Kampagne die von Trump übertrumpft.
Allerdings sind die offiziellen Präsidentschafts-Kampagnen und die jeweiligen Parteikassen nicht die einzigen Geldtöpfe. Dazu kommen noch die von allen Finanzierungseinschränkungen befreiten Super-PACs, und die buttern ordentlich Geld in Trumps Kasse. Genau wie die CEOs der großen amerikanischen Unternehmen, deren Spenden mehrheitlich Trump zugute kommen, der bisher fünf Mal so viel Geld von den Bossen bekommen hat wie Biden.
Alles in allem haben sowohl Biden als auch Trump inzwischen jeweils über eine Milliarde Dollar an Spenden gesammelt. Trump hat allerdings auch schon mehr als eine Milliarde ausgegeben, und aktuell kommt bei ihm wesentlich weniger rein als bei Biden. Trumps Team ist deshalb gezwungen, zu sparen, und zwar auch da, wo es wehtut. So wurde in den wichtigen Staaten im Mittleren Westen eine Reihe geplanter Anzeigen zurückgezogen – offenbar aus Geldmangel.
Aber auch steigende Ausgaben abseits der eigentlichen Wahlkampfzwecke kommen das Trump-Team teuer zu stehen: Seit 2015 hat Trump fast 60 Millionen für Anwälte ausgegeben, wobei die Prozesse nicht nur seine Position als Präsident, sondern auch seine geschäftlichen Unternehmungen betreffen. Das Geld für die Anwälte stammt zum Großteil aus der Spendenkasse der Republikaner, derweil sich Trump selbst schadlos an seiner Partei hält. Das Republican National Commitee und andere Spendensammler müssen jedenfalls zahlen, wenn sie Trumps Anwesen und Hotels nutzen wollen.
Mehr als 17 Millionen Dollar sind auf diese Weise bereits zurück in Trumps Taschen geflossen. Trump selbst hat dagegen noch keinen einzigen Cent in seine Wiederwahl gesteckt und bisher immer nur davon geredet, möglicherweise eigenes Geld einzusetzen. Zum Vergleich: 2016 hatte Trump rund 66 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen lockergemacht. Aber gut möglich, dass er inzwischen gar keine 66 Millionen Dollar mehr hat, da ihm nicht nur die Steuerbehörde im Nacken hängt, sondern auch diverse Banken ihre Kreditraten beglichen sehen wollen.
Trump bezeichnet die Geldprobleme natürlich als Fake News und gibt weiter den finanziellen Knallprotz. Damit das Selbstbild auch von außen keine Risse bekommt, hat sein Wahlkampfteam für 400.000 Dollar Wahlwerbespots im Kabelfernsehen von Washington D.C. gekauft, und das, obwohl Trump in der Stadt letztes Mal nur 4 % der Stimmen geholt und auch diesmal nicht den Hauch einer Chance hat.
Der Grund für die sinnlose Geldausgeberei: Trumps Wahlkampfhelfer wissen, dass ihr Chef sein geliebtes Fox News über die Washingtoner Kabelkanäle empfängt und sehr glücklich ist, wenn er sich selbst im Fernsehen sieht. Wahlwerbung im Zeitalter der Ego-Politik. Nicht als Akt der Überzeugung anderer, sondern zur Bestätigung des eigenen Ich. Spot an, Spott aus, sozusagen.
Weil Trump aber nicht nur in Werbespots, sondern auch auf Veranstaltungen zu den Leuten spricht, haben seine Wahlkampfhelfer auch gleich noch für über 100.000 Dollar Handyhüllen bestellt. Die Dinger dienen allerdings nicht dem Schutz der Telefone, sondern dem von Teflon-Don. Sie sollen nämlich verhindern, dass die Besucher bei Spendenveranstaltungen mit Trump dessen Kommentare und Aussagen mitschneiden.
Denn das ist das Problem: Während man bei einem Wahlwerbespot die Realität so lange zurechtschneiden kann bis sie den eigenen Fiktionen entspricht, bleibt bei den Spendenveranstaltungen womöglich ein bisschen zu viel Realität an den Aufnahmetasten der Handys kleben. Also werden die Leak- und Laberknochen digital stillgelegt.
Die Sache mit den Handyhüllen ist der neueste Schrei bei Konzerten, um Mitschnitte zu verhindern und die Leute davon abzuhalten, die Bands auf der Bühne nur noch durch ihre Handys anzuglotzen. Da es aktuell aber kaum noch Konzerte gibt, hat die hinter den Handyhüllen stehende Firma namens Yondr ihr Geschäftsfeld ausgedehnt und freut sich, dass statt Rockstars auch die Republikaner ihre rhetorischen Keuschheitsgürtel verwenden.
Die Offline-Order funktioniert so: Wer ein Treffen mit Trump oder einem anderen wichtigen Republikaner besucht, muss sein Handy vorher in eine grau-grüne Hülle stecken. Die Hülle wird dann mit einem Magnetpin digital verschlossen, der sich erst nach dem Treffen wieder öffnen lässt. Die Leute können ihr Handy damit weiterhin bei sich haben und zwar ohne, dass es Trump etwas anhaben kann.
Die ganze Aktion ist auf dem Mist von Trumps Digital-Guru Brad Parscale gewachsen, der nicht nur ein Nerd ist, sondern auch ein Meister im Geldausgeben war, und zwar selbst dann, wenn er gar keins mehr hatte. Was darauf hindeutet, dass sich Brad Parscale in Fragen der Finanzplanung Donald Trump zum Vorbild genommen hatte.
Allerdings ist Parscale im September geschasst worden, und zwar nicht nur wegen Erfolglosigkeit und Kompetenzüberschreitung, sondern auch, weil er in eine gewalttätige eheliche Auseinandersetzung mit seiner Frau verwickelt war, in der auch Alkohol und Waffen eine Rolle gespielt haben, weshalb Brad Parscale zurücktreten und für ein paar Tage weggesperrt werden musste. Analog stillgelegt, sozusagen.
Aber gut, dieses Tagebuch ist nicht dazu da, sich an privaten Katastrophen und Konflikten zu laben, sondern sucht den Sinn im Sozialen. Und da fällt mit Blick auf die eingeworbenen Spendengelder auf, dass Trump in allen Counties größere Unterstützergruppen hat, während sich die von Joe Biden vor allem an der Ost- und Westküste konzentrieren.
Laut einer vom National Public Radio erstellten Karte, die die geografische Verteilung des Spendenaufkommens zeigt, hat Trump nur aus zwei Counties keine größeren Summen erhalten. Eins davon ist Oglala Lakota in South Dakota. Dort gehören 90 % der Bevölkerung dem Stamm der Oglala an, und die sind bekannt dafür, nur demokratische Präsidenten zu wählen. Seit 1952 hat kein republikanischer Kandidat mehr die Mehrzahl ihrer Stimmen bekommen, und als Obama 2012 zur Wiederwahl antrat, haben ihm die Oglala mit 93,39 % den höchsten Stimmenanteil in sämtlichen Wahlkreisen der USA beschert.
Der andere Wahlkreis, aus dem Trump bislang nichts bekommen hat, ist Guadalupe County in New Mexico, nicht zu verwechseln mit Guadalupe County in Texas. Aus letzterem ist nämlich schon über eine Viertelmillion Dollar in Trumps Wahlkampfkasse geflossen, was allerdings auch nicht überraschend ist, da Trump 2016 in dem Wahlkreis 63 % der Stimmen geholt hat und die Leute dort fast immer die Republikaner gewählt haben.
Sogar in den Jahrzehnten zwischen 1876 und 1948, als der Rest von Texas – wie der gesamte Süden der USA – mehrheitlich demokratisch dominiert war, was man sich heute kaum noch vorstellen kann. (Nebenbei bemerkt: die frühen Wahlerfolge der Republikaner im texanischen Guadalupe lagen auch im „deutschen Erbe“ der Gegend und dem knochenharten Konservatismus der „German immigrants“ begründet, der bis heute fortwirkt.)
In Guadalupe County in New Mexico sieht die Sache dagegen ganz anders aus. Da hat Trump 2016 nicht mal ein Drittel der Stimmen geholt, und auch sonst wählen die Leute dort traditionell eher die Demokraten. Dass Trump aus diesem Wahlkreis bislang kein Geld bekommen hat, liegt aber gewiss nicht nur an der politischen Gesinnung der Leute und daran, dass in dem County nur etwas mehr als 4.000 Menschen wohnen.
Es hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass bei vielen Menschen das Geld nicht mehr so locker sitzt wie noch vor Corona. Vor allem bei denen, die schon vorher nicht viel hatten und infolge der Pandemie noch weniger haben. In Guadalupe County in New Mexico leben jedenfalls 24,3 % der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Landesdurchschnitt, der in den USA aktuell bei 10,5 % liegt. Und das sind die Werte vor Corona. Die wirklichen Zahlkämpfe stehen den Vereinigten Staaten also erst noch bevor. Es werden Verteilkämpfe werden.
Alle Auszüge aus dem „Tagebuch eines Hilflosen“.
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