In Sachsen gilt seit Mitternacht eine neue Allgemeinverfügung, die das öffentliche Leben weiter einschränkt. Einiges bleibt aber unklar, zum Beispiel ob Hilfe bei Umzügen weiter erlaubt ist und wie weit von der Wohnung entfernt man spazieren und Sport treiben darf. Zudem zeigen sich Krankenhäuser in Sachsen solidarisch und nehmen Corona-Erkrankte aus Italien auf. Die L-IZ fasst zusammen, was am Montag, den 23. März 2020, in Leipzig und Sachsen wichtig war.
Video-Impressionen aus Leipzig (23. März, 16:30 – 20 Uhr)
Video: L-IZ.de
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Manche nennen es „Kontaktverbot“, andere „Ausgangsbeschränkung“. Fakt ist: Seit Mitternacht gilt in Sachsen eine Allgemeinverfügung, die Tätigkeiten im öffentlichen Raum stark einschränkt. Wer seine Wohnung verlassen möchte, darf das nur noch aus „triftigen Gründen“ tun. Dazu zählen Einkäufe, Arztbesuche, Bestattungen, der Weg zur Arbeit und Besuche bei Kranken.
Spaziergänge und Sport bleiben ebenfalls erlaubt, allerdings nur allein, mit Personen aus demselben Haushalt oder in Begleitung des „Lebenspartners“. Sachsen geht damit über den von Bundeskanzlerin und Ministerpräsident/-innen gefassten Beschluss hinaus. Dort heißt es: „Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet.“
Nachfragen – doch noch immer Unklarheiten
Das für die Allgemeinverfügung zuständige Sozialministerium hat in der vergangenen Nacht eine Anfrage von uns erhalten, warum in Sachsen der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht mit „einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person“ gestattet ist. Eine Antwort haben wir darauf bislang nicht erhalten. Wir haben das Ministerium zudem gefragt, ob es eine besondere psychische Belastung für allein lebende Singles sieht.
Eine Nachfrage der L-IZ heute bei der Polizeidirektion Leipzig ergab, dass hier die Beamten eher ein Auge auf weiterhin geöffnete Ladengeschäfte haben und sich darum kümmern, dass keine Partys im Stadtgebiet stattfinden. Heute, in der Zeit zwischen 16:30 Uhr und 20 Uhr, waren wir in Leipzig unterwegs, insgesamt fünf Polizeiwagen wurden gesichtet, Pärchen oder Zweierteams wurden nicht angehalten – niemand der Passanten wurde kontrolliert. Zwei Einsatzwagen bewegten sich eher mit Blaulicht zu einem Einsatzort im Leipziger Westen (siehe Video-Impressionen & Bildergalerie).
Die meisten Läden in der City haben geschlossen, viele bitten ihre Kunden, mit einem verschiebbaren Einkauf bis nach der Krise zu warten und so den Leipziger Einzelhandel zu unterstützen. Andere arbeiten derzeit mit stark reduzierten Öffnungszeiten für den Außerhaus-Verkauf (da Restaurants geschlossen bleiben müssen) oder bitten um Bestellungen.
Besonders schlecht scheint es um die noch in der City verbliebenen Obdachlosen zu stehen – da kaum noch Menschen unterwegs sind, finden sie weniger Pfandflaschen oder erhalten weniger Spenden. Unterdessen fahren die Bahnen in Leipzig nahezu leer umher. (siehe Videoimpressionen & Bildergalerie)
Was ist das „Umfeld des Wohnbereiches“?
Unklar ist derzeit eher, was unter dem „Umfeld des Wohnbereichs“ zu verstehen ist. Denn nur in diesem – und im Kleingarten – sind Sport und Spaziergänge erlaubt. Die sächsische Polizei antwortete gestern auf Nachfragen in den sozialen Medien, dass es dafür „noch keine genaue Definition“ gebe. Der sächsische Innenminister Roland Wöller hält eine solche Definition offenbar für „nicht notwendig und nicht praktikabel“.
Argumente für das Weglassen einer etwaigen Kilometerangabe jedoch könnte durchaus sein, hier nicht in einen gewissen Kontrollzwang zu verfallen – und demnach nicht wahllos Menschen anzuhalten und gemeinsame Kilometerschätzungen vom Aufenthaltsort zum Wohnort zu praktizieren. Was die Nichtnennung einer genauen Definition zu einem Akt von mehr Bewegungsfreiheit für jeden Einzelnen machen dürfte.
Innenminister Wöller lehnt es ab, genau zu definieren, was „Umfeld des Wohnbereichs“ in der neuen sächsischen Allgemeinverfügung bedeutet. Man wolle keine Krisenbürokratie aufbauen. Eine genaue Definition sei „nicht notwendig und nicht praktikabel“. #Corona #Sachsen
— Kai Kollenberg (@kollenbergkai) March 23, 2020
„Triftige Gründe“ wird noch näher definiert
Welche Gründe „triftig“ genug sind, um das Verlassen der Wohnung zu rechtfertigen, ist ebenfalls umstritten. Während die sächsische Polizei auf Facebook behauptet, dass private Umzugshilfe nicht erlaubt sei, schreibt die Stadt Leipzig auf Twitter das genaue Gegenteil. Klar ist: Wer zum Monatsende ausziehen muss und kein Geld für Umzugsfirmen besitzt, wird das in der Regel nicht allein schaffen. Das sollte „triftig“ genug sein.
Weitere Coronanews in aller Kürze: Kliniken in Leipzig und Dresden nehmen sechs Patienten aus Italien auf, der Landtag reduziert seine kommenden Ausschusssitzungen, in der Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in der Leipziger Max-Liebermann-Straße gibt es zwei Fälle und die Mitarbeiter/-innen des St.-Georg-Krankenhauses dürfen sich am Eingang über etwas Unterstützung freuen. Dringender benötigen sie aber natürlich die nötige Ausrüstung.
Erste Solibekundungen vor dem #Leipzig er St. Georg Krankenhaus:
„Danke und viel Kraft, für alles was ihr schafft!“ (Und dann die Fallpauschalen abgeschafft!) Das Gesundheitssystem darf sich nicht an Profiten orientieren – Das gilt auch für die Zeit nach #COVIDー19 !! pic.twitter.com/L6pC5RFV02— Peter Cerano (@PeterCerano1) March 23, 2020
Was heute außerdem wichtig war: Im Arthur-Bretschneider-Park und im Lene-Voigt-Park soll es im Laufe des Jahres jeweils einen Trinkbrunnen geben (via Stadt Leipzig). Die beiden Parks hatten sich in einer Umfrage der Wasserwerke gegen vier Konkurrenten durchgesetzt.
Impressionen des 23. März 2020 (Bildergalerie)
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22. März – Ein Sonntag in Bildern: Coronavirus bestimmt das Leben
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