2019 war ein Jahr, das wir so schnell nicht vergessen werden. Das 30. Jubiläumsjahr von 1989, drei ostdeutsche Landtagswahlen und eine junge Bewegung, die für einen basisdemokratischen Aufbruch im Osten jenseits von Pegida, AfD und Co. streitet. Im September 2018 haben wir mit jungen ost- und westsozialisierten Menschen die Initiative „Aufbruch Ost“ in Leipzig gegründet.
Mit dem Ziel, für Selbstermächtigung zu streiten und die Politik wieder näher zu den Menschen zu bringen. Mit der festen Überzeugung, dass wir es schaffen können, ostdeutschlandweit Regionalgruppen ins Leben zu rufen und mit Menschen auf die Straße zu gehen. Unser Forderungskatalog wurde mit der Zeit länger und länger. Ganz zentral darin: die soziale Frage, der im Osten aufgrund der Geschichte eine besondere Bedeutung zukommt.
Wir fordern die Aufarbeitung der Treuhand, ein Ende der neoliberalen Privatisierungspolitik, die Lohnangleichung Ost-West, Rentengerechtigkeit insbesondere für die geschiedenen DDR-Frauen, den Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum, trotz des notwendigen Strukturwandels eine Zukunft für die Lausitz, die Aufklärung rassistischer Gewalttaten und Morde vor und nach 1990 sowie die Stärkung und Sichtbarmachung von ostdeutscher Zivilgesellschaft.
Im vergangenen Jahr sind wir häufig dahin gegangen, wo es auch mal wehtun kann. Wir haben uns bewusst aus der widerspruchsfreien Komfortzone herausbewegt, waren mit unserem Straßencafé in Fußgängerzonen unterwegs, sind mit Menschen vor Kaufhallen ins Gespräch gekommen, haben auf Marktplätzen in der Provinz gestanden, Gespräche geführt, viele Menschen erreicht und überzeugt.
Großes Medieninteresse
Als junge Nachwendegeneration saßen wir auch auf zahlreichen Podien sowohl in ost- als auch in westdeutschen Städten. Mit unseren Aktionen weckten wir das Interesse der Medien, sodass nicht nur die Lokalpresse über uns berichtete, sondern auch überregionale und internationale Zeitungen und Fernsehsender.
Unser Ansatz, die herrschende Geschichtsschreibung infrage zu stellen, stieß auf reges gesellschaftliches Interesse, denn eine kritische Aufarbeitung der „Wendezeit“ und der 90er Jahre im Osten Deutschlands gab es im gesellschaftlichen Diskurs bisher so noch nicht. Diesen Raum, in dem über ostdeutsche Geschichte gesprochen wird, sehen wir als Potenzial, um aus der Vergangenheit zu lernen und die aktuelle politische Situation zu verändern.
Nach dem 30. Jubiläum des Mauerfalls und den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind die Presse- und Veranstaltungsanfragen deutlich zurückgegangen. Das „Ostjahr“ mag medial beendet sein – für uns ist es das nicht! Deshalb sind wir dabei, unsere politische Arbeit neu auszurichten. Wir richten den Blick nach vorn und lösen uns etwas vom reinen Geschichtsdiskurs.
Gegenwartsbezogen, projektorientiert und nachhaltig
In Zukunft werden wir versuchen, eher gegenwartsbezogen, projektorientiert und nachhaltig Politik zu machen. Mittelfristig streben wir an, bündnisfähiger zu werden, um uns stärker in zivilgesellschaftlichen Bündnissen lokal zu verankern. Das Ziel ist, kontinuierlich politisch und medial im Osten der Republik aktiv zu sein, damit es endlich linke Politikangebote gibt, die den historischen und gesellschaftlichen Realitäten Ostdeutschlands gerecht werden.
Langfristig wollen wir auf die Straße gehen. Denn wir wissen, dass es gesellschaftliche Mehrheiten für eine soziale Politik gibt. Insbesondere in gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen werden wir uns stärker engagieren.
Wir werden die Arbeiterinnen und Arbeiter in Ostdeutschland jedenfalls nicht aufgeben, auch wenn die Wahlergebnisse abschrecken. Nur wenn wir mit ihnen gemeinsam für gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen auch im Osten kämpfen, nehmen wir den Rechten den Wind aus den Segeln.
Auch die neu entstehende „Poliklinik“ in Leipzig-Schönefeld wollen wir unterstützen – und „Polylux“, ein Netzwerk der Solidarität für Vereine, Initiativen und Projekte im Osten, das finanzielle Unterstützung braucht. Als Initiative „Aufbruch Ost“ sind wir offen für alle, die uns auf diesem Weg unterstützen wollen. Wir freuen uns über neue Ideen und jede Unterstützung.
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