Am Dienstag, 10. September, entschied der Akademische Senat der Universität Leipzig mehrheitlich, dass die barocke Kanzel aus der 1968 gesprengten Paulinerkirche nicht in der Aula des neuen Paulinums aufgehängt wird. Das Raumklima wäre für das wertvolle Erinnerungsstück an die einstige Kirche überhaupt nicht zuträglich. Für die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung („gbs Leipzig“) ist es auch eine Erleichterung. Ihr war die Ausstattung der Aula schon viel zu viel Kirche.
Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig, sagte am Mittwoch: „Endlich hat der Spuk ein Ende. Es ist schlimm genug, dass ein Teil des Paulinums zur ,Universitätskirche‘ geweiht wurde. Mit dem Einbau der Kanzel hätte die Universität ihre weltliche Aula endgültig verloren. Der sakrale Charakter des Gebäudes ist schon jetzt erdrückend. Eine Kanzel steht symbolisch für ,nachbeten‘ statt ,nachdenken‘ und hat daher in einem Hort der Wissenschaft nichts zu suchen. Es ist den Universitätsangehörigen nicht zuzumuten, wissenschaftliche Tagungen und Preisverleihungen unter der christlichen Kanzel durchführen zu müssen. Wir sind daher sehr froh, dass der Senat dem jahrelangen Druck durch Landesregierung, Landeskirche und Pauliner-Verein standgehalten hat.“
Für die Giordano-Bruno-Stiftung ist es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Kanzelbefürworter die Anbringung nicht etwa in dem durch eine Glaswand von der Aula abgetrennten Andachtsraum verlangen, sondern in der Aula selbst.
Hierzu erklärt Steinhaus: „In den letzten Jahren stand nur die Frage im Vordergrund, ob die Kanzel das trockene und schwankende Raumklima vertragen würde. Die Frage der Rechtmäßigkeit wurde leider ignoriert. Statt dem Klima-Monitoring hätte man ein Rechtsgutachten einholen sollen, denn sowohl der Freistaat Sachsen als ursprünglicher Bauherr des Paulinums als auch die Universität als jetzige Nutzerin sind laut unserer Verfassung zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet und unterliegen dem Gebot der Trennung von Staat und Kirche. Hiergegen wurde zwar bereits jetzt massiv verstoßen, als mit Hochschulgeldern eine Kirche gebaut und der Andachtsraum zu einer christlichen Kultstätte geweiht wurde. Doch die Anbringung der Kanzel hätte endgültig diesen Verfassungsbruch besiegelt.“
Erfreulicherweise, so Steinhaus, wurde am Dienstag während der Diskussion im Senat auch klargestellt, dass „ein einseitig religiöses Symbol nicht zur weltoffenen Universität“ passe und die Installation der Kanzel „ein Kniefall vor den christlichen Kräften in der Landesregierung“ sei. Kritisiert wurde auch, dass eine Interessengruppe – gemeint ist der Paulinerverein – ständig versuche, in der Angelegenheit der Universität reinzureden und dass es nicht den realen Verhältnissen entspreche, wenn in einer zum Großteil atheistischen Gesellschaft die Kirche ständig fordere, dass man ihr religiöse Symbole aufbaue. Von einem „Mangel an Demut“ aufseiten der Kanzelbefürworter war die Rede.
Aufschlussreich ist für Steinhaus das Abstimmungsergebnis im Senat: Es gab lediglich eine Enthaltung – alle anderen Senatsmitglieder stimmten gegen die Installation der Kanzel. Hierzu Steinhaus: „Die nahezu einstimmige Senatsentscheidung verdeutlicht noch einmal, dass es im Grunde nur eine kleine, aber laute Lobbygruppe – der Paulinerverein – war, der von Anfang an versuchte, das Hochschulgebäude mehr und mehr in eine Kirche umzudeuten. Die Universität selbst hatte hieran nie ein Interesse.“
Vor der Abstimmung hatte sich der Paulinerverein – diesmal unter dem Label Bürgerinitiativkreis „Wort halten“ – mit einer Handreichung an die Senatsmitglieder gewandt, um sie für die Installation der Kanzel zu gewinnen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der noch amtierende Sächsischer Staatsminister der Justiz Sebastian Gemkow sowie der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse. Unterzeichnerin ist auch die frühere Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof Monika Harms. Unter ihrer Vermittlung wurde im Dezember 2008 zwischen den Streitbeteiligten der sogenannte „Harms-Kompromiss“ geschlossen. Dieser bekräftigt, dass die Entscheidungskompetenz in allen Fragen rechtlich dem Bauherrn im Einvernehmen mit der Universität zukommt.
Hierzu erklärt Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: „Mit ihrer Unterschrift verstößt Monika Harms gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit, der ihr als Juristin wohlbekannt sein müsste. Auch nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens hätte sie nicht Partei ergreifen dürfen, sondern sich neutral verhalten und den Kompromiss achten müssen – und der besagt eben: ohne die Zustimmung der Universität geht es nicht. Im Übrigen ist es geradezu absurd, dass sich ausgerechnet die Pauliner in ihrer Handreichung an die Senatsmitglieder auf den Harms-Kompromiss beziehen. Zum einen haben sie diesen immer abgelehnt, sicher auch, weil sie – zu Recht – nie mit am Verhandlungstisch gesessen haben, und zum anderen verschweigen sie geflissentlich, dass auch nach dem Kompromiss die Universität ihr Einverständnis erklären muss. Den Paulinern geht es einzig um ihre christliche Identitätspolitik.“
Daher verwundere es – so Steinhaus – auch nicht, dass die Handreichung mit keinem Wort auf die massive Sichtbehinderung eingehe, die das Anbringen der Kanzel zur Folge hätte. Die Pauliner begrüßten zwar, dass der moderne Uni-Campus „auf sehr vielfältige Weise“ genutzt werden kann. Sie ignorierten aber, dass die Kanzel diese Multifunktionalität massiv einschränken würde, da auf bis zu 25 Prozent der Sitzplätze die Sicht auf die Leinwand versperrt bliebe. Diese Zahl, so Steinhaus, wurde im Rahmen der Aussprache am Dienstag im Senat genannt.
„Der Senat hat richtig entschieden – aus rechtlichen, finanziellen wie auch technischen Gründen“, betont Steinhaus. „Wir möchten die Universität ermutigen, den Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität in ihrer Aula wieder mehr zu beachten.“
Akademischer Senat der Uni Leipzig entscheidet gegen Anbringung der Kanzel im Paulinum
Akademischer Senat der Uni Leipzig entscheidet gegen Anbringung der Kanzel im Paulinum
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