Fotoapparat liegt bereit, die Akkus sind aufgeladen und die Füße geputzt. Auch in diesem Jahr gehen wir von der L-IZ.de wieder nachschauen, was die Leipziger, hier mal die männliche Form allein, so mit ihrem Jahresübergang auf den Straßen und in den Gassen anstellen. Seit Jahren fast schon ein Ritual geworden, geht es natürlich auch wieder ans Connewitzer Kreuz. Also dahin, wo die Polizei auch in diesem Jahr gesondert darauf hinwies, dass man auf das angetrunkene Völkchen Feierwilliger aufpassen will.
Es ist längst ein seltsames Aufeinanderschauen geworden, dieser Jahresübergang im Leipziger Süden, am Connewitzer Kreuz. Fast ein wenig ritualisiert, denn so richtig Randale war in den vergangenen Jahren längst Fehlanzeige. Nicht, dass diese irgendwer bräuchte, aber das Framing sitzt bereits tief in den Knochen. Im vergangenen Jahr war es ein Lagerfeuer auf der Straße, welches am Ende doch noch Bilder ergab, die irgendwie in die mediale Erwartungshaltung passten.
Im Jahr zuvor war es ein grüner Polizeipanzer der Furore machte – eine Reaktion auf ein paar geworfene Flaschen von Menschen, die damit wiederum glaubten, auf die Polizeipräsenz reagieren zu müssen. Der Panzer schaffte es in die Tagesschau, da half auch alles mediale Beruhigen sogar der Polizei selbst nichts mehr, aus Flaschen wurden Elefanten. Bis herauskam, dass in der Silvesternacht vor allem in Berlin Rettungskräfte massiv angegriffen worden waren – der Tross der Empörung zog weiter.
Was ist neu Silvester 2019/20?
Zuerst einmal der Polizeichef Leipzigs. Und wie jeder andere neue Polizeipräsident vor ihm, wird Torsten Schultze wohl seine Polizeibeamten unter anderem, aber eben besonders in den Leipziger Süden entsenden. Was gern überspielt, dass die Einsätze in ganz Leipzig ansteigen, wenn’s in den Jahresübergang geht. Am Einsatzverhalten wird sich also auch zeigen, was den Beamten als Richtlinien mit auf den Weg Richtung Süden gegeben wurde.
Festhalten kann man aus den letzten Jahren: passiv und in den Seitenstraßen wartend, war besser, weil für alle friedlicher.
Neu ebenfalls: seit letztem Jahr ist gerichtlich geklärt, dass Spontandemonstrationen auch zu Silvester stattfinden dürfen, auch am Connewitzer Kreuz. Die Stadt Leipzig hatte fast zwei Jahre lang dieses Grundrecht auszuhebeln versucht, am Ende fanden dann die Richter das Grundgesetz mit Wirkung auch im Süden Leipzigs besser. Ob nun der Silvesterabend der richtige Zeitpunkt zur politischen Willensbekundung ist, mag jeder anders sehen. Aber dürfen muss man können – sonst endet das ganze schöne Bürgerrecht am Ende noch in einer neuen Obrigkeitskultur.
Im letzten Jahr gab es auch keine Demo, vielleicht, weil man gekonnt hätte und die Entscheidung noch sehr frisch war … Wer weiß, was in diesem Jahr nach einem Jahr, welches in einem „OmaGate“ wegen diverser Umweltsäue am Ende in rechtsradikalen Todesdrohungen gegen Journalisten endete, folgt.
Debatten um Silvester
Was heute Nacht wohl weniger zu sehen und demnach auch zu fotografieren sein wird, sind Tiere. Die verkneifen sich das ganze Gehämmer ja eher, wenig freiwillig ziehen sie sich für gewöhnlich noch ein wenig tiefer in Löcher, Grünflächen oder ganz in sich selbst und aus der Stadt, sofern möglich, zurück. Mit üblen Folgen, wie der NABU Leipzig erst neulich noch einmal mitteilte. Desorientierung, maximales Stresslevel für unsere gefiederten und befellten Freunde also auch in diesem Jahr wieder – für Babys und ältere Menschen soll es ja auch nicht so gut sein, wenn’s hämmert, als ob ein Krieg ausbräche.
Da die Zeiten der Rasseln und Trommeln zur Vertreibung der bösen Geister aus dem sterbenden Jahr fürs neue wohl vorbei sind (noch wurden zumindest kaum Traditionsrassler in Leipzig gesichtet), gab es auch in diesem Jahr wieder eine zumindest lauter werdende Debatte um das ganze Gerammel und Gedröhn.
Zwei Lösungen liegen eigentlich nahe, ja auf der Hand
Da die Leipziger in den vergangenen Jahren längst den Augustusplatz zum Schussfeld umfunktioniert haben, wäre hier vielleicht der beste Platz für ein gemeinsames, städtisches Feuerwerk für alle. Also weg vom Grün und dafür mehr Ruhe in den tierisch bis menschlich dicht bewohnten Vierteln. Keine gute Nachricht für die Feuerwerkskörperindustrie vielleicht, aber ein Verbot der privaten Knallerei wird mittlerweile offen diskutiert und in einer Petition sehen es immer mehr Unterzeichner so.
Zweite betroffene Klientel einer Untersagung: Männer. Es macht zumindest den deutlichen Eindruck aller Jahre, dass eben sie so unfassbar gern selbst was anzünden, in die Luft jagen oder etwas brennen sehen wollen. Mit 14 Jahren – ok, es gibt eben so Phasen. Aber dann?
Und für das Connewitzer Kreuz hatte tatsächlich Katharina Krefft (also eine bündnis-grüne Leipzigerin, die gleich zum Start 2020 gern hiesige Oberbürgermeisterin würde) in einem letztlich stattfindenden Gespräch eine durchaus bezaubernde Idee. Für Polizei, Bewohner und Feierfreudige gleichermaßen. Ein Fest, so mit Büdchen, lecker Glühwein und Musik auf dem Kreuz in der Silvesternacht. Ein Trommler kommt ja bereits freiwillig.
Gemeinsam mit allen anliegenden Veranstaltungshäusern und Kneipiers (denen man sogar den Straßenverkauf von Alkohol in der Silvesternacht nimmt – die Prohibition lässt grüßen) und mit Unterstützung der Stadt Leipzig könnte man so den Jahresübergang gemeinsam begehen.
Kann man ja mal drüber nachdenken, oder?
Man sieht sich also – noch ganz ohne Fest oder gemeinsames Feuerwerk – um die Mitternacht auf Leipzigs Straßen, der Helikopter kreist schon wieder und die Polizei patrouilliert in der Stadt.
Allen Lesern der L-IZ.de, unseren Freund/-innen, Familien, Partnern und nicht zuletzt dem Team selbst alles Gute für das Jahr 2020. Verdient hätten es alle. Hoffen wir – im Wissen um die Sinnfreiheit von Prognosen – auf einen friedlichen Jahresübergang und ein herausragendes Jahr 2020 am Beginn eines neuen, in jeder Hinsicht klimabewussteren Jahrzehnts. Für uns, für Sie und gern weit darüber hinaus.
Silvester am Kreuz: Die Spirale dreht sich (1)
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