LEIPZIGER ZEITUNG/ Auszug Ausgabe 78, seit 24. April im HandelFriedbert Böhmichen, Rentner, gebürtiger Leipziger, floh zu DDR-Zeiten nach Stuttgart und lebt seit 1989 wieder in Leipzig. Ich glaube, es wird sich alles verändern. Das geht so nicht weiter und es wird auch nicht wieder so, wie es war. Unser ganzes Leben, unser Einkaufen, unsere Vorratshaltung, unser Denken über Produkte, die schnelllebig sind. Über uns selbst – wie sterblich und wie verletzbar wir sind. Und über das, was wir alles nicht brauchen. Zum Beispiel diesen wahnsinnigen Reise- und Einkaufsrummel.
Ich glaube schon, dass wir zur Veränderung fähig sind. Wir müssen dazu fähig sein. Wir müssen sicher damit rechnen, dass wir alle zwei, drei Jahre so eine Pandemie kriegen – irgendeine andere Art, die wir noch nicht kennen. Es wird ratsam sein, sich darauf zu konzentrieren, dass man vorbereitet ist und sich noch in andere, höhere Anforderungen reinstürzen muss. Und um das zu meistern und sich zu erhalten.
Es wird sich auch einiges an der Weltbevölkerung dezimieren. Niemand hätte wohl gedacht, dass das von allein so gehen kann. Ich denke, dass die Erde sich gerührt hat und uns sagt „Macht mich nicht kaputt, sonst geht ihr kaputt.“ Diese Dinge kommen ja nicht von irgendwoher. Auch die Pest hat früher eine ganze Revolution ausgelöst, nach der die Menschheit anders war, als vorher.
Vielleicht müssen wir die Schutzmasken für immer tragen. Schließlich steckst du dich ja zum Beispiel in der Straßenbahn mit allen möglichen Krankheiten an. Eigentlich ist es vernünftig, sich zu schützen, wenn viele Menschen an einem Fleck sind. Man müsste beispielsweise den Nahverkehr fördern, aber so, dass jeder Platz hat. Das kostet natürlich ein Schweinegeld.
Ich denke, Kunst wird in der nächsten Zeit wahnsinnig wichtig sein – wenn die Künstler wieder dürfen. Weil das eine Gesellschaft vorantreibt. Ich denke auch, dass demnächst sehr vieles teurer werden wird. Zum Beispiel – Tomaten aus Spanien, dieser ganze Käse. Im Winter! Die können wir doch essen, wenn sie bei uns wachsen. Oder Tulpen im Januar, das muss niemand haben.
Die Erde hat sich gemeldet. Und das nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa oder Amerika – die ganze Erde hat sich gemeldet. Man muss doch nicht immer alles anbieten und tun, nur weil es möglich ist. Es wird nicht anders gehen, als das einzuschränken. Die Notwendigkeit vieler Dinge muss unheimlich hinterfragt werden.
Zu der Normalität, die wir kennen, kommen wir nicht mehr zurück. Der Kontakt untereinander, dass man mit jedem sprechen und dorthin gehen kann, wo man Menschen trifft, die man noch nicht kennt – es wird uns bewusst, wie viel wert das ist. Erst jetzt weiß man, was Freiheit bedeutet. Jetzt bedeutet Freiheit Verantwortung.
Mehr aktuelle Träume auf L-IZ.de, in der Coronakrise 2020 und aus den letzten Jahren
Träume in der Coronakrise
Normalerweise warten wir bis Weihnachten, bis wir Menschen, die wir interessant finden, dazu einladen, ein bisschen zu träumen. Immer kurz vor dem Ende eines Jahres erscheinen dann in der LEIPZIGER ZEITUNG und auf L-IZ.de häufig sehr persönliche Texte, die sich aber auch dem gesellschaftlichen Ganzen widmen.
Unser Zusammenleben als Gemeinschaft hat sich in den vergangenen Wochen so schnell und drastisch geändert wie es viele niemals für möglich gehalten hätten. Mittlerweile wagt man zwar hier und dort einen Schritt zurück zur Normalität, doch Kontaktverbote und Maskenpflicht erinnern uns jeden Tag an den wohl noch lange andauernden Ausnahmezustand.
Wie die Menschen mit dieser Situation umgehen, ist sehr unterschiedlich. Manche werden krank und einige sterben, andere kommen mit der Isolation mehr oder weniger gut zurecht und viele denken in die Zukunft: Wie lange müssen und können wir mit den Einschränkungen leben? Wird unsere Welt in der Zeit nach Corona eine andere sein? Und falls ja: Wie wird sie dann aussehen?
Wir haben also Menschen gebeten, für uns zu träumen und uns zu erzählen, was die Coronakrise mit ihnen macht und wie sich das Leben aus ihrer Sicht verändern könnte.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 78: Wie Corona auch das Leben der Leipziger verändert hat
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 78: Wie Corona auch das Leben der Leipziger verändert hat
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