Leipzigs Gastronomen und Hoteliers wendeten sich am Mittwoch mit einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung (62, SPD) und baten um aktive Unterstützung der Stadt. Zahlreiche Läden mussten vorerst ihre Türen schließen, nachdem in der vergangenen Woche auch die eingeschränkten Öffnungszeiten von 6 bis 18 Uhr aufgehoben worden waren. Viele Restaurants bieten seitdem einen hauseigenen Lieferservice und Essen „to go“ an, doch klar ist: Auf Dauer ist das keine Lösung. Der Gastro-Stammtisch Leipzig, ein Bündnis aus über 120 von Leipzigs Bars, Kneipen, Restaurants, Spätis, Hostels und Hotels, hat nun einen Forderungskatalog aufgestellt, der der Stadtverwaltung vorliegt.
In dem Schreiben wird ersichtlich: Die Situation treibt viele an den Rand der Existenz, bringt aber auch Solidarität und Kampfgeist zutage. „[D]as Coronavirus hat unser Leben verändert – aber die Pandemie wird eines Tages Vergangenheit sein. Leipzig wird wieder erblühen, die Straßen werden sich füllen, unsere Stadt kann sich endlich wieder als das präsentieren, was sie ist: lebensfrohe, bunte Heimat für Ihre Bürger und beliebtes Ziel für Gäste aus aller Welt“, heißt es zu Beginn des Schreibens.
„Die gegenseitige Unterstützung und der ständige Austausch untereinander ist nach wie vor groß“, erzählt Stefan Kronthaler vom Pivo. Er rief kurz nach dem offiziellen „Ladenschluss“ den Gastrostammtisch Leipzig ins Leben.
Dennoch reichen eigene Hilfs- und Spendenaktionen nicht, um sich auf lange Sicht über Wasser zu halten. „So alternativlos die Schließung von Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Clubs und Bars für die Verhinderung der Ausbreitung des Virus‘ gewesen sein mag – ohne tägliche Einnahmen wird die Leipziger Gastroszene in ihrer bisherigen Form sterben“, befürchten die Gastronomen.
Sie wünschen sich zunächst einmal die offizielle schriftliche Anweisung „von oben“. „[E]s kann zum Beispiel nicht sein, dass Hotels zwar keine Touristen mehr aufnehmen dürfen, aber kein Schriftstück in die Hand bekommen, welches ihnen das Einfordern von Entschädigungszahlungen ermöglicht. Ähnlich verhält es sich bei Restaurants, die ohne angeordnete Schließung ihre Ausfallversicherungen nicht aktivieren können.“
Ein weiteres Problem ist die Lage der Minijobber, Pauschalkräfte, Werkstudenten, geringfügig Beschäftigten und studentischen Hilfskräfte. Während festangestellten Mitarbeitern relativ schnell nach Anordnung der Sonderregelungen vonseiten der Regierung der Erhalt von Kurzarbeitergeld, also 60 bis 67 Prozent des Gehalts, zugesichert wurde, stehen die Aushilfen und Geringverdiener ohne Absicherung da. Der Stammtisch fordert die aktive Unterstützung dieser sowie die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100 Prozent.
Ebenso soll mit Unterstützung der Stadt ein dreimonatiges Aussetzen von Miet- und Kreditforderungen erwirkt werden. Zudem werde rechtlicher Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Dauerschuldverhältnissen wie Miet-, Leasing- und Kreditverträgen benötigt. Kredite sollten zudem schneller und unkomplizierter gewährt werden.
„[I]n zwei Wochen käme das dringend benötigte Geld für die meisten Antragsteller zu spät.“ Auch die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht bis zum 01.03.2021 sehen die Gastronomen als Notwendigkeit. Vor allem aber wünschen sich Leipzigs Gastronomen und Hoteliers das Bekenntnis der Stadt zu „ihrer“ Gastroszene.
„[W]erben Sie für Unternehmer, die um ihr Überleben kämpfen, die sich mit Kreativität gegen ihren Untergang stemmen und zum Beispiel Take-Away- oder Lieferdienste initiieren, sich trotz eigener Not für andere einsetzen, die leere Hotelzimmer für Quarantänezwecke, Kranke und Obdachlose bereitstellen … Werben Sie für die Gastgeber dieser Stadt!“, fordert der Stammtisch die Verwaltung auf. Das vollständige Schreiben kann hier nachgelesen werden: https://bit.ly/3boA36r .
Vom Bund wurde derweil Betrieben mit bis zu fünf bzw. zehn Beschäftigten ein rückzahlungsfreies Notgeld von bis zu 9.000 bzw. 15.000 Euro zugesichert. Was aber passiert mit Unternehmen, die bisher mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigten?
Unsicherheit über die bisher getroffenen Maßnahmen und zu erwartende Hilfe der Regierung herrscht derzeit in nahezu jeder Branche. Zahlreiche Hilfsaktionen wurden deshalb bereits in Eigeninitiative ins Leben gerufen. So sammelt ein Bündnis zahlreicher Cafés unter startnext.com/wirgemeinsam Spenden. Mit diesen sollen vor allem Mitarbeiter und laufende Kosten bezahlt werden. Als Dankeschön erhalten Unterstützer zum Beispiel eine Kaffee-Flatrate an einem bestimmten Tag im Café ihrer Wahl. Klar ist aber auch, dass Gutscheine keine dauerhafte Lösung sind.
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir wissen, dass nicht alle diese Punkte in der Zuständigkeit der Stadt liegen. Aber wir Leipziger Gastronom/-innen sehen Sie als Ansprechpartner, der unsere Belange auch beim Freistaat Sachsen und im Bund zu vertreten vermag. Sie gehören zu unseren letzten Hoffnungen. Bitte helfen Sie, unser Fortbestehen und somit eine Szene, um die viele Städte im In- und Ausland unser schönes Leipzig beneiden, zu erhalten“, schließen die Mitglieder des Stammtisches ihr Schreiben.
Am Mittwochnachmittag meldete sich dann Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) zu Wort. „Damit wir die Liquiditätslage der Unternehmen stärken können, sind nun schnelle und unbürokratische Lösungen notwendig.“
Konkret bedeutet das für Unternehmen in Leipzig, dass der Zahltermin der Gewerbesteuer, ursprünglich am 15.05., bis zum 15.08. verschoben wurde. Zudem hätten Betriebe die Möglichkeit, den Termin per Antragstellung auf den 31.12. zu verschieben. Das verschafft vielen Unternehmen sicher „Luft zum Atmen“, die fälligen Zahlungen aber bleiben bestehen. Auch die Erhebung der Gästetaxe wurde bis zum 31.05. ausgesetzt. Alle bisher vereinnahmten Gelder aus der Gästetaxe werden gesperrt und, so die Verwaltung, „zumindest teilweise in einen Hilfsfonds für die betroffenen Branchen fließen.“
Coronavirus: Leipziger Gastronomen schließen sich zusammen
In der (Corona-)Krise: Stadt Leipzig setzt Zahlung der Gewerbesteuer und Gästetaxe aus
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