Es scheint eine kleine Ironie der großen Geschichte zu sein, dass ausgerechnet während der Präsidentschaft von Donald-The-Ol'-King-Coal-Trump der Kohleverbrauch der USA unter den der erneuerbaren Energien gefallen ist. Zum ersten Mal seit 135 Jahren. Der Blick auf die Verbrauchsstatistik zeigt die Wachablösung in Form von zwei Graphen – und beschreibt dabei einen fast schon romantischen Moment.
Der Kohlegraph trifft, von oben kommend, auf jenen, der für die erneuerbaren Energien zuständig ist. Eine kurze Berührung, ein flüchtiger Kuss, dann ist der Machtwechsel auch schon vollzogen. Der Graph der Erneuerbaren hat die Führung übernommen und strebt dem Himmel entgegen, während sich der Kohlegraph in Richtung Erdreich bewegt. Back to the roots, sozusagen.
Wobei es auf den ersten Blick fast wie eine Rochade aussieht, denn die beiden Graphen haben ihre Position schon einmal getauscht. 1885 war das. Historisch betrachtet war es eigentlich die Zeit, in der die ersten Wasserkraftwerke in den USA Energie zu erzeugen begannen, doch waren die Einsatzgebiete des Wassers begrenzt und das „braune Gold“ damals bereits weithin etabliert, schließlich hatte es seinen Siegeszug schon Jahrzehnte zuvor in den hungrigen Bäuchen der Dampfmaschinen, Eisenbahnen und Schiffe angetreten.
Mit dem Aufkommen der ersten Elektrizitätskraftwerke – beginnend mit der Pearl Street Station in New York im Jahre 1882 – fing die Kohle an, auch die amerikanische Energieerzeugung zu dominieren und war von da an nicht mehr zu stoppen.
135 Jahre lang war die Kohle den Erneuerbaren in den Verbrauchszahlen weit überlegen. Jetzt aber ist es damit vorbei. Wie neue Daten des Energieministeriums zeigen, haben die erneuerbaren Energien die Kohle mit dem Jahr 2019 überholt. 11,5 Billiarden konsumierten BTU-Einheiten bei den Erneuerbaren stehen 11,3 Billiarden bei der Kohle gegenüber. Für die erneuerbaren Energien bedeutet das ein neues Allzeithoch, während der Wert für die Kohle auf den des Jahres 1964 zurückgefallen ist.
Der Grund dafür ist einfach. Die Erneuerbaren sind einfach lukrativer geworden, und zwar nicht nur fürs Gewissen, sondern auch für den Geldbeutel. Schließlich haben selbst die gewissenlosesten unter den Finanzkapitalisten inzwischen gemerkt, dass sie mit ihren Investitionen in die fossilen Energieträger Milliarden verbrennen. Kein Wunder, dass Black Rock und Co. – getrieben vom Geld und immer noch frei von Gewissen – inzwischen umzusteuern beginnen.
So weit, so erwartbar. Was dagegen oft übersehen wird, ist die Rolle, die das Holz bei der Auseinandersetzung spielt. Holz wird – in Form von Biomasse – schließlich auch zu den erneuerbaren Energien gezählt, und zwar schlicht und einfach, weil es nachwachsend ist. (So gesehen müsste allerdings auch die Kohle zu den erneuerbaren Energien gezählt werden, man müsste nur den Zeitraum des Nachwachsens ein bisschen vergrößern …)
Aber wie dem auch sei, was die Nutzung des Holzes betrifft, so war es lange Zeit der einzige Energieträger überhaupt.
Im Jahre 1645 taucht es dann auch erstmalig in einer „amerikanischen“ Statistik auf. Die Zahl dahinter lautet 0,001, was bedeutete, dass anno 1645 in den USA bzw. dem winzigen Stück Ostküste, das damals „Neuschweden“ hieß, 0,001 Billiarden Energie-Einheiten durch Holzverbrennung erzeugt wurden. Alle anderen Werte der Statistik standen damals auf Null. Und das blieb auch so. Bis 1850, als sich der Kohlegraph langsam erhob.
Allerdings wurde der Energiehunger zunächst nur in geringem Maße von der Kohle gedeckt, und auch in den Jahren danach stiegen die Verbrauchswerte der Kohle nur ganz langsam an, weshalb in den 1860er Jahren die Furcht aufkam, den sich immer schneller industrialisierenden Nationen könnte schon bald der Treibstoff ausgehen. Dann würden die Maschinen stoppen und die an ihnen hängenden Menschen buchstäblich verhungern. Aber so weit kam es nicht.
Im 20. Jahrhundert explodierten die Verbrauchswerte bei den fossilen Energieträgern. Erst jener der Kohle (ab 1900), dann der des Öls (ab 1920) und schließlich auch der des Erdgases (ab 1940), während mit Holz eher auf kleiner Flamme weitergekocht wurde. Entscheidend aber ist (und darum geht es mir hier), dass sich das Holz im Laufe der Zeit – erst kategorisch und schließlich auch kognitiv – von den fossilen Energieträgern zu trennen begann. Eine Entwicklung, die sich parallel mit der Wiederentdeckung und Popularisierung des Begriff der „erneuerbaren Energien“ vollzog, die Ende der 1970er Jahre einsetzte.
Seither wird Holz in der Gruppe der Erneuerbaren einsortiert, mit Geothermie, Sonnen-, Wind- und Wasserkraft zusammengerechnet und den fossilen Energieträgern gegenübergestellt. Nicht nur in den USA, auch in Deutschland und der EU ist das so. Und der Anteil des Holzes ist groß. Zwar nicht (mehr) bei der Energieerzeugung, wohl aber bei der Wärmegewinnung. In Deutschland gingen 2019 fast zwei Drittel der durch erneuerbare Energien erzeugten Wärme auf das Konto biogener Festbrennstoffe, wozu vor allem Holz und Holzpellets zählen. Kein Wunder, dass die europäische Statistikagentur Eurostat bei ihrer Analyse der Primärerzeugung für die Jahre 2007 bis 2017 zu dem Schluss kam: „Die wichtigsten erneuerbaren Energiequellen in der EU-28 waren Holz und andere feste Biobrennstoffe. 2017 betrug ihr Anteil an der Primärenergieerzeugung aus erneuerbaren Quellen 42 %.“
Das eingedenk, lohnt es sich, den Blick zurück in die USA schweifen zu lassen und sich die beiden Verbrauchsgraphen samt der dahinterliegenden Daten noch mal genauer anzuschauen. Tut man dies, so wird klar, dass rund 2 % der verbrauchten Energie aus Holz und Holzpellets stammen.
Umgerechnet sind das etwa 2 Billiarden BTU, was deutlich macht, dass der Sieg der Erneuerbaren über die Kohle nur durch das Holz zustande gekommen ist. Angesichts der Tatsache, dass beim Verfeuern von Holz – je nachdem, ob es aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt oder nicht und wie es verbrannt wird – große Mengen an Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden, die zum Teil traurige Rekordwerte erlangen und deutlich über den Emissionswerten der Kohle liegen, ist das ein klassischer Pyrrhussieg.
Die Ironie dieser Geschichte ist also eine doppelte. Zwar haben die erneuerbaren Energien unter dem Kohlenkönig Donald Trump die Führung übernommen. Doch ist das noch lange kein Grund zu feiern. Denn wer beim Blick auf die Verbrauchsstatistik zu jubeln beginnt, unterliegt einem sträflichen, oder sagen wir besser: einem gräphlichen Irrtum.
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